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Chile: Ermittlungen gegen Arzt der Colonia Dignidad eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Krefeld stellt nach siebeneinhalb Jahren Ermittlungsarbeit das Verfahren gegen Hartmut H. ein. Der ehemalige Arzt, der heute in Deutschland lebt, war als Mediziner in der Colonia Dignidad in Chile tätig gewesen und galt als Vertrauter von Paul Schäfer, dem Gründer der Sekte und Leiter der Siedlung.

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft folgte aus den Nachforschungen in Zusammenarbeit mit den chilenischen Strafverfolgungsbehörden kein eindeutiger Tatverdacht. Ein für
eine Anklageerhebung erforderlicher hinreichender Tatverdacht habe “nach Ausschöpfung aller erfolgversprechenden Ermittlungsansätze” unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet werden können, teilte die
Behörde mit. Die Krefelder Staatsanwaltschaft hatte den Fall seit 2011 untersucht.

H. war vorgeworfen worden, sich an der Tötung von drei oppositionellen Studenten, die im Mai 1976 in Chile verschwunden waren, beteiligt zu haben. Auch stand er im Verdacht, Beihilfe zu Sexualstraftaten, die Schäfer zwischen 1993 und 1997 an chilenischen Kindern begangen hatte, geleistet zu haben.

Unzureichende Beweise für das deutsche Recht

In Chile war H. wegen der Beihilfe zum sexuellen Kindesmissbrauch in einem Prozess bereits zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Nach Ansicht der Krefelder
Staatsanwaltschaft reichte die Feststellung im
damaligen Urteil des chilenischen Gerichts jedoch “nicht aus, um eine
nach deutschem Recht strafbare Beihilfe des Beschuldigten zu den
Straftaten Paul Schäfers zu belegen”. Im vergangenen September hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass das chilenische Gerichtsurteil gegen H. in Deutschland nicht vollstreckt werden darf. Dass H. der Leitung der Colonia Dignidad
angehörte und an der Gründung eines Internats mitwirkte, reiche nach
deutschem Recht nicht, um eine Beihilfetat zu begründen, befand das Gericht
damals.

Colonia Dignidad war der Name einer sektenartigen Siedlung, die der ehemalige Wehrmachtsgefreite Paul Schäfer 1961 in Chile gegründet hatte. Auf der Anlage rund 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago
versprach der aus einem freikirchlichen Umfeld stammende Laienprediger
seinen Anhängern ein “urchristliches Leben im Gelobten Land”.
Tatsächlich führte Schäfer ein diktatorisches Regime und unterband jeden Kontakt der Sektenmitglieder zur Außenwelt. Während der chilenischen Militärdiktatur unter Augusto Pinochet waren in der Colonia Dignidad in den Jahren 1973 bis 1990 Hunderte Regimegegner vom chilenischen Geheimdienst gefoltert und einige ermordet worden. 

Nach dem Ende der Militärdiktatur häuften sich die Vorwürfe und Anzeigen gegen die Colonia. Neben Kindesmissbrauch ging es auch um Steuerhinterziehung,
Waffenschmuggel, Freiheitsberaubung, Sklaverei und Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische Indikation. 1991 wurde die
Siedlung offiziell aufgelöst.

Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrecht, das einen
Teil der Opfer der Colonia Dignidad vertritt, kritisierte die
Einstellung der Ermittlungen gegen H. Andreas Schüller, Jurist der Organisation, nannte die jüngsten Entwicklungen “desaströs”. Einem Bericht der ARD zufolge will die Bundesregierung den rund 180 Überlebenden der Siedlung eine Anerkennungszahlung von einmalig rund 5.000 Euro zusprechen. Diese Summe, über die erst noch offiziell entschieden werden muss, entspreche in keiner Weise dem erlittenen Unrecht, sagte Schüller.

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