/UKE Hamburg: Warum musste William Tonou-Mbobda sterben?

UKE Hamburg: Warum musste William Tonou-Mbobda sterben?

Am 26. April, dem vergangenen Freitag, hörte das Herz von
William Tonou-Mbobda auf zu schlagen. Der 34-jährige aus Kamerun lag zu jenem
Zeitpunkt auf der Intensivstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
(UKE). Eine Obduktion am folgenden Tag ergab, dass er an Herzversagen gestorben
war. Doch warum sein Herz versagte, ist laut Staatsanwaltschaft unklar. War eine
Vorerkrankung Schuld? Oder doch Gewalteinwirkung?

Eigentlich war der BWL-Student freiwillig in die Klinik
gekommen, um sich psychiatrisch behandeln zu lassen. Doch dann wollten die
Ärzte ihn zwangseinweisen. Und schließlich soll der Sicherheitsdienst der
Klinik massiv Gewalt gegen ihn angewendet haben – als er friedlich vor der
Klinik rauchte, wie mutmaßliche Zeugen behaupten. Es sind schwere Vorwürfe,
denen das UKE ausgesetzt ist. Welche davon zutreffen, ist noch immer
unsicher.

Was weiß man bisher über den Fall?

Was genau am Morgen des Ostersonntags vor der Tür des UKE geschah,
ist inzwischen Gegenstand von Ermittlungen der Mordkommission.  Sicher ist: Die drei Mitarbeiter des
Sicherheitsdienstes, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft des UKE,
ergriffen “Zwangsmaßnahmen” gegen Tonou-Mbobda, wie die Polizei später schrieb.
Demnach verlor der 34-Jährige dabei das Bewusstsein und musste reanimiert
werden, der “taz” zufolge wurde er ins künstliche Koma versetzt. Fünf Tage
später starb er. Das Landeskriminalamt ermittelt nun sowohl gegen die drei
Sicherheitsleute als auch gegen die diensthabende Ärztin. Der Verdacht:
Körperverletzung mit Todesfolge. Die Sicherheitsleute sind inzwischen
beurlaubt.

Das UKE bezeichnete den Vorfall in einer ersten Mitteilung
lediglich als “medizinischen Zwischenfall”. Der Patient habe sich der
“Anordnung der Unterbringung widersetzt”, sei deshalb fixiert worden, und habe
dann aus bisher ungeklärten Gründen “zusätzliche medizinische Hilfe” benötigt.

Ob es die “Anordnung der Unterbringung” tatsächlich gab, ist
jedoch fraglich. Die Polizei sagt: wohl nicht.  Tonou-Mbobda war zunächst freiwillig die
psychiatrische Abteilung des UKE gekommen, ließ sich behandeln. Offenbar suchte
er Hilfe. Im Verlauf der Behandlung aber verschlechterte sich sein Zustand, und
die diensthabende Ärztin beantragte einen Unterbringungsbeschluss. Doch der
Beschluss hat laut Polizei am Ostersonntag noch nicht vorgelegen.

Laut Polizei gab es keine Anordnung eines Gerichts zur Unterbringung

Eine Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen
Anstalt erlaubt das Hamburgische Psychisch-Kranken-Gesetz nur, wenn der Patient
andernfalls sich selbst oder andere erheblich schädigen würde. Laut der
Hamburger Gesundheitsbehörde muss jede dieser Unterbringungen beim Zuführdienst
Altona beantragt werden, der für die ganze Stadt zuständig ist. Der wiederum
hat den Antrag dem Betreuungsgericht vorzulegen, das die Unterbringung
schließlich anordnet oder ablehnt. In dringenden Fällen kann der Zuführdienst
selbst eine sofortige Unterbringung anordnen, sofern er unverzüglich die
nachträgliche Entscheidung eines Richters sucht.

Stimmt die Darstellung der Polizei, lag bei Tonou-Mbobda
nichts von beidem vor: keine Anordnung eines Gerichts zur Unterbringung, keine
Anordnung des Zuführdienstes zur sofortigen Unterbringung. Laut einer
UKE-Sprecherin wurden die rechtlichen Voraussetzungen dennoch eingehalten. Wenn
eine akute Gefahr für den Patienten selbst oder für andere bestehe, aber noch
kein Unterbringungsbeschluss vorliege, dann “sind Patienten in dieser
Schwebesituation, unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit, festzuhalten, sollten
sich diese der Behandlung entziehen wollen”.

In Einzelfällen, so die Sprecherin, könne dabei auch der
Sicherheitsdienst “unterstützend hinzugezogen werden”. Einem Bericht der “taz”
zufolge war diese Praxis nach dem Vorfall unterbrochen worden, inzwischen aber
setzt der Sicherheitsdienst sie offenbar wieder fort. Die Zeitung zitiert den
mutmaßlichen Leiter des Sicherheitsdienstes aus einer internen Mail mit den
Worten, dass “wir ab sofort wieder ärztlich verordnete Zwangsmaßnahmen
umsetzen”. Die Entscheidung sei in Abstimmung mit dem Vorstand gefallen, auch
mit dem Geschäftsbereich Recht und der Polizei Hamburg.

Zum genauen Tathergang hat sich weder die Polizei noch das
UKE geäußert, aber auf zwei Videos, die der ZEIT vorliegen, beschreiben drei
mutmaßliche Augenzeugen und Patienten den Vorfall. Treffen die Berichte zu,
kann von “Wahrung der Verhältnismäßigkeit” keine Rede sein.

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