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Nationale Industriestrategie: Braucht Europa Industrie-Champions?

Leichtere Fusionen und der Staat als Investor: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erfährt viel Kritik für seine Industriestrategie 2030. Das sind seine Thesen.

Nationale Industriestrategie: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier postuliert eine aktivere staatliche Industriepolitik.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier postuliert eine aktivere staatliche Industriepolitik.
© Florian Gaertner/Photothek/imago images

Ausgerechnet der Mittelstand wehrt sich gegen den industriepolitischen Kurs von Peter Altmaier. Im Februar hatte der  Bundeswirtschaftsminister seine “Nationale Industriestrategie 2030″ vorgestellt – ohne zuvor die Wirtschaftsverbände zu konsultieren. Dafür erntete er viel Kritik. Mittlerweile bezeichnet Altmaier seine Thesen als Vorschlag zur Diskussion, die er mit Unternehmen,
Verbänden und Gewerkschaften beraten will. Am Ende will er eine neue Industriestrategie der Bundesregierung präsentieren.

Was hat Altmaier vor?

Altmaier setzt sich für eine aktivere staatliche
Industriepolitik im globalen Wettbewerb ein. Um unerwünschte Übernahmen durch ausländische Investoren zu verhindern, soll es möglich sein, dass sich der Staat an Unternehmen beteiligt – wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum: “Nur in sehr wichtigen Fällen soll der Staat für einen befristeten Zeitraum selbst als Erwerber von Unternehmensanteilen auftreten können”, heißt es in der Strategie. Hier habe er das Beispiel des Augsburger
Robotikkonzerns Kuka vor Augen gehabt, so Altmaier, den ein chinesisches Unternehmen übernommen hat. Seine Idee ist es, einen speziellen Fonds einzurichten, der greift, wenn ein Unternehmen aus einer Schlüsselindustrie
oder einem Hochtechnologie-Bereich von einem ausländischen Investor übernommen werden könnte. 

Um die Zukunft
von deutschen Unternehmen wie ThyssenKrupp, Siemens, den Autoherstellern
oder Finanzinstituten wie der Deutschen Bank zu sichern, sollen Firmenzusammenschlüsse und Übernahmen leichter möglich sein. Dazu solle das europäische und auch das deutsche Wettbewerbsrecht geändert werden: “Wir brauchen mehr europäische Champions, um uns im Wettbewerb mit China
und den USA zu behaupten”, begründete Altmaier. In den USA und China seien in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche
neue große Weltmarktkonzerne entstanden, in Deutschland gebe es kaum noch neue Großkonzerne. Sein Vorbild auf EU-Ebene ist Airbus. Altmaier hatte unter anderem kritisiert, dass die EU-Kommission im Januar aus Sorge um zu viel Marktmacht innerhalb der EU eine Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom ablehnte. Der Wirtschaftsminister fürchtet, dass die Unternehmen allein
im internationalen Wettbewerb nicht konkurrenzfähig sind.

Die Belastung für Unternehmen will Altmaier durch umwelt- und sozialpolitische Maßnahmen reduzieren. Dazu zählen vertretbare
Energiepreise, niedrige Steuern und eine Abgabenlast von weniger als 40 Prozent. 

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Was sagen die Kritiker?

Gerade der Mittelstand wehrt sich gegen die Pläne Altmaiers. Kritiker beklagen, dass die Industriestrategie viel zu unkonkret sei. Außerdem komme der
Mittelstand viel zu kurz, der in Deutschland der Innovationsmotor sei. Und eben nicht große Unternehmen wie Siemens oder die Deutsche Bank, auf die Altmaier in seiner Strategie setze. Umstritten ist vor allem, ob und wie weit der Staat eingreifen sollte, um deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu unterstützen.

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Wie reagieren Industrieverbände und Gewerkschaften?

Skeptisch haben sowohl der Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) als auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) auf Altmaiers Pläne reagiert. Insbesondere die “nationalen Champions” sehen beide kritisch. Die Wirtschaftsvertreter legten eigene Strategiepapiere vor.   

“Eine dezidierte staatliche Förderung nationaler oder
europäischer ‘Champions’ ist nicht zuletzt mit Blick auf (…)
wettbewerbsfähige Wertschöpfungsverbünde von großen, mittleren und
kleineren Unternehmen mit Skepsis zu bewerten”, heißt es in dem Gegenpapier des BDI. Größe bedeute nicht automatisch mehr
Wettbewerbsfähigkeit. Der Verband rückt stattdessen unmittelbare Herausforderungen wie die Digitalisierung, die Klima- und
Energiepolitik ins Zentrum. Das sei ein Punkt, an dem der Staat unterstützen könne, indem er attraktive Rahmenbedingungen
schaffe. Eine Forderung, die Industrieverbände seit Langem erheben.

Wichtiger seien bessere Standortbedingungen, sagt auch DIHK-Präsident Eric Schweitzer und meint damit: weniger Bürokratie, niedrigere Steuern,
wettbewerbsfähige Energiepreise sowie eine bessere Versorgung mit
digitalen Netzen. Das DIHK-Papier verweist zudem auf eine bessere Verkehrsanbindung, den Ausbau der Infrastruktur sowie die Verfügbarkeit von erschlossenen Industrie- und
Gewerbeflächen.  

Eine Industriestrategie wird von der IG-Metall generell begrüßt. Die Mobilitäts- und Energiewende
müssten gelingen und die Industrie trotzdem innovationsfähig sein und sichere Arbeitsplätze bieten. Altmaier müsse sagen, wie das konkret gelingen solle, fordert IG Metall Chef Jörg Hofmann.

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Wer unterstützt Altmaier?

Zumindest in der französischen Regierung kommen Altmaiers Ideen gut an. Wie Altmaier fordert auch sein französischer Kollege Bruno Le Maire, das
europäische Wettbewerbsrecht zu reformieren. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel schreiben die beiden, dass sich alle großen Wirtschaftsräume der Welt wie China, Japan, Korea und die
USA für den weltweiten Wettbewerb der bedeutendsten
Industriesparten rüsteten. Deutschland und Frankreich müssten dies auch machen. Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei bei den Europawahlen, Manfred Weber,
der auch Anwärter auf den Posten des Kommissionspräsidenten ist, spricht sich
ebenfalls dafür aus, die geltenden Wettbewerbsregeln zu lockern.  

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Wie viel Industrie soll es in Deutschland geben?

Altmaier fordert in seinem Konzept, den Anteil der industriellen
Wertschöpfung bis 2030 in Deutschland von etwa 23 auf 25 Prozent und auf EU-Ebene von 16 auf 20 Prozent zu erhöhen. Bedeutung soll dabei zehn Schlüsselbranchen zukommen: Stahl, Chemie, Maschinen, Auto, Optik, Medizingeräte,
Green-Tech, Rüstung, Luft- und Raumfahrt sowie der 3-D-Druck. Deutschland
dürfe die Entwicklung bei der Elektromobilität, der
Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz nicht verschlafen,
um nicht zur “verlängerten Werkbank der Anderen” zu werden, hatte
Altmaier bei der Präsentation der Strategie im Februar gesagt.

In der EU liegt Deutschland mit seinem Industrieanteil bereits mit an der Spitze.
Im Jahr 2017 hatten nur Irland und Kroatien einen höheren Wert, alle anderen Länder einen deutlich niedrigeren. Großbritannien hat einen Industrieanteil von 19 Prozent, Griechenland 16  und Frankreich 20 Prozent. Das ist im Vergleich zu China gering: Hier beträgt der Industrieanteil 40 Prozent.

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