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Security: Schluss mit grimmig

Wer eine Speise bestellen kann, die nach einem selbst benannt ist, der hat
einiges erreicht. Roland Lehner gehört zu diesen Menschen. Der 44-Jährige sitzt im Beisl des
WUK, des alternativen Veranstaltungszentrums in Wien-Alsergrund, über einem “Rolando Spezial”,
wie es auf der Karte heißt – ein Berg aus Salat, Huhn und Spiegelei. Jeder hier grüßt Lehner,
er grüßt zurück. Seit mehr als 15 Jahren kümmert er sich um die Sicherheit im Haus, seine
Firma betreut auch viele andere Events und Clubs im Land. “Trotzdem fängt jeder meiner
Mitarbeiter erst mal im WUK an”, sagt Lehner. “Hier lernt man das Zwischenmenschliche, und das
ist die Basis für alles andere.”

Lehner ist ein freundlicher Mann von beeindruckender Statur. Er hat einen großen Bizeps, große Tätowierungen und eine große Mission: Er will nicht nur für Sicherheit bei Veranstaltungen sorgen, sondern das Bild des Security-Mitarbeiters auf den Kopf stellen. Weg von der muskulösen Gestalt, die unfreundlich knurrt und mit grimmigem Blick Besucher selektiert. Seine Securitys sollen freundlich sein, und er legt Wert auf möglichst viel Diversität unter seinen Mitarbeitern.

Lehner wird 1974 im niederösterreichischen Horn geboren. Sein Vater ist Ingenieur und kümmert sich bei dem landeseigenen Energieversorger um Wasserkraftwerke, seine Mutter ist Hausfrau. Als der Sohn neun Jahre alt ist, kommt die Familie nach Wien und zieht nach Hütteldorf. Der Junge sieht überall Gruppen, die gegen Schwächere vorgehen, angefangen bei den Rapid-Hooligans in seiner Nachbarschaft. Es stößt ihn ab. Lehner ist damals schon eher ein freiheitsliebender Individualist. Mit 15 Jahren trägt er die Haare bis zur Hüfte und behält die Frisur 25 Jahre lang.

Model, Performer, Security-Mann

Mit Anfang 20 geht Lehner nach Ibiza, um als Promoter für eine Cocktailbar zu arbeiten. Er wohnt mit Hippies in einer Höhle, tanzt auf Goa-Partys, lebt den Exzess. “Vorher ging es mir psychisch wirklich dreckig”, erinnert er sich. “Auf Ibiza ist die Knospe aufgegangen.”

Wenn Lehner über sein früheres Leben und seine Jobs spricht, klingt das nach einer Achterbahnfahrt. Viele gute Geschichten, die sich oft im Rausch der Neunziger verlieren.

Lehner arbeitet kurz als Model in New York und sieben Jahre lang als Nikolo. Bei dem Musikfestival im burgenländischen Wiesen besucht er ein Konzert der Radau-Combo Drahdiwaberl, die gemeinsam mit ihrem Ex-Mitglied Falco auftrat. Zufällig landet Lehner auf der Bühne, wird in die Performance eingebaut und ausgepeitscht. Er bleibt prompt Teil der Gruppe und ist einige Jahre lang immer wieder mit der Band auf Tour, mimt einen Polizisten oder einen Alien mit einem riesigen Dildo.

“Wir waren Leute, die man gerne trifft an der Tür. Niemand, der dich runterbuttert, sondern der dich erkennt und begrüßt.”

Robert Lehner, Besitzer eines Sicherheitsunternehmens

Die Geschichte mit Lehner und dem Security-Gewerbe beginnt Ende 1996, als er, damals schon Kampfsportler, in der Meierei im Wiener Stadtpark als Türsteher anheuert. Erst war es ein Job wie jeder andere, Lehner macht ihn halbherzig und nicht gut. Er betrinkt sich während der Arbeit, wird in die Garderobe degradiert, kriegt schließlich eine zweite Chance.

Dann läuft es besser. Der in der Alternativkultur sozialisierte Sicherheitsmann will nicht einfach nur grimmig die Einlasskontrolle betreiben, sondern legt Wert auf einen guten Umgang mit Mitarbeitern und Gästen. Drei Monate später ist er Teamleader. “Wir waren Leute, die man gerne trifft an der Tür”, sagt Lehner. “Niemand, der dich runterbuttert, sondern der dich erkennt und begrüßt.”

Lehner und sein Team wandern in den nächsten Jahren mit der Partyreihe Soul Sugar durch mehr als 30 Locations in Wien – vom Volksgarten bis in zweckentfremdete Rotlicht-Etablissements. Er weist an der Tür Mitglieder der Russenmafia im Pelzmantel ab, bevor ihm jemand von der Seite sagt, dass denen der Club gehöre. Er muss mitansehen, wie ein Gast nach einem Bauchstich schreiend auf dem Boden liegt.

Die Narbe auf der Nase hat ihm viel Stress erspart

Aus der Zeit geblieben seien eine Anzeige, “da wurde ich freigesprochen”, und “vielleicht zehn Schlägereien”. Eigentlich nicht viel für eine 20-jährige Türsteher-Karriere. “Es geht schon alles auch anders”, sagt Lehner. “Mein oberstes Ziel war es immer, es nicht eskalieren zu lassen.”

Im Jahr 1999, auf dem Weg zu einem Event in Ungarn, verunglückt Lehner mit dem Lkw. Der Fahrer schläft ein, steuert das Gefährt in den Straßengraben und donnert gegen eine Brücke. Lehner sitzt auf dem Beifahrersitz, bricht sich den vierten Lendenwirbel und den Oberkiefer. Die Nase ist quasi weg. Er wird zusammengeflickt. Heute ist nicht mehr viel von dem Unfall geblieben, außer gelegentlichen Rückenschmerzen und der großen Narbe auf der Nase. “Der hab ich aber viel zu verdanken”, sagt Lehner. “Sie lässt mich härter ausschauen und hat mir wahrscheinlich viel Stress erspart.”

Die Jahre in der Hippie-Szene haben Spuren hinterlassen. Er meditiert und ist viel gereist, von Asien über Zentralamerika bis zum Südpazifik. Naturvölker haben den Mann, der zehn Jahre Ethnologie studiert hat, immer fasziniert.

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