/Jürgen Klopp: 0:3, aber sonst war alles super

Jürgen Klopp: 0:3, aber sonst war alles super

Das Schicksal, gerade im Fußball
ist es ein mieser Verräter. Eine Wahrheit, die in diesen Tagen niemand inniger durchleben
dürfte als Jürgen Klopp. Jürgen Klopp, den kennen Sie: Darling aller wahren
Fußballfreunde, väterlicher Trainerfreund aller existierenden Spieler sowie – wir
sagen dies ohne jede Ironie – mittlerweile wohl auch des Planeten oberster
Taktikfuchs, dessen wunderschön anzuschauendes System in seiner fehlerfreien
Reinheit allenfalls noch von dem lakenweißen Strahlen des Kloppos unterer
Zahnreihe übertroffen wird.

Seit mehr als drei Jahren ist er nun
Trainer des FC Liverpool. Seit mehr als drei Jahren dort auf absolutem, sich
beständig perfektionierendem Spitzenniveau tätig. Seit mehr als drei Jahren indes
ohne Titelgewinn und damit dem, was im Fußball recht eigentlich Erfolg
bedeutet. Das ist – Stand jetzt – schon ein Thema. Zumal es bereits in Dortmund,
Klopps voriger Wirkungsstätte, in Wahrheit eines war und wurde.

Welch potenziell verstandesraubender
Abgrund im Fußball zwischen erbrachter Leistung und eingefahrenem Ergebnis
bestehen mag, in tragischer Reinkultur war es vergangenen Mittwoch anlässlich
des Champions-League-Halbfinales zwischen dem C. F. Messi (vulgo: Barcelona) und
dem FC Liverpool zu gewahren. Klopps Team zeigte dort eine herausragende
Leistung und war dem Gastgeber – nicht zuletzt die Datenanalyse lässt daran
keinen vernünftigen Zweifel – in allen relevanten Belangen klar überlegen. Wohl
als erste Gastmannschaft seit Jahrzehnten hatte man im Camp Nou mehr Ballbesitz als die Hausherren. Man spielte mehr
Pässe, gewann mehr Zweikämpfe, erzwang mehr Ecken, schoss öfters auf Tor … und
verlor 0:3.  

Messi happens

Als eigentlich bemerkenswert muss
neben diesem Ergebnisabgrund aber insbesondere Klopps analytischer Auftritt nach
dem Spiel hervorgehoben werden. Im schwarz-gold schimmernden Trainingsoutfit und
das Schild der obligatorische Baseballkappe nah an den transparenten Brillenrand
gerückt, sprach ein authentisch tiefenentspannt wirkender Klopp von einem
wunderbaren Abend, der ihm als Trainer “viel Spaß gemacht” und “Stolz” bereitet
habe. Seine Mannschaft habe die Vorgaben einwandfrei und beeindruckend
umgesetzt. Abgesehen von dem Ergebnis habe er als verantwortliche Kraft an
dieser Partie deshalb rein gar nichts auszusetzen.

Klar, der gute Mann hat als Trainer
schon viele andere sehr wichtige Spiele sehr unglücklich verloren. Dergleichen
macht weise. Mit seinem Aufritt in den Katakomben des Camp Nou verkörperte Klopp aber auch den vorläufigen Höhepunkt
eines globalen Analysetrends, der den Typus des wahren Experten (sowohl in den
Vereinen wie den Medien) immer deutlicher von den weiten Feldern
fußballbegeisterter Normalidiotie sondert. Im Kern geht es für wahrhaft
Verständige nämlich auch im Fußball vor allem darum, einen allzu menschlichen
Fehler zu vermeiden. Dieser Bewertungsfehler besteht, in den beispielhaften
Worten des Fußballautoren Christoph Biermann
, darin, “die Spiele immer vom Ergebnis her zu
betrachten. Wir haben ein 1:0, ein 0:0 oder ein 1:1 und fangen von diesem Punkt
an, rückwirkend zu interpretieren, was auf dem Platz passiert ist. Doch die
zufälligen Elemente werden in den wenigsten Fällen mitthematisiert.”

Wer sich
den Zumutungen dieser Form bewertender Komplexitätsreduktion konsequent
verweigert, bezahlt dafür – insbesondere in der Rolle des Trainers – natürlich
einen sehr hohen Preis. Dieser besteht in dem offenen Eingeständnis, die Dinge,
die auf dem Platz geschehen, im Ergebnis nicht im Griff zu haben; sie nicht
wirklich entscheidend steuern zu können. Was Klopp im Prinzip gesagt hat und
ohne Sinnverlust auch so hätte sagen können, wäre dies: “Ich kann für diese
Niederlage nichts. Und meine Spieler auch nicht. Soweit es in unserer Macht
lag, haben wir alles richtig gemacht. Shit
(beziehungsweise Messi) happens.”

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