/IS-Rückkehrer: Jugendämter prüfen radikalisierte Familien auf Kindeswohlgefährdung

IS-Rückkehrer: Jugendämter prüfen radikalisierte Familien auf Kindeswohlgefährdung

Deutsche Jugendämter überprüfen Medienberichten zufolge, ob Anhängern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werden kann. Es handle sich um Eltern, die aus Syrien und dem Irak nach Deutschland zurückkehrten, berichteten WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung. Die Jugendämter betrachteten gemeinsam mit Polizei, Verfassungsschutz und
Sozialbehörden mehrere Fälle von
IS-Rückkehrern unter dem Gesichtspunkt der Kindeswohlgefährdung. Die Eltern hätten ihre Kinder in das Kriegsgebiet mitgenommen. Anfang April hatte die deutsche Bundesregierung erste Kinder von IS-Anhängern aus dem Irak nach Deutschland zurückgeholt. Es handelte sich um eine hohe
einstellige Zahl von Minderjährigen.

Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des
körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes droht oder
bereits vorliegt. Die Expertinnen und Experten aus Jugendämtern, Sozial- und
Sicherheitsbehörden überprüfen laut WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung, ob die IS-Anhänger ihre Kinder bewusst
in Gefahr gebracht haben. Die
Eltern könnten das Sorgerecht verlieren und die Kinder nach der
Rückkehr aus Syrien und dem Irak in die Obhut von Verwandten oder
Pflegefamilien in Deutschland kommen. Bisher ist das allerdings noch
in keinem Fall vom einem Familiengericht entschieden worden.

Inzwischen beschäftigten sich allerdings auch Staatsanwaltschaften mit diesem Aspekt. In einigen Fällen werde bereits wegen der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ermittelt. “Die Kinder, die mit in das Herrschaftsgebiet des so genannten
“Islamischen Staates” mitgenommen wurden, waren dort rund um die Uhr der
menschenverachtenden Ideologie dieser Terrororganisation ausgesetzt”,
sagte der Leiter des Landeskriminalamtes (LKA) Bremen, Daniel Heinke.
Den deutschen Sicherheitsbehörden lägen zahlreiche Informationen vor,
dass auch “schwerste Gewalttaten und Mord in Gegenwart von Kindern”
begangen worden seien.

Außerdem hätten die Kinder an der “aufgezwungenen Lebensführung” der
islamistischen Eltern teilgenommen, die vom “Hass auf vermeintlich
Ungläubige, eine aggressive Ablehnung einer demokratischen und freien
Gesellschaft und der Unterdrückung der Frau” geprägt gewesen sei. “Es
liegt daher in diesen Fällen nahe, dass diese Kinder aufgrund der
Handlungen ihrer Eltern in ihrer psychischen Entwicklung erheblich
beeinträchtigt wurden”, sagte LKA-Leiter Heinke.

Kinderschutzbund warnt vor Trennung von den Eltern

Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) warnt
hingegen vor einer Pauschallösung. “Das Recht des Kindes auf seine
Eltern auf der einen Seite und eine mögliche Beeinträchtigung des
Kindeswohls durch extremistisches Gedankengut auf der anderen Seite
müssen sorgsam gegeneinander abgewogen werden”, sagte die stellvertretende
Geschäftsführerin Martina Huxoll-von Ahn. Gerade Kleinkindern könne eine Trennung von den Eltern massiv schaden. “Andererseits birgt das Aufwachsen in einer
ideologisch geprägten Umgebung natürlich große Risiken für die kindliche
Entwicklung. Jeder Fall muss deshalb mit seinen jeweiligen
Gegebenheiten einzeln betrachtet und entschieden werden.”

Mehr als 1.000 Islamisten aus Deutschland sind nach Erkenntnissen der
Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren in das Kriegsgebiet nach
Syrien und in den Irak ausgereist. Etwa ein Drittel von ihnen ist
inzwischen zurück in der Bundesrepublik. Etwa 70 deutsche IS-Anhänger
befinden sich in kurdischer Haft in Nordsyrien und in Gefängnissen im
Irak. Hinzu kommen mehr als 50 Kinder, die größtenteils im ehemaligen
IS-Herrschaftsbereich geboren wurden.

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