/Vital Heynen: “Wenn ich Fußballtrainer wäre, besäße ich jetzt eine Yacht”

Vital Heynen: “Wenn ich Fußballtrainer wäre, besäße ich jetzt eine Yacht”

Der belgische Volleyballcoach Vital Heynen gewann 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft WM-Bronze. Vier Jahre später wurde er mit Polen überraschend sogar Weltmeister. Nebenher trainiert Heynen den VfB Friedrichshafen, der gerade gegen die Berlin Volleys um die deutsche Meisterschaft spielt. Nach dieser Saison tritt er als Clubtrainer zurück, um sich auf seinen Job als polnischer Nationalcoach zu konzentrieren. Heynen gilt als der etwas andere Trainer und wurde international zu einer Kultfigur.

ZEIT ONLINE: Herr Heynen, eine Frage vorneweg: Darf ich das Gespräch aufzeichnen?

Vital Heynen: Natürlich! Bei mir darf man alles aufzeichnen! Ich sage immer, was ich fühle – nicht denke – dann muss ich nichts revidieren. So kann ich alles reproduzieren. Das ist ein Riesenvorteil.

ZEIT ONLINE: Bringt Sie das nicht manchmal in prekäre Situationen?

Heynen: Das ist dann halt mein Problem. Bei Offenheit muss man ab und zu unliebsame Sachen lesen. Aber das ist erst ein- oder zweimal passiert.

ZEIT ONLINE: Dieser Charakterzug macht Sie im Sportbusiness recht beliebt.

Heynen: Ich will jedem in die Augen gucken können und das geht nur mit Ehrlichkeit. Das ist enorm wichtig für mich. Wenig trifft mich mehr, als wenn Leute behaupten, ich sei nicht ehrlich mit ihnen.

ZEIT ONLINE: Diese Offenheit ist hierzulande ja nicht unbedingt Standard.

Heynen: Gerade in Deutschland glaubt man, dass Eindrücke und Statements hundertprozentig sitzen müssen. Mir kostet das zu viel Zeit. Ich bin mit achtzig Prozent zufrieden und akzeptiere, dass es Fehler gibt.

ZEIT ONLINE: Was macht dieses Streben nach Sicherheit mit uns Deutschen?

Heynen: Zum Beispiel überrascht mich, dass das Land im Fußball oder anderen Sportarten so gut ist. Denn totale Sicherheit gibt es im Sport nicht. Holländer oder Amerikaner sagen vor einer WM: “Wir werden Weltmeister.” Bis ein Deutscher so etwas sagt, dauert es sehr lange – oder er ist verrückt.

ZEIT ONLINE: Haben Sie das im vergangenen Jahr vor der Volleyball-WM auch gesagt, als Sie mit Polen Weltmeister wurden?

Heynen: Nein. Das war außerhalb unserer Erwartungen. Was ich gesagt habe, war: “Jungs, unser Ziel ist Gold bei Olympia!” Bronze ist schön. Silber ist akzeptabel. Aber eigentlich interessiert nur Gold. Hole ich das in Tokio 2020 nicht, gibt es für mich vielleicht auf die Schnauze. Aber wenigstens hatte ich drei Jahre Spaß an meinem Ziel (lacht).

ZEIT ONLINE: Es macht ein wenig den Eindruck, Sie seien von Ihrem Ziel besessen? Sind Sie obsessiv?

Heynen: Obsessiv hört sich so schlecht an. Im Flämischen ist das Wort nicht so belastet. Ich habe ein klares Ziel. Und da ist es nicht schlecht, dass man es ausspricht – dann können Leute einen kontrollieren.

ZEIT ONLINE: Das momentane Ziel ist die Deutsche Meisterschaft. Die konnten Sie in den vergangenen beiden Jahren nicht erringen.

Heynen: Ich hoffe, dass sich die Jungs damit belohnen, denn ich liebe mein Team. Dafür arbeite ich. Zudem kann ich nicht gut verlieren, davon schlafe ich schlecht. Also müssen wir gewinnen. Aber wenn ich jetzt Friedrichshafen ohne Meisterschaft verließe, ginge ich nicht mit dem Gefühl, nichts geschafft zu haben. Dreimal haben wir den Pokal und Supercup geholt!

ZEIT ONLINE: Diese Saison ist nunmehr die spannendste im Herrenvolleyball seit Jahren. Der duale Absolutismus von Berlin und Friedrichshafen bröckelt.

Heynen: Absolut. Das liegt aber auch an der deutschen Liga. Die VBL hat einen Masterplan gemacht und ihn befolgt, das ist sehr gut. Wir haben elf, zwölf stabile Vereine. Andernorts gibt es immer Querelen mit Clubs, die kein Geld haben. Vor zehn Jahren hat man international über die deutsche Liga gelacht – das ist vorbei.

ZEIT ONLINE: Sie gelten als einer der Gründe für das neue Niveau im heimischen Volleyball.

Heynen: Das ist zu viel der Ehre.

ZEIT ONLINE: Die deutsche Bronzemedaille bei der WM 2014 kam gefühlt aus dem Nichts.

Heynen: Die liegt mir immer noch so nah am Herzen, vor allem wegen meiner Mannschaft damals. Einer meiner schönsten Momente.

ZEIT ONLINE: Hat es Sie dann aufgeregt, dass das hierzulande quasi niemand mitbekommen hat?

Heynen: Eigentlich nicht, denn insgesamt stimmt die Entwicklung. Das kann ich gut an der gestiegenen Zahl der Interviews abschätzen. Natürlich, wenn ich Fußballtrainer wäre, besäße ich jetzt eine Jacht – als Volleyballer habe ich vielleicht gerade mal ein Ruderboot.

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