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Lkw: Endlich CO2-neutral – doch leider teuer

Auf der Autobahn A5 zwischen Langen/Mörfelden und Weiterstadt ist eine irritierende Wirklichkeit entstanden: Hier sieht es aus wie auf einer Bahnstrecke. Rechts am Rand stehen in regelmäßigen Abständen metallische Pfähle, an denen weite Ausleger zwei Oberleitungen tragen. Je eine für den Plus- und den Minuspol. Noch ungewohnter ist der Anblick von Lkw-Zugmaschinen, die einen doppelten Stromabnehmer – die sogenannten Pantografen – auf dem Dach haben, um Fahrstrom zu übertragen. Das Bundesumweltministerium hat 14,6 Millionen Euro in dieses Projekt investiert.

Das Ziel: Auch die schweren Nutzfahrzeuge sollen CO2-neutral und ohne Dieselkraftstoff fahren. Zudem können hier Lastwagen mit Hybridantrieb elektrisch fahren und ihre Akkus aufladen. Oberleitungen sind aber nur einer von mehreren Pfaden, um weg vom Rohöl zu kommen – und leider wahrscheinlich nicht wettbewerbsfähig.

“Oberste Priorität sollte die Verlagerung auf die Schiene haben”, fordert Urs Meier, Projektleiter Güterverkehr bei Agora Verkehrswende, einer gemeinnützigen GmbH, die sich mit Geld aus der Mercator Stiftung und der European Climate Foundation (ECF) finanziert. Allerdings, so Meier weiter, würde selbst ein ausgebautes Schienennetz nicht ausreichen. Darum hält er Oberleitungs-Lkw für eine sinnvolle Ergänzungsoption. Zugleich nennt Urs Meier eine elementare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit: “Ein Oberleitungssystem müsste grenzüberschreitend an allen viel befahrenen Routen in Europa errichtet werden.”

Oberleitungen sind teuer und anfällig

Schwere Nutzfahrzeuge, also die typischen 40-Tonner, sind mit größter Selbstverständlichkeit seit Jahrzehnten zwischen Spanien und Norwegen, den Niederlanden und Polen unterwegs. In dieser Welt war es vor wenigen Jahren noch unvorstellbar, das irgendetwas anderes als ein Dieselmotor für Vortrieb sorgt. Eine moderne Zugmaschine verbraucht im Realbetrieb rund 30 Liter auf 100 Kilometer, was etwa 795 Gramm Kohlendioxidausstoß pro Kilometer ergibt. Am 19. Februar hat die EU nun erstmals CO2-Reduktionsvorgaben für dieses Segment erlassen: Im Vergleich zu dem Ist-Zustand, der zwischen Juli 2019 und Juni 2020 erhoben wird, müssen die Emissionen bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent sinken.

Große Effizienzfortschritte sind auf Basis fossiler Kraftstoffe nicht mehr zu erwarten, weil die Brummis schon immer einem hohen Wirtschaftlichkeitsdruck unterliegen. Hier geht es nicht um Schönheitspreise, sondern um Zehntelcent pro Kilometer. Es müssen also Alternativen zum Dieselsprit her. Florian Hacker vom Öko-Institut plädiert “auf hochfrequentierten Hauptstrecken” ebenfalls für die Oberleitung als am besten geeignetes System zur CO2-Reduzierung bei Fern-Lkw. Hacker geht für die nahe Zukunft von einem Antriebsmix aus, betont aber die gute Energieeffizienz, die schnelle Umsetzbarkeit sowie die umfangreichen Erfahrungen, die man im Bahnverkehr mit Oberleitungen gemacht hat.

Genau diese Erfahrungen sind jedoch nicht nur positiv: Oberleitungen sind extrem anfällig für Wetter und Vandalismus. Und der größte Negativfaktor sind die Kosten. Pro Autobahnkilometer sind nach aktuellen Schätzungen bis zu drei Millionen Euro plus Wartung fällig – für eine Infrastruktur, die ausschließlich dem Schwerlastverkehr zugutekommt und die nicht vom Steuerzahler getragen werden sollte.

Auch die Nutzfahrzeugsparte von Mercedes zweifelt am Erfolg von Oberleitungs-Lkw, obwohl sich der Hersteller an Pilotprojekten beteiligt. Die Pressestelle formuliert das auf Anfrage von ZEIT ONLINE höflich und sagt, dass Daimler als globaler Hersteller an “Zukunftslösungen arbeitet, die weltweit eine hohe Wahrscheinlichkeit auf Umsetzung haben”.  Diese sehe das Unternehmen wegen der hohen Infrastrukturinvestitionen bei Oberleitungen nicht, so heißt es weiter, auch angesichts der “rapiden Entwicklung von Batterie- und Brennstoffzellen-elektrischen Technologien”.

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