/Spargel: Der edle Rambo unter den Gemüsen

Spargel: Der edle Rambo unter den Gemüsen

Beim Spargel, da hört der Spaß auf – vor allem, wenn er Saison hat. Findet jedenfalls Christian Lindner. Der FDP-Chef störte sich beim Bundesparteitag am vergangenen Wochenende über eine Kolumne im “Spiegel”. Darin bezeichnete die Autorin Margarete Stokowski Spargel als “alten weißen Mann der Kulinarik” und damit als “überbewertet”. Laut Lindner sollten die Deutschen stolz auf ihr Edelgemüse sein. Aber sind sie auch hier Weltmarktführer? Von wegen: Das sind die Chinesen, und schon darf sich die FDP wieder darüber grämen, dass auch beim Spargel der Fortschritt an Deutschland vorbeigeht. Dabei ist sowieso schon die ganze Welt nach dem stangenförmigen Superfood verrückt: Technikmagazine machen sich über seinen “Biegemoment” gedanken, peruanische Drogenbarone sollen durch ihn zu ehrlichen Unternehmern gemacht werden. Und dann ist da noch die Sache mit dem Spargelhähnchen. Zehn Fakten über ein Gemüse mit Hochkonjunktur.

1. Was macht Rambo im Spargel?

Es gibt rund 220 Arten der Gattung Asparagaceae. Auf den Tisch kommt vor allem Asparagus officinalis, der gemeine Gemüsespargel. Eine Sorte heißt tatsächlich Rambo und gilt als sehr robust. Weitere tragen die Namen Martha Washington, Huchels Alpha und Schwetzinger Meisterschuss. In Deutschland soll Spargel möglichst weiß sein, im Rest der Welt wird grüner bevorzugt. Weiß bleibt er, wenn er noch in Erdwall geerntet wird, violetter Spargel durchbricht die Erde. Grüner Spargel wird von vornherein überirdisch angebaut. 

2. Ist Spargel der Blumenkohl des Frühlings?

Sieht ganz so aus. Obwohl Spargel nur zwischen April und Juni Saison hat, ist er laut Statistischem Bundesamt hierzulande das meistangebaute Freilandgemüse: 133.000 Tonnen wurden in Deutschland im Jahr 2018 geerntet, das sind 3.000 Tonnen mehr als im Vorjahr. 1,9 Milliarden Spargelstangen essen die Deutschen im Jahr, hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung errechnet. Das sind pro Kopf 1,6 Kilo. Statistisch gesehen ist das über ein Pfund weniger, als wir an Blumenkohl oder Bohnen im Jahr zu uns nehmen. Aber wer kann sich über Bohnen schon so freuen wie über den ersten Spargel? 

3. Was ist schon Sylt gegen China?

In Deutschland beträgt die gesamte Anbaufläche 29.000 Hektar, das ist mehr als die beiden Inseln Sylt und Fehmarn zusammen. China erwirtschaftet allerdings ein Vielfaches des Jahresertrags von 133.000 Tonnen. Im Jahr 2017 wurden dort neun Millionen Tonnen erwirtschaftet, auf 1,3 Millionen Hektar Fläche. Das entspricht 90 Prozent der weltweiten Produktion. Mit weitem Abstand – 400.000 Tonnen – folgt Peru auf Platz 2.

4. Wo fängt das Holz beim Spargel an?

Das Problem klingt banal, und doch treibt es Spargel-Begeisterte jedes Frühjahr wieder um: Wo endet der holzige, wo beginnt der zarte Teil? Der Autor Edmund Williams hat im Technik-Magazin Wired die Lösung beschrieben. Letztlich, so Williams, sei eine Stange Spargel auch nichts anderes als ein Träger, den man im Gebäudebau verwendet. Auch hier muss festgestellt werden, wie viel Druck ein solches Objekt verträgt, bevor es bricht. Ingenieure nennen diese Eigenschaft den “Biegemoment”. In der Statik braucht es dafür Mathematik, beim Spargel  Fingerspitzengefühl. Mit der einen Hand greift man den Spargel kurz unter der Spitze mit Daumen und Zeigefinger und hält ihn waagerecht. Mit der anderen greift man ebenso mit zwei Fingern die Schnittkante – und biegt sie behutsam nach unten. Der Spargel sollte nun genau dort brechen, wo der hölzerne Teil endet und der weiche beginnt. 

