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Soziale Marktwirtschaft: Enteignungen sind nicht notwendig

Zwei
konträre Schlagzeilen haben am Donnerstag die soziale Marktwirtschaft in den Mittelpunkt
der Nachrichten gehoben: Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert schlägt die Kollektivierung
von großen Unternehmen vor
, was viele als Abschaffung der sozialen
Marktwirtschaft interpretieren. Dagegen fordert die Initiative eines ehemaligen
AfD-Mitgliedes die Verankerung der sozialen Marktwirtschaft mit
einem Verbot von Enteignungen im Grundgesetz. 

Beide Forderungen gehen aber am
wirklichen Punkt vorbei: Nicht die Bedrohung von oder durch die soziale
Marktwirtschaft ist Deutschlands großes Problem. Vielmehr wird die soziale
Marktwirtschaft als Gesellschaftsvertrag seit Langem ausgehöhlt und funktioniert nicht
mehr.

Kevin Kühnert hat mit seiner Kritik einen Nerv getroffen. So falsch er mit seinem
Lösungsvorschlag der Kollektivierung von privaten Unternehmen auch liegen mag,
so hat er mit seiner Problemanalyse in einigen Punkten durchaus recht.
Deutschland erfährt seit vielen Jahren eine zunehmende soziale Polarisierung.
Trotz des beeindruckenden Wirtschaftsbooms der letzten zehn Jahre sind heute
mehr Menschen denn je im Niedriglohnsektor – mehr als neun Millionen Menschen,
oder mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer verdient weniger
als 10,80 Euro brutto pro Stunde. Es gibt fast sechs Millionen Hartz-IV-Bezieher,
darunter annähernd zwei Millionen Kinder und viele – vor allem Frauen und
Alleinerziehende –, die von ihrer Arbeit nicht leben können.

Zeichen einer dysfunktionalen Marktwirtschaft

Sozial ist eben
nicht, was lediglich Arbeit schafft, sondern was gute und gut bezahlte Arbeit
schafft. Auch die regionalen Ungleichheiten nehmen zu und schon lange kann
nicht mehr wirklich von gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Deutschland
gesprochen werden.

Diese
Fakten sind kein Klagen auf hohem Niveau, wie manche Kritiker dies gerne
behaupten – sie sind für viele Deutsche bittere Realität. Auch die
Frustration derer ist nachvollziehbar, die trotz höherer Löhne ihren Lebensstandard
wegen steigender Mieten und Lebenshaltungskosten absenken müssen. Es ist kaum
vermittelbar, dass in Städten wie Berlin, München oder Hamburg manche
Wohnungseigentümer und Investoren den Wert ihrer Immobilien in weniger als zehn
Jahren verdoppeln konnten, ohne aktiv zu dieser Wertsteigerung beizutragen,
sondern lediglich davon zu profitieren, dass die Menschen in dieser Stadt
fleißig und produktiv und erfolgreich waren.

Diese
Probleme sind jedoch nicht das Resultat der sozialen Marktwirtschaft. Ganz im
Gegenteil: Sie kommen durch eine dysfunktionale Marktwirtschaft zustande. Es
kann keine Rede von einer funktionierenden Marktwirtschaft sein, wenn
Unternehmen den Kunden die Preise praktisch diktieren können. Die Verantwortung
liegt beim Scheitern der Politik, die Marktwirtschaft zu regulieren und
Wettbewerb zu garantieren. 

Enteignungen
von Unternehmen
sind für diese Probleme jedoch die schlechteste aller Lösungen.
Denn in den meisten Fällen sind staatliche Unternehmen eben nicht effizienter oder
gerechter als Privatunternehmen – dies ist eine unumstößliche Lehre aus
Jahrzehnten des Sozialismus. 

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