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W Series: Die Formel 1 für Frauen

Wenn in diesem Jahr auf einer Formel-1-Strecke die Motoren
aufheulen, dann gewinnt wahrscheinlich Lewis. Manchmal auch Valtteri oder Max,
Sebastian hat in letzter Zeit kaum eine Chance. In Hockenheim wird das am
kommenden Wochenende anders aussehen. Dort könnte Jessica als erste über die
Ziellinie rasen, vielleicht aber auch Marta, Emma oder Jamie. Denn am 4. Mai fahren
erstmals in der Motorsportgeschichte 18 Frauen gegeneinander.

Die Formel 1 ist eine der wenigen Sportarten, bei der Männer
und Frauen gegeneinander antreten können, und eine der vielen, in der sie es
nicht tun. 43 Jahre ist es nun her, dass Lella Lombardi als letzte Frau bei
einem Grand Prix im Cockpit saß. Vielen Gelegenheitszuschauern ist wohl gar nicht
bewusst, dass unter dem Helm theoretisch auch eine Frau stecken könnte.
Ein neuer Wettbewerb, die W Series, soll das ändern und Fahrerinnen
unterstützen. Doch gerade die kritisieren das Vorhaben.

Catherine Bond Muir ist Gründerin und CEO der W
Series. Beim Kaffeetrinken mit Freunden kam die Idee einer Rennserie für Frauen
erstmals auf. Drei Jahre ist das her. “Anders als man erwarten würde, hat sich die Ausgangslage für Frauen im
Motorsport in den letzten Jahren verschlechtert. Die Anzahl von Fahrerinnen im
Formelsport geht fast jedes Jahr zurück”, sagt sie. “Deshalb ist es uns
sehr wichtig, Frauen mehr Rennpraxis zu geben, und zwar nicht als Test- oder
Reservefahrerin.”

Geld ist wichtiger als Leistung

In der Formel 1 ist diese Rennpraxis teuer.
Der Mercedes-Teamchef Toto Wolff schätzt, dass es rund acht Millionen Euro kostet, einen
Fahrer aus dem Kart und in ein Formel-1-Auto zu bekommen. Nicht ohne Grund
sitzen immer wieder sogenannte Paydriver in den Cockpits, die dem Rennstall
weniger durch Leistung als durch die finanzielle Unterstützung ihrer Sponsoren
helfen. Gerade für junge Frauen hat das laut Bond Muir einen folgenreichen
Nachteil: “Die Sponsoren sind darauf aus, den nächsten Sebastian Vettel oder
Lewis Hamilton zu entdecken. Die Fahrerinnen werden meist ignoriert. Der Sprung
in die Formel 1 wird ihnen nicht zugetraut, weil es dort seit 43 Jahren keine
Frau mehr gab.” Die W Series hingegen ist für alle Teilnehmerinnen kostenlos. Rennauto,
Anreise und Team bezahlen die Organisatoren. Insgesamt 1,5 Millionen US-Dollar
Preisgeld werden zudem während der sechs Rennen vergeben.

Erst kürzlich sicherte sich der Free-TV-Sender Channel 4 die
Rechte an der W Series
. Zumindest in Großbritannien werden die Rennen live im
Fernsehen ausgestrahlt, weitere Übertragungspartner könnten folgen. Junge Mädchen
sollen so inspiriert werden, zum Beispiel auch mal ins Kart zu steigen. Wollen es mehr Frauen bis in die Königsklasse des Motorsports schaffen, müssen sich zunächst die
Geschlechterverhältnisse im Nachwuchsbereich angleichen. Das weiß auch Bond Muir. “Wir machen aus unseren Fahrerinnen Stars und zeigen so den Mädchen, wozu
sie im Stande sind.”

Ein ähnliches Ziel verfolgt Susie Wolff, bis 2015
Testfahrerin für das Williams-Team und die bislang letzte Frau, die in einem
Formel-1-Cockpit saß. Die Britin gründete nach ihrer aktiven Karriere Dare to
be different. Ein Projekt, das Mädchen zum Kartfahren ermutigen und den
Motorsport diverser machen will. Zur W Series hat Wolff dennoch ein
ambivalentes Verhältnis. “Der Wettbewerb bietet zwar Fahrerinnen Möglichkeiten,
die sie sonst nicht gehabt hätten, aber der Rennsport ist eben nicht nach
Geschlechtern getrennt. Selbst die Gewinnerin der W Series muss wieder in eine
Formelserie, um sich in geschlechtsneutralen Rennen zu beweisen.”

Kann Segregation zu Gleichbehandlung führen?

Die im
Motorsport einzigartige Geschlechtertrennung der W Series steht vor einem Paradox: Müssen Frauen wirklich gegen Frauen antreten, damit sie später
gegen Männer eine Chance haben? Kann Segregation überhaupt zu mehr
Gleichbehandlung führen? Sophia Flörsch, deutsche Formel-3-Fahrerin, glaubt
nicht daran. Einen Tag nach der Bekanntgabe der W Series schrieb sie auf Twitter
von einem “traurigen Tag für den Motorsport”. “Das
heißt ja eigentlich, dass sie nicht dran glauben, dass wir gegen Männer
bestehen können. Deswegen will ich das nicht fahren. Einfach weil ich zeigen
will, dass ich auch als Frau gegen Männer kämpfen kann”, sagte sie der Auto
Bild
.        

Die Kritik kann Catherine Bond Muir nachvollziehen. Auch sie
zweifelte anfangs an der Idee. Inzwischen sind nur noch höfliche Phrasen übrig geblieben,
die Verständnis für Flörschs Haltung suggerieren. Erst zum Ende des Gesprächs wird
deutlich, dass Bond Muir des Wartens müde geworden ist: “Wie kann es ein
schlechter Tag für den Motorsport sein, wenn wir 18 Fahrerinnen an den Start
bringen? Offengestanden: Ich bin alt, ich bin ungeduldig, und ich will nicht 61
Jahre alt sein, bis Frauen ganz oben mitfahren. Let’s do it now!

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