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Finanzbranche: Was fehlt, ist eine Strategie

Das wars dann wohl. Die Fusion zwischen der Deutschen Bank und der Commerzbank ist abgesagt – und die Erleichterung ist förmlich zu spüren. 

In der Politik, weil die befürchteten Filialschließungen nun erst einmal nicht kommen. Bei den Gewerkschaften, weil der Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen ausbleibt. In den Banken, weil die mühsame und aufreibende Integration zweiter Großbanken nicht gestemmt werden muss. Bei den Investoren, die nun kein frisches Kapital zuschießen müssen, damit die Deutsche Bank den Kauf der Commerzbank finanzieren kann.

Wenn man sich da nur nicht zu früh freut. Es ist ja nicht so, dass die Absage der Fusion aus den beiden Problembanken auf einmal zwei hochprofitable Institute macht. Im Gegenteil: Sie sind weiter auf der Suche nach einem nachhaltigen Geschäftsmodell. Sie verdienen nicht genug Geld und machen sich auf dem umkämpften Heimatmarkt zusammen mit den Sparkassen und Volksbanken gegenseitig Konkurrenz.

Wie es weitergeht? Womöglich so: Ausländische Banken wie HSBC aus Großbritannien, ING aus den Niederlanden oder BNP Paribas aus Frankreich teilen den deutschen Privatbankenmarkt unter sich auf. Die Deutsche Bank und die Commerzbank gehen langsam zugrunde oder werden irgendwann geschluckt. Die viertgrößte Industrienation der Welt stünde ohne eine eigene Großbank da und wäre in politischen und ökonomischen Krisensituationen komplett auf ausländische Dienstleister angewiesen. Das wäre dann ungefähr so, als würde Deutschland über keinen eigenen Großflughafen mehr verfügen und seinen Luftverkehr über – sagen wir – Paris abwickeln.

Das ist unproblematisch in einer Welt, in der sich alle mögen. Es ist schon weniger unproblematisch, wenn alte Bündnisse zerfallen. So wäre es wahrscheinlich nicht gerade lustig, als deutsches Unternehmen auf ausländische Kredite angewiesen zu sein, wenn in Großbritannien Nigel Farage an die Macht kommt, in Frankreich Marine Le Pen und Italien sich aus der Währungsunion verabschiedet. Andere Staaten wissen um diese Risiken und gehen deshalb etwas umsichtiger mit ihren Banken um.

Keine unkontrollierbare Megabank

Zur Erinnerung: Die größte deutsche Bank ist kleiner als die zweitgrößte französische Bank. Deshalb greift übrigens auch das Argument zu kurz, mit der Fusion wäre eine unkontrollierbare Megabank geschaffen worden, für die am Ende die Steuerzahler geradestehen müssen. Es gibt in Europa sehr viel größere Banken und die Staatengemeinschaft hat zahlreiche neue Regeln verabschiedet, die verhindern sollen, dass im Krisenfall Steuermittel fließen.

Aber strategisches Denken ist offenbar derzeit nicht gefragt in Berlin und in Frankfurt. Finanzminister Olaf Scholz wollte zwar die Fusion, aber er durfte das nie öffentlich zugeben und auch keine aktivere Rolle einnehmen, weil er dann die Parteibasis der SPD gegen sich aufgebracht hätte. Dort fürchtete man, für die Arbeitsplatzverluste verantwortlich gemacht zu werden. Ein großer Teil der Stellen wird zwar so oder so wegfallen, aber daran sind dann eben andere schuld. Die Führungsriege der Deutschen Bank wiederum wollte den Zusammenschluss wohl auch, aber sie konnte die Anteilseigner nicht überzeugen. Jetzt hat man sich für den Weg der geringsten Widerstände entschieden. Hoffentlich ist es kein Holzweg.

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