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Uber: Ist das Start-up so viel wert wie Volkswagen?

Wenn Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess nächsten Dienstag vor seine
Aktionäre tritt, wird er einen Gewinn von zwölf Milliarden Euro verkünden. Er spricht dann für
eine Belegschaft von 664.500 Mitarbeitern, die im Jahr 2018 über elf Millionen Autos
produziert haben.

Die weltweiten Schlagzeilen aber beherrscht in diesen Tagen Uber, ein anderes Unternehmen,
das gerade einmal 22.000 Festangestellte hat und allein im ersten Quartal mindestens eine
Milliarde Dollar Verlust machte. Es verkauft keine Autos. Es vermittelt nur Fahrdienste. Doch schon kurz vor Ubers bevorstehendem Börsengang an diesem Freitag deutete vieles darauf hin, dass das Unternehmen am Freitag in New York über 80 Milliarden Dollar wert sein könnte. Genauso viel wie Volkswagen. Am Donnerstag setzte das Unternehmen den Ausgabepreis auf 45 Dollar
je Aktie fest. Es erlöst damit rund 8,1 Milliarden Dollar.

Der Börsengang könnte so zum Datum einer Zäsur werden. Uber, so steht es in seiner “Mission”
im Börsenprospekt, will “die Welt in Bewegung setzen”. Das Unternehmen verhält sich wie jeder
Börsenneuling, der die Kurse nach oben treiben will: Es erzählt von einem enormen Wachstum,
das jedoch erst der Beginn der Geschichte sei: “Wir fangen gerade erst an.” In den 63
Nationen, in denen Uber unterwegs ist, sei erst ein Prozent der gefahrenen Meilen in
Uber-Fahrzeugen zurückgelegt worden, heißt es in den Unterlagen. Die eigentliche Nachricht
lautet damit: 99 Prozent kann Uber noch erreichen! Und schon dieses eine Prozent hat im
vergangenen Jahr für mehr als neun Milliarden Dollar Umsatz gesorgt.

Wer sichert sich die restlichen 99 Prozent? Darum kämpft Uber mit seinem
Start-up-Konkurrenten Lyft, aber auch mit den herkömmlichen Herstellern wie eben Volkswagen.
Die alten Autobauer drängen längst selbst in den Markt für sogenanntes

Ridesharing,
also Dienste, die wie eine Art Sammeltaxi funktionieren und von Nutzern in Sekundenschnelle
gebucht werden können.

Anzahl von einzelnen Strecken von unter 30 Meilen, die Personen täglich zurücklegen

© ZEIT-Grafik

Ob es Uber gelingt, in diesem Bereich Marktführer zu bleiben, hängt nicht nur von den
Konkurrenten ab. Mindestens ebenso wichtig ist, wie Uber-Chef Dara Khosrowshahi drei ganz
unterschiedliche Herausforderungen bewältigt.

1. Die Arbeitsbedingungen: Tausende Uber-Fahrer
in New York, San Francisco und anderen US-Städten haben vor dem Börsengang ihre Arbeit niedergelegt. Sie sind nicht
direkt angestellt, müssen aber einen Teil ihres Lohns für die Vermittlung von Uber-Fahrten
abtreten. Ihre Löhne sind auch deshalb so niedrig, weil das Unternehmen ein großes Interesse
hat, möglichst viele Fahrzeuge durch die Städte fahren zu lassen. Doch steigt das Angebot,
senkt der Uber-Algorithmus den Preis für die Fahrt und damit den Erlös für den Fahrer. Diesen
Zielkonflikt muss Khosrowshahi lösen.

2. Die Gesetze: In Deutschland und vielen anderen Ländern wehren sich Taxifahrer mit aller
Macht gegen Uber. Sie halten das Geschäftsmodell für unseriös und fürchten ruinösen
Wettbewerb. Der Bundesverband Taxi- und Mietwagen warnte jüngst vor “Preisdumping”. Laut
Arbeitsministerium werde gemeinsam mit Frankreich bereits an einer europäischen “Regulierung
der Plattform-Wirtschaft” gearbeitet. Wenn der Uber-Chef diese Sorgen nicht ernst nimmt,
gefährdet er die politische Unterstützung.

3. Die Expansion: Wie viel Wachstum verkraftet die
Technik? Im Prospekt zum Börsengang weist das Unternehmen selbst darauf hin: Wenn die
Technologie durch zu viele Nutzer überlastet wäre, “könnte dies zu unerwarteten
Systemunterbrechungen, langsamen Reaktionszeiten oder schlechten Erfahrungen für Fahrer,
Verbraucher, Restaurants, Verlader und Spediteure führen.” Die Kunden könnten Uber plötzlich
meiden, und aus einer Wachstumshoffnung von 99 Prozent würden ganz schnell viel weniger. Und
dann wäre Ubers Aktie aber auch nur noch einen Bruchteil wert.

Anmerkung der Redaktion: Für die Onlineversion dieses Artikels haben wir den Ausgabepreis der Uber-Aktie ergänzt, der nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe bekanntgegeben wurde.

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