5. Hilft Spargel eigentlich gegen Kater?

Sieht ganz so aus – aber es ist kompliziert. Eine Studie über den Einfluss von Gemüsespargel auf toxische Leberwerte und die Menge von Alkohol im Blutkreislauf hat ergeben, dass vor allem die Blätter der Spargelpflanze, aber auch die Stangen selbst, entgiftend wirken können. Potenziell könnten Spargel-Wirkstoffe sogar bei der Therapie von möglichen Leberschäden helfen. Heißt das, mal grob überschlagen, dass eine Stange Spargel pro Wodka-Shot vor Kopfweh am nächsten Morgen schützt? Leider nein. Vielleicht hilft es aber gegen den Kater, dass eine Portion Spargel (ungeschält 500 Gramm) etwa 80 Prozent des Tagesbedarfs an Vitamin C und E deckt, laut Bundeszentrum für Ernährung.

6. Warum ruiniert der Kampf gegen die Drogen amerikanische Spargelbauern?

Den war on drugs, den Kampf gegen die Drogen, hatte bereits Ronald Reagan verkündet. Doch geführt wurde er erst, als George W. Bush 2001 US-Präsident wurde. Es gab dabei auch ein Programm, das peruanische Bauern vom Anbau der Coca-Blätter abbringen sollte – dem Rohstoff des Kokains. Bis zu 60 Millionen Dollar im Jahr wurden investiert, um aus Drogenproduzenten Spargelbauern zu machen. Mittlerweile kommt etwa die Hälfte aller Spargelimporte aus Peru in die USA. Die Anbaufläche in den USA hat sich aufgrund der subventionieren Importe aus Süd- und Zentralamerika in den letzten 15 Jahren auf ein Drittel reduziert. Und der Drogenkonsum? Ist heute auf einem Rekordniveau. 

7. Kann man Spargel beim Wachsen zusehen?

Man könnte. Denn unter Schutzfolie bei idealerweise 30 Grad schafft so ein Spargeltrieb bis zu einem Zentimeter pro Stunde. Einmal pro Tag kann in der Saison also ein Beet abgeerntet werden. Ließe man das Spargelkraut übrigens wachsen, würde die Pflanze bald Blätter treiben. Und die weiblichen Pflanzen – Spargel ist zweihäusig – könnten sogar Blüten entwickeln und im Herbst rote Beeren tragen. Die allerdings sind giftig.  

8. Können Roboter die Ernte revolutionieren?

Ein ungelernter Feldarbeiter braucht 15 Sekunden, um eine Stange weißen Spargel zu ernten. Ein Profi schafft es in kaum einem Drittel der Zeit. Hochgerechnet auf einen Arbeitstag von acht Stunden kann das einen Unterschied von über 50 Kilo ausmachen. In manchen Anbaugebieten testet man mittlerweile Erntemaschinen: Mit Kameras wird der Boden gescannt und nach Spargel abgesucht. Greifarme ziehen das Gemüse aus dem Boden. Klingt super. Aber viele Stangen werden bei diesem Verfahren beschädigt, andere übersehen. Die Anschaffung der Maschinen ist teuer. Bleibt nur darauf zu hoffen, dass künstliche Intelligenz und Robotik in Zukunft mehr Fingerspitzengefühl beweisen.

9. Ist Spargel wirklich so männlich?

Ja, wenn es die Spargelpflanzen selbst angeht. Genetisch sind sie zu jeweils 50 Prozent männlich und weiblich. Doch Mitte der Achtziger begannen Wissenschaftler an der Rutgers University, Sorten mit rein männlichen Klonen zu züchten. Die verschwenden nämlich keine Zeit und Energie damit, Samen zu produzieren, und wachsen direkt in die Höhe. Der Ertrag bei den Klonen ist bis zu 25 Prozent höher. Würde man sich allein auf diesen männlichen Designer-Spargel verlassen, wäre die Performance also top – die Art würde allerdings bald aussterben. Auch darin liegt sicher eine höhere Wahrheit. 

10. Wie wäre es mal mit Spargelhähnchen?

Da können wir nur abraten, das Gemeine Spargelhähnchen (Crioceris asparagi) ist nämlich kein Gericht, sondern ein für Spargel besonders lästiger Schädling. Der Käfer aus der Familie der Blattkäfer (Chrysomelidae) ist rund fünf Millimeter lang, hat einen blauschwarzen Kopf und einen roten Halsschild. Käfer und Larven leben an wilden und gezüchteten Spargelpflanzen, ernähren sich von ihren Blättern und dem Spross und schwächen dadurch vor allem die Jungpflanzen.

Dann doch besser diese Rezepte: Spargel polnischer Art, Pasta Primavera, Frühlingseintopf und Frittata.

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