/Recep Tayyip Erdoğan : Machterhalt um jeden Preis

Recep Tayyip Erdoğan : Machterhalt um jeden Preis

Recep Tayyip Erdoğan hat es geschafft. Die türkische Wahlbehörde hat auf Drängen
seiner AKP die Bürgermeisterschaftswahl in Istanbul annulliert und eine Neuwahl
angesetzt.
Der spektakuläre Sieg der Opposition in der Metropole ist damit erst einmal hinfällig, in ihren Reihen wird die Entscheidung der nationalen Wahlbehörde als Putsch bezeichnet.

Offiziell ist die Wahlbehörde unabhängig. Eine echte Erklärung dafür,
warum sie die
Bürgermeisterwahl in Istanbul annulliert hat, hielt sie am
Montagabend nicht
für notwendig. Bezeichnend war, dass nicht der Vorsitzende der
Wahlkommission die Entscheidung verkündete, sondern ein AKP-Vertreter.
Erdoğan
hatte zuvor nur wage von Manipulationen durch die Opposition gesprochen – wie, wann und wo es konkret dazu gekommen sein soll, bleibt unklar.
Derzeit muss
davon ausgegangen werden, dass die Wahlbehörde nicht neutral entschieden
hat.

Dass
ein von der Wahlkommission bereits akzeptiertes Ergebnis im Nachhinein für nichtig
erklärt wird, ist auch für türkische Verhältnisse ein schwerer
Eingriff in demokratische Prozesse. Erdoğan hat es dennoch gewagt. Das bisschen
Demokratie, das noch im Land übrig war, ist in Gefahr. Dem türkischen Präsidenten geht es nur noch ums politische
Überleben, koste es was es wolle

Fünf Wochen sind seit den Kommunalwahlen am 31. März vergangen – jenem Tag an
dem die islamisch-nationalistische AKP zwar landesweit die meisten Stimmen
holte, aber die Metropolen wie Izmir, Ankara und eben
Istanbul an die Mitte-Links-Partei CHP verlor. Vor allem die Wirtschaftsmetropole Istanbul ist Erdoğan wichtig – auch weil hier einst sein Aufstieg begann. 

Wirtschaftskrise könnte sich verschärfen

Und jetzt?
Die Welt wird in Erdoğan endgültig einen gnadenlosen
Machthaber sehen, der vor nichts zurückschreckt. Die Opposition wird sich
darin bestätigt fühlen, dass er die Demokratie missachtet. Die mehr als vier
Millionen Menschen in Istanbul, die den CHP-Kandidaten Ekrem İmamoğlu zum Bürgermeister
gewählt hatten, werden den Glauben an faire Wahlen in der Türkei endgültig
verloren haben.

Wahlen in der Türkei

Nach Jahren an der Macht musste die Regierungspartei AKP in Istanbul und Ankara das Bürgermeisteramt an die Oppositionspartei CHP abgeben.

Quelle: Hurriyet © ZEIT ONLINE

Dieses Szenario kommt für Erdoğan zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn die
Türkei steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, der türkische Präsident ist mehr
denn je auf ausländische Investoren angewiesen. Die bevorzugen es in der Regel, sich auf den Rechtsstaat verlassen zu können. Kurz nachdem die Wahlbehörde die Annullierung verkündet hatte, sackte die Währung erneut ab.

Erdoğan,
auch wenn er kein Ökonom ist, weiß das. Er hätte diesen Moment nutzen können,
um zu beweisen, dass die AKP auch eine Niederlage akzeptieren kann. Aber ihm
ist sein politisches Überleben wichtiger. Seit die Wirtschaftskrise sich verschlimmert, die Lebensmittelpreise steigen
und er eine Schlappe bei den Kommunalwahlen erlitten hat, droht ihm der Rückhalt in seiner Partei zu
entgleiten.

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