/Steuereinnahmen: “Die fetten Jahre sind vorbei”

Steuereinnahmen: “Die fetten Jahre sind vorbei”

Die Steuereinnahmen werden in den kommenden Jahren deutlich weniger steigen als bislang erwartet. Berichten zufolge könnten Bund, Länder und Kommunen bis 2023 etwa 100 Milliarden Euro weniger einnehmen als bei der Schätzung im November vorhergesagt. Wie das Handelsblatt unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, beläuft sich der Fehlbetrag im Finanzplan der großen Koalition auf bis zu 15,8 Milliarden Euro.

Die Politik streitet über Reaktionen, noch bevor Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Ergebnisse der Steuerschätzung am Nachmittag vorstellt. CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU) warnte in mehreren Interviews davor, noch mehr auszugeben. “Die Grundrente der SPD ohne Bedürftigkeitsprüfung im Umfang von fünf Milliarden Euro ist nicht finanzierbar”, sagte er dem RedaktionsnNetzwerk Deutschland. Aber auch für weitreichende Steuersenkungen bestehe aktuell kein Spielraum.

Rehbergs Fraktionskollege Axel Fischer sprach sich hingegen für rasche Steuerentlastungen aus. “Angesichts der sich abschwächenden Konjunktur müssen wir frühzeitig gegensteuern, damit wenigstens zusätzliche Impulse zur Belebung der Binnenkonjunktur gesetzt werden”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. “In wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss es nicht in erster Linie um den Luxus derer gehen, die im Karren gezogen werden.” Wer den Karren ziehe, müsse gestärkt werden.

Ursache für die langsamer steigenden Steuereinnahmen ist das schwache Wirtschaftswachstum. Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,5 Prozent. Die fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wachstum von 1,9 auf 0,8 Prozent abgesenkt. Grund dafür sei unter anderem, dass die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich wegen politischer Risiken weiter eingetrübt hätten, sagte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft um 1,4 Prozent gewachsen. 2017 hatte das BIP um 2,2 Prozent zugelegt.

“Wir verlieren massiv an Attraktivität”

Die SPD lehnt Steuersenkungen für Unternehmen ab. Zugleich beharrt sie auf der Einführung der sogenannten Grundrente oberhalb der Grundsicherung. Diese soll für alle langjährig beitragszahlenden Geringverdienerinnen und Geringverdiener verfügbar sein – unabhängig davon, ob sie bedürftig sind.

Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht dennoch Spielraum für eine Unternehmenssteuerreform. “Mit fast 30 Prozent Unternehmenssteuern gegenüber 15 Prozent zum Beispiel in den USA verlieren wir einfach massiv an Attraktivität”, schrieb er in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Die letzte große Unternehmenssteuerreform habe die rot-grüne Regierung im Jahr 2000 auf den Weg gebracht. Seitdem sei im Wesentlichen nichts mehr geschehen.

FDP-Chef Christian Lindner forderte einen Ausgabenstopp. “Keine neuen Ausgaben und Subventionen”, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. “Auch bisher schon beschlossene Maßnahmen müssen überprüft werden. Zum Beispiel das Baukindergeld, das Bauen teurer macht, aber nicht zu mehr Wohnungen führt.” Priorität müsse haben, was eine Wirtschaftskrise verhindere: “eine Entlastung der breiten Mitte”.

“Der Rotstift ist unvermeidbar”

Auch der Bund der Steuerzahler forderte die Regierung auf, geplante Ausgaben zu hinterfragen. “Der Rotstift ist unvermeidbar”, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel der Deutschen Presse-Agentur. Die große Koalition müsse den gesamten Haushalt überarbeiten. Fragwürdig seien nicht nur Projekte wie die Mütterrente und die Grundrente, sondern auch “sehr, sehr hohe Subventionen”. Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung dürften dagegen nicht infrage gestellt werden. Steuersenkungen wiederum könnten die Kaufkraft stärken und so Mehreinnahmen generieren.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht geplante Ausgaben ebenfalls kritisch. “Die aktuelle Steuerschätzung zeigt, dass die fetten Jahre vorbei sind”, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Passauer Neuen Presse. Ausgaben und Versprechungen im Sozialbereich, wie beispielsweise die Grundrente, dürften nicht weiter gesteigert werden.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, um die zukünftigen Steuereinnahmen anhand volkswirtschaftlicher Kennzahlen vorherzusagen. Das Gremium besteht aus Expertinnen und Experten der Bundesregierung, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland und aus Vertretern der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen.

Hits: 12