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Syrien: Mehr als 150.000 Menschen fliehen vor Gewalt in Idlib

Die syrische Armee dringt in die letzte größere Rebellenenklave des Landes ein und verschärft mit massiven Bombardements der Region Idlib die humanitäre Lage vor Ort. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde der gleichnamigen Provinz wurden seit Beginn der Angriffe in der vergangenen Woche sieben Kliniken und Gesundheitszentren stark beschädigt oder völlig zerstört. Nach UN-Angaben sind rund 150.000 Menschen vor der neuen Gewalt auf der Flucht. Auch neun Schulen wurden demnach von Bomben und Artilleriefeuer getroffen.

In der vergangenen Woche hatten Syriens Regierung und ihr Verbündeter Russland eine neue Serie von Luftangriffen auf die Region begonnen. Nach Angaben der Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die
ihre objektiv nicht überprüfbaren Informationen aus einem Netzwerk von Informanten und Aktivsten vor Ort bezieht, begannen die Bombardements im Süden der Provinz, wo es innerhalb weniger Tage mehr als 100
Luftangriffe gab. Demnach handelt es sich um die heftigsten Bombardierungen seit Monaten. Mindestens 150 Menschen sollen getötet worden sein.

Tausende fliehen Richtung Türkei

Die Provinz Idlib mit der
gleichnamigen Provinzhauptstadt im Nordwesten des Landes gilt als die
letzte Bastion der Widersacher des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Sie wird größtenteils von der islamistischen Haiat Tahrir
al-Scham (HTS) kontrolliert, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahesteht.
Weitere bewaffnete Gruppen kämpfen mit ihr um die Vorherrschaft.

Hilfsorganisationen
warnen seit geraumer Zeit vor einer humanitären Katastrophe, sollte es
zu der lange erwarteten Offensive der syrischen Armee zusammen mit den
mit ihr verbündeten Kräften kommen: der russischen Luftwaffe
und der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. In dem Gebiet leben
rund drei Millionen Menschen, fast die Hälfte von ihnen sind Flüchtlinge
– etwa aus Aleppo und Ostghuta, wo viele Regimegegner von den
syrischen Truppen vertrieben wurden. Tausende von ihnen suchten nun erneut Schutz – in den Flüchtlingslagern entlang der syrisch-türkischen Grenze. 

Zuletzt war eine Bodenoffensive in Idlib durch eine entmilitarisierte
Zone verhindert worden. Im vergangenen September hatten sich Russland
und der Iran einerseits sowie die Türkei als Schutzmacht vieler
Rebellengruppen andererseits auf die Einrichtung einer solchen
Pufferzone für Idlib und die Provinz Hama verständigt. Sie sollte
weiteren Kämpfen entgegenwirken und eine Regierungsoffensive verhindern.

HTS-Miliz droht mit “Eisen und Feuer”

Dies ist gescheitert, wie die Berichte aus Idlib zeigen. Regierungsnahe Medien wie die Tageszeitung Al Watan berichten, die syrische Arme habe inzwischen mehrere Dörfer erobern können. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana richtet sich die Offensive gegen Gebiete und Nachschubrouten der Rebellen. Die Islamisten der HTS teilten mit, sie würden jeglichen Vorstoß der Regimetruppen mit “Eisen und Feuer” begegnen. Man habe Raketen auf einen russischen Luftwaffenstützpunkt in der Region abgefeuert.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die Konfliktparteien dazu auf, den
im September vereinbarten Waffenstillstand einzuhalten. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte ein Ende der Gewalt. “Die Attacken des Regimes und seiner Verbündeten, unter anderem auch auf Krankenhäuser, haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Zivilisten getötet”, schrieb er auf Twitter. Man sei “extrem besorgt”.

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