/Sheffield: Wo Snooker zu Hause ist

Sheffield: Wo Snooker zu Hause ist

79 Minuten und 31 Sekunden: In der Zeit, in der Fußballspiele entschieden werden, spielten der Belgier Luca Brecel und der Brite Gary Wilson einen Frame aus. Nur einen einzigen von 19 in ihrem Snookermatch, es war der letzte und entscheidende. Einen Durchgang, in dem 21 Kugeln abgeräumt werden sollen, nennt man einen Frame. Den entscheidenden nennt man den Decider. Und in dem steckten sie nun fest, in der ersten Hauptrunde dieser Snooker-WM, und probierten und knobelten, doch nichts geschah. Sie arbeiteten sich schier endlos ab an den acht roten Kugeln, die unlochbar an der Bande versammelt waren.

Brecel und Wilson hatten sich schon lange beharkt, die vorherigen 18 Frames endeten 9:9. Noch nie dauerte ein WM-Frame länger als der 19., das war schon am zweiten Tag der Snooker-WM ein neuer Rekord. Es war einer dieser typischen Snookermomente, derentwegen der Sport beliebt ist: Spannend sind eben nicht nur hohe Punktzahlen, sondern die Anordnung der Kugeln auf dem Tisch, manchmal wie ein gordischer Knoten. Und wie die Spieler ihn auflösen. Wilson, der wie Brecel noch nie die zweite Runde erreicht hatte, gewann am Ende.

Finale über zwei Tage

So begann die Snooker-WM in Sheffield, die am Montag mit dem Finale zwischen John Higgins und Judd Trump zu Ende gehen wird. Sie ist nach der Tour de France das längste Einzelsportlerevent der Welt. 17 Tage dauert sie, für die Qualifikanten sogar noch länger. Der Sieger wird mindestens 71 Frames gewonnen haben. Allein im Finale muss er 18 Frames für sich entscheiden. Es wird sich über zwei Tage ziehen.

Wie jedes Jahr ist die WM der End- und Höhepunkt der Main Tour, auf der sich die besten Spieler der Welt messen. Auch in Deutschland macht die Tour Station, doch alle wollen am Ende nach Sheffield, ins Mekka ihres Sports. Zum einen ist da das Preisgeld: In diesem Jahr gibt es noch mal mehr zu gewinnen: 2,2 Millionen britische Pfund. Allein der Sieger erhält 500.000 Pfund. Das Preisgeld ist so hoch, dass selbst die Verlierer der vorherigen Runden mit einem guten Turnier eine verkorkste Saison retten können. Zwar gibt es, insbesondere in China, Turniere, bei denen auch gut verdient werden kann. Doch in Sheffield wird um wichtige Rankingplatzierungen gespielt, manchmal um den Verbleib auf der Profitour.

Sheffield: Der Haupteingang des Crucible Theatres in Sheffield

Der Haupteingang des Crucible Theatre in Sheffield
© Roman Buchald

Außerdem waren in Sheffield in diesem Jahr viele Überraschungen dabei. Nach dem spektakulären Marathonauftakt zwischen Brecel und Wilson ging es aufregend weiter. Obwohl Snooker ein Präzisionssport ist, bei dem Matches lange dauern können und daher Zufälle und Außenseitersiege unwahrscheinlicher werden, flog in diesem Jahr der große Favorit, der Superstar Ronnie O’Sullivan sehr früh raus. Es war die größte Sensation der WM-Geschichte, da er nicht etwa gegen einen Profi verlor. O’Sullivan sagte, er habe vor dem Match schlecht geschlafen und deshalb relativ viele Fehler gebaut gegen James Cahill, der als Amateur über die Qualifikationsrunde ins Turnier gekommen war. Dieser gewann sensationell. Mittlerweile ist aber auch er ausgeschieden.

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