/Gipfeltreffen in Wladiwostok: Warum Russland plötzlich interessant ist für Kim

Gipfeltreffen in Wladiwostok: Warum Russland plötzlich interessant ist für Kim

Bis vor Kurzem fand Nordkoreas Diktator Kim Jong Un Russland noch gar nicht so relevant. Immerhin hatte er als erster nordkoreanischer Staatschef überhaupt politische Beziehungen zum US-Präsidenten, und der ist nun mal wichtiger als das russische Pendant. Deswegen hatte es Kim Jong Un auch nicht besonders eilig, sich mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. Dessen Außenminister Sergej Lawrow hatte Kim schon vor einem Jahr nach Russland eingeladen, doch da war der Nordkoreaner noch ganz auf Donald Trump fixiert.

Das hat sich nach dem misslungenen Hanoi-Gipfel mit dem US-Präsidenten geändert. Ursprünglich war Kim Jong Un offenbar davon ausgegangen, Ende Februar in Hanoi bei Trump einiges an UN-Sanktionen, die gegen sein Land erhoben werden, wegzuverhandeln. Doch der Gipfel wurde vorzeitig abgebrochen, beide Seiten hatten auf Maximalforderungen beharrt. Sein erstes Treffen mit Wladimir Putin – beide schüttelten sich publikumswirksam sehr lang die Hände – hat ihm jetzt Gelegenheit gegeben, den Bürgern seines Landes zu zeigen, dass er weiterhin ein international beachteter Staatsmann ist. Immerhin: Russland ist eine ehemalige Großmacht und hat Atomwaffen.

Was Nordkorea und Russland eint, ist eine 17 Kilometer lange Grenze, eine gemeinsame, inzwischen aber verblichene Historie kommunistischer Verbundenheit aus Sowjetzeiten sowie der Besitz von Atomwaffen. Die UdSSR waren es, die halfen, ab 1945 Kim Jong Uns Großvater Kim Il Sung als Staatschef zu installieren und die beim Aufbau des neuen Staates zur Seite standen. Später wurde der gleichfalls kommunistische Nachbar China wichtiger für Kim Il Sung. Er war es auch, der bereits in den Sechzigerjahren erfolglos versuchte, von China die Technik zum Bau einer Atombombe zu bekommen. In den Achtzigerjahren begannen die Nordkoreaner selbst mit der Atomforschung und ließen weder die Chinesen noch die Sowjets daran teilhaben.

Hilfreich in der Außenwirkung

Inzwischen verfügen sie verbotenerweise über Atomwaffen, bedrohen mit diesen Ostasien und können mit einer Langstreckenrakete möglicherweise auch US-Festland erreichen. Die UN und die US-Regierung haben das nordkoreanische Regime deshalb mit Wirtschaftssanktionen belegt. Auch Nordkoreas Anrainer Russland und China wollen keinen weiteren Atomstaat, auch sie fordern eine Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Doch aktuell haben sie sich mit einem nuklear bewaffneten Nordkorea arrangiert.

In Moskauer Regierungskreisen geht man davon aus, dass Kim Jong Un die Atomwaffen so ziemlich als Letztes aufgeben würde, sind sie doch eine Versicherung für den Erhalt seines Regimes, schreibt der Moskauer Analyst Alexander Gabuev. Und sowohl in Peking als auch in Moskau will man einen Zusammenbruch des Kim-Regimes verhindern, denn damit könnte der Norden wie schon Südkorea unter US-amerikanischen Einfluss geraten.

Im Atomstreit Nordkoreas mit den USA – die Regierung Trump fordert von Kim, das Atomprogramm einseitig aufzugeben – ist heute China diplomatisch ein entscheidender Partner, nicht Russland. Vor allem weil Nordkorea von China wirtschaftlich abhängig ist. Für Kim Jong Un ist ein Treffen mit Putin daher auch in der Außenwirkung hilfreich, denn er kann sowohl den Amerikanern als auch den Chinesen zeigen, dass er mehrere diplomatische Optionen hat. 

Im besten Fall wird Putin Vermittler

Wladimir Putin auf der anderen Seite will Russlands Position zumindest in Ostasien regionalpolitisch aufwerten. Spätestens nach dem Russland-gestützten Einmarsch in der Ostukraine ist er in westlichen Ländern nicht mehr gelitten. Im besten Fall wird Putin Vermittler im Atomstreit zwischen Washington und Pjöngjang. Nach dem Treffen mit Kim sprach er davon, den USA zu verdeutlichen, dass Nordkorea internationale Sicherheitsgarantien brauche und nicht nur solche der Vereinigten Staaten.

Für Kim Jong Un hängt der Atomstreit direkt mit wirtschaftlichen Problemen zusammen. Die internationalen Sanktionen gegen sein Land kosten Wohlstand. In Russland arbeiten Zehntausende nordkoreanische Gastarbeiter, deren Lohn zu einem großen Teil direkt an die Kim-Regierung geht. Wegen der UN-Sanktionen droht diesen die Heimreise aus Russland, weshalb sowohl Putin als auch Kim eine Lockerung der Sanktionen gegen Zugeständnisse im nordkoreanischen Atomprogramm anstreben. Außerdem will Russland sich am Bau von Öl- und Gasleitungen und an einer Erneuerung des nordkoreanischen Eisenbahnnetzes beteiligen. Doch wirklich viel zu bieten hat Putin den Nordkoreanern nicht. Im Gegensatz zu China hat Russland selbst genug wirtschaftliche Sorgen.

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