/Spanien: Sánchez erklärt sich zum Wahlsieger – PSOE ohne Regierungsmehrheit

Spanien: Sánchez erklärt sich zum Wahlsieger – PSOE ohne Regierungsmehrheit

Bei der Parlamentswahl in Spanien ist die sozialistische Partei PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez als stärkste Partei hervorgegangen. Sie kam am Sonntag auf rund 30 Prozent der Stimmen, wie nach der Auszählung fast aller Stimmen bekannt wurde. Sánchez erklärte sich am Sonntagabend in Madrid zum Sieger der Wahl. Vor Anhängern sagte er, seine Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) habe die Wahl gewonnen. “Und mit ihr hat die Zukunft gewonnen und die Vergangenheit verloren.”

Der Block aus Sozialisten und dem linken Bündnis Unidos Podemos verfehlte indes die absolute Mehrheit. Schwere Verluste musste die konservative Volkspartei (PP) hinnehmen, die im Vergleich zur Wahl 2016 mehr als die Hälfte ihrer Sitze im Parlament einbüßen dürfte. Erstmals zieht die rechtspopulistische Partei Vox in das Unterhaus ein. Dem Land steht nun eine komplizierte Regierungsbildung bevor, zumal keines der politischen Lager auf eine Mehrheit kommt.

Sánchez kann zwar nun Koalitionsgespräche mit dem Bündnis Unidos Podemos beginnen, das sich bereits zu einer Allianz bereit erklärt hat. Doch bräuchte der Block für eine Mehrheit noch immer rund 15 weitere Mandate im 350 Sitze zählenden Parlament. Auf die Sozialisten seien fast sieben Millionen Stimmen entfallen, was 122 Sitzen entspricht, sagte Regierungssprecherin Isabel Celaá.

Auch ein rechtsgerichtetes Bündnis hätte nach den Teilergebnissen aber keine Mehrheit. Die über Jahre dominierende Volkspartei dürfte auf 65 Sitze kommen – 2016 waren es noch 137. Die Konservativen verloren vor allem an die liberale Partei Ciudadanos und die rechtspopulistische Partei Vox.

Rechtspopulistische Partei Vox zieht erstmals ins Parlament ein

Nach dem erstmaligen Einzug der rechtspopulistischen Partei Vox ins spanische Parlament hat Parteichef Santiago Abascal seine Anhänger aufgerufen, die Einheit Spaniens zu wahren. Vor einer jubelnden Menschenmenge in Madrid kritisierte der 43-Jährige am Sonntagabend erneut die Unabhängigkeitsbestrebungen der Krisenregion Katalonien. “Jetzt haben wir eine Stimme im Parlament!”, rief er den Menschen zu, die die spanische Flagge schwenkten. “Wir sind hier, um zu bleiben. Das ist erst der Anfang!”, betonte der Politiker.

“Wir haben jetzt 24 Abgeordnete, die den Stolz der Spanier vertreten werden”, sagte Abascal. Die Partei werde sich nicht nur für die Einheit der Nation einsetzen, sondern auch die Grenzen gegen illegale Migration verteidigen.

Die erst 2013 gegründete Partei, die von manchen Medien in Spanien als rechtsextrem eingestuft wird, setzt sich unter anderem für spanisches Kulturgut wie den Stierkampf ein. In ihren Reihen finden sich auch viele Ex-Militärs, die als Anhänger der Franco-Diktatur gelten. Es ist das erste Mal seit fast vier Jahrzehnten, dass in Madrid eine rechtspopulistische Partei in den Congreso de los Diputados einzieht.

“Historische Wahlbeteiligung”

Am Sonntag wurde eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte der spanischen Demokratie registriert. Nach Angaben des Madrider Innenministeriums gaben rund 75 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Das waren fast neun Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl im Juni 2016. Medien sprachen von einer “historischen Wahlbeteiligung”, die dem Rekord von 1982 (knapp 80 Prozent) – einem Jahr nach dem Putschversuch – sehr nahe kam.

Jahrelange politische Instabilität und wachsende Sorgen um die Zukunft trieben die Spanier offenbar trotz sonnigen Ausflugswetters in Massen in die Wahllokale. “Die Situation in unserem Land ist so besorgniserregend wie lange nicht mehr, heute darf niemand der Wahl fernbleiben”, sagte Rentner Orlando, der “die 80 schon vor langer Zeit gefeiert” hat, nach der Stimmabgabe in Madrid der Deutschen Presse-Agentur. Die Ehefrau des früheren Griechisch-Professors, Cándida, drückt es noch deutlicher aus: “Spanien steht vor dem Zusammenbruch.”

Vielerorts bildeten sich lange Schlangen. Gerade auch ältere Menschen strömten in die etwa 23.000 Wahllokale – wie die 100 Jahre alte Rafaela Mira Carratalá in Alicante. Sie sei am Sonntagmorgen zu Hause zwei Mal gestürzt, und dennoch habe sie nie in Erwägung gezogen, ihre Stimme nicht abzugeben, betonte sie vor Journalisten: “Ich habe alles erlebt, Republik, Bürgerkrieg (1936-1939), habe meinen Mann im Gefängnis besucht und unter der Diktatur (bis 1975) gelitten. Daher stimme ich seit der Rückkehr der Demokratie immer ab. Für ein besseres Leben, für den Frieden.”

Politiker verschiedener Parteien, darunter Oppositionsführer Pablo Casado, sprachen von der “wichtigsten Wahl, an die man sich erinnern kann”. Denn die Liste der Probleme ist lang, allen voran: Der Konflikt in Katalonien, drohender politischer Stillstand, erste Anzeichen einer Konjunkturabschwächung bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit sowie die zunehmende Migration.

Sánchez scheiterte mit Minderheitsregierung

Premier Sánchez führt seit dem Sturz des konservativen
Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP) im Juni 2018 eine
Minderheitsregierung. Seine sozialistische Partei stellt nur 84 der
insgesamt 350 Abgeordneten im Parlament. So hatte im Februar der
Haushaltsentwurf des Ministerpräsidenten im Parlament keine Mehrheit
gefunden. Sánchez war daher gezwungen, eine Neuwahl auszurufen. Es war
bereits die dritte Wahl zum spanischen Parlament innerhalb von nur
dreieinhalb Jahren.

Der Wahlkampf in Spanien wurde vor allem durch den Katalonienkonflikt
bestimmt, der das Land in die stärkste politische Krise seit 40 Jahren
gestürzt hatte. Die durch den Streit um die Unabhängigkeitsbestrebungen
der autonomen Region aufgeheizte Stimmung und das zersplitterte
Parteienspektrum verhinderten bislang die Bildung von Koalitionen.  

Mit
dem faktischen Ende des jahrzehntelang dominierenden
Zweiparteiensystems aus PP und PSOE ist das politische System Spaniens
seit 2016 zersplittert, Mehrheiten zu bilden, ist kompliziert. Damals
war das Land trotz zwei Wahlgängen innerhalb von sechs Monaten fast ein
Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben. Ursache war vor allem die
Wirtschafts- und Finanzkrise 2008, deren Folgen mit der linken
Basisbewegung Podemos und den liberalen Cuidadanos zwei neue Parteien
hervorgebracht hatte. Beide Neugründungen konnten auf Anhieb zahlreiche
Wähler gewinnen, was zu schwierigen Regierungsbildungen führte.

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