/Homosexuelle in Brunei: “Sie schreiben: Du wirst zur Hölle fahren”

Homosexuelle in Brunei: “Sie schreiben: Du wirst zur Hölle fahren”

Ein außergewöhnliches Land ist Brunei schon lange. Der kleine südostasiatische Staat mit gerade einmal einer halben Million Einwohner ist wegen seines Erdöl- und Erdgasvorrats sehr wohlhabend. Das Sultanat ist bekannt für seine großzügige Sozialpolitik: Es gibt kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung, subventionierte Wohnungen. Wer in Brunei arbeitet, muss keine Einkommenssteuer zahlen.

Im April hat Brunei wegen seiner Menschenrechtslage für Schlagzeilen gesorgt: Die Regierung des seit fünf Jahrzehnten herrschenden Monarchen Hassanal Bolkiah hat die letzte Stufe der Scharia-Gesetzgebung eingeführt. Dieben kann künftig die rechte Hand amputiert werden – und im Wiederholungsfall auch der linke Fuß. Homosexuelle gehören zu den besonders stark Betroffenen. Kriminalisiert war gleichgeschlechtlicher Sex zwar bereits seit der britischen Kolonialzeit. Nun droht aber im Extremfall die Todesstrafe per Steinigung. Wie lebt es sich mit solchen Gesetzen?

ZEIT ONLINE hat mit drei homosexuellen Männern gesprochen – via Skype, WhatsApp und der Datingapp Grindr. Zwei von ihnen möchten anonym bleiben, weil sie weiterhin in Brunei leben.

“Angst, dass meine Familie Steine auf mich wirft”

Ein vertrauensvoller Mittler hat den Kontakt zu Khairul hergestellt. So nennt sich der junge Mann, wenn er Telefoninterviews gibt. Seinen richtigen Namen verrät er nicht. In seiner Heimat erzählt er nur engen Freunden von seiner Homosexualität.

Ich bin 19 Jahre alt und bereite mich gerade auf mein Studium vor. Mein Land ist anders als Europa. Homosexualität sieht man hier im Alltag nicht. Es ist auch kein Thema, das man im Gespräch mit einer religiösen Person aufbringen würde. Ich bin schwul, aber es wäre für mich unmöglich, mich offen dazu zu bekennen. Wenn man es doch tut, drohen einem erhebliche Diskriminierung und auch Hass. Manchmal kommt es vor, dass sich Menschen auf Facebook outen. Sie bekommen dann lauter Nachrichten, in denen steht, dass sie eine Therapie machen sollen, um heterosexuell zu werden. Oder sie schreiben einfach: Du wirst zur Hölle fahren.

Dass die Gesetze jetzt so verschärft wurden, dass für gleichgeschlechtlichen Sex sogar die Todesstrafe per Steinigung droht, macht mir Angst. Ich habe nicht so sehr Angst davor, zu sterben, eher vor der Vorstellung, dass meine Familie dabei zusehen müsste, wie ich sterbe. Oder dass meine Familie sogar selbst Steine auf mich werfen würde. Mich macht das wütend. So eine Strafe ist einfach unmenschlich.

Mit meiner Familie kann ich über meine Ängste nicht sprechen. Die meisten meiner Angehörigen sind religiös, es ist schwer, jemanden zu finden, der weltoffen und tolerant ist. Ich habe ein paar Freunde, mit denen ich reden kann. Ich habe ihnen gesagt, dass ich schwul bin, und die meisten hatten kein Problem damit. Jüngere Leute sind da offener als die älteren.

Trotzdem glaube ich nicht, dass es für mich jemals möglich sein wird, offen einen Mann als Partner zu haben. Zumindest nicht, solange ich in diesem Land lebe. Ich würde liebend gerne auswandern. Wenn ich hier bleibe, habe ich das Gefühl, dass ich mich selbst unterdrücken muss. Ich merke schon jetzt, dass ich Depressionen bekomme. Schon allein wegen meiner Gesundheit würde ich gerne das Land verlassen.

Aktivisten, die hier in Brunei etwas an der Situation ändern möchten, gibt es nicht wirklich. Man kann nur schwer diskutieren, weil man leicht Probleme bekommt, wenn man die Regierung oder die königliche Familie kritisiert. Ich weiß nicht, ob die Regierung die Strafen unter den neuen Gesetzen wirklich anwenden wird. Die Gefahr ist aber da. Ich werde weiter zur Schule gehen und lernen. Ansonsten werde ich mich im öffentlichen Leben aber zurückhalten.

“Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich”

Auf der Dating-App Grindr kommen wir ins Gespräch mit einem Mann in Brunei. Auch er will seinen Namen nicht nennen. Wie viele Homosexuelle in dem Land ist der Mann auf der Dating-App ohne Bild und ohne seinen richtigen Namen unterwegs, um seine Anonymität zu wahren. Er sagt, er sei Anfang 30 und muslimischen Glaubens.

Dass ich schwul bin, weiß in meinem Umfeld niemand. Es ist nicht so, dass ich mich unterdrückt fühle oder Angst hätte. Es ist meine freie Entscheidung, meine sexuelle Orientierung für mich zu behalten. Ich finde, das ist Privatsache, die niemanden etwas angeht. Ich hatte auch schon einmal eine Freundin und dann nicht gleich mit jedem darüber gesprochen.

Die internationale Kritik an den neuen Strafen kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Der Fokus liegt immer auf der möglichen Todesstrafe für Homosexuelle. Aber die Kriterien, um tatsächlich verurteilt zu werden, sind extrem streng. Mehrere Zeugen sind notwendig. Es ist nicht so, dass man nur einmal Sex haben muss und dann schon verurteilt wird. Man muss eben die Grenzen kennen. Man darf nicht mit dem Feuer spielen, sonst verbrennt man sich.

Ich bin religiös und gehe gelegentlich auch in die Moschee, um zu beten. Ich glaube, die meisten Religionen haben etwas gegen Homosexualität. Was Gott wirklich von Schwulen hält, kann ich nicht kommentieren. Ich sage aber: Ich bin stolz auf mein Land und unterstütze die Gesetze. Sie helfen uns, in Harmonie zu leben.

Ich selbst verabrede mich über Grindr manchmal mit anderen Männern. Wir treffen uns dann meistens in einem Café zum Reden. Sex habe ich schon seit Jahren nicht mehr gehabt. Ich suche nach Freunden. An einer Beziehung habe ich kein Interesse.

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