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Pedro Sánchez: Er lässt Europas Sozialdemokraten hoffen

Pedro Sánchez hat einen Lauf: In den Fernsehdebatten wenige Tage vor der Parlamentswahl können die Spanierinnen und Spanier einen staatsmännisch entspannten Ministerpräsidenten erleben. Alle Vorwahlumfragen sehen denn 47-Jährigen und seine sozialistische Partei PSOE als Sieger. 28 bis 31 Prozent der Spanier werden demnach am Sonntag die Sozialisten wählen.

Die PSOE würde so stärkste Partei und künftig 115 bis 139 von 350
Abgeordneten im Nationalparlament stellen. Dann bräuchten die Sozialisten zwar immer noch Partner, um weiterzuregieren. Aber wenn man bedenkt, dass Sánchez bei der letzten Wahl 2016 als Spitzenkandidat das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der spanischen Sozialisten bekam und aktuell nur 85 Abgeordnete im Parlament sitzen, wäre das ein bemerkenswerter Erfolg.

Pedro Sánchez blickt auf eine wechselhafte politische Karriere zurück. Lange galt der promovierte Wirtschaftswissenschaftler aus gutbürgerlichem Haus als politisches Leichtgewicht: ambitioniert, aber ohne ideologische Überzeugungen. Zuletzt aber hat er es verstanden, das aufgeheizte politische Klima in Spanien für sich zu nutzen. Im Sommer 2018 sammelte er erfolgreich die Stimmen kleinerer Parteien und stürzte den konservativen Ministerpräsident Rajoy nach sieben Jahren im Amt. Viele Spanier waren der ewigen Korruptionsskandale der Mächtigen und auch Rajoys harten Durchgreifens im Katalonienkonflikt überdrüssig geworden. Sánchez führte das erste erfolgreiche Misstrauensvotum
der spanischen
Demokratie an – und ist seitdem zur Überraschung seiner Gegner selbst Ministerpräsident.

Eigentlich nur Platzhalter für die anderen

Manchem deutschen Genossen gilt er bereits als Hoffnungsträger der europäischen Sozialdemokratie: Erst abgeschrieben, nun plötzlich erfolgreich. Wie hat er das geschafft?

Seine ersten Schritte in der Politik machte der heute 47-Jährige Anfang 2000 als einer von mehreren Nachwuchspolitikern im Team des mächtigen Generalsekretärs José Blanco, der für die sozialistische Oppositionspartei auf der Suche nach frischen Gesichtern war. Aus dieser Zeit stammt Sánchez’ Beiname “El Guapo”, “der Hübsche”: Das sportlich-attraktive Äußere galt als das herausstechendste Merkmal des jungen Mannes. 

Mithilfe der mächtigen andalusischen Sozialistin Susana Díaz machte er parteiintern Karriere. 2014 wurde er Generalsekretär und 2015 Spitzenkandidat der Sozialisten für die nationalen Wahlen. Seine Partei habe ihn damals als Platzhalter benutzt, schreibt er in seiner Biografie Manual de Resistencia (Anleitung zum Widerstand). Denn die Sozialisten hatten zu dieser Zeit auch angesichts der aufstrebenden linken Parteigründung Podemos wenig Chancen.

Und tatsächlich: Nach den kurz aufeinanderfolgenden Parlamentswahlen 2015 und 2016 wurde Pedro Sánchez zum Rücktritt vom Parteivorsitz genötigt. Damals war wegen fehlender Mehrheiten monatelang um mögliche Koalitionen gerungen worden. Sánchez verweigerte dem konservativen Kandidaten Rajoy bis zum Schluss die Unterstützung bei der Regierungsbildung. Das kam in seiner Partei nicht gut an. Am Ende wurde Sánchez ausgerechnet von seiner früheren Förderin Susana Díaz gestürzt. Unter Tränen gab er auf.

Symbolpolitik aus dem Regierungspalast

Doch er kam zurück. In einem alten Fiat tingelte der gefallene Sozialist über Land und warb an der Parteibasis für sich. Schließlich gewann er 2017 die Urwahl um den Parteivorsitz – und stürzte seine frühere Förderin und Widersacherin Susana Díaz. Ein Jahr später organisierte er das Misstrauensvotum gegen den Konservativen Rajoy.

Dazu musste Sánchez sieben Parteien zusammenbringen – neben dem Linksbündnis Unidos Podemos auch die konservativen und linken Nationalisten aus dem Baskenland und die Pro-Unabhängigkeitsparteien aus Katalonien. Der Zusammenschluss zum Sturz von Rajoy sei von langer Hand geplant gewesen, hieß es damals aus der Partei: Sánchez habe die Zeit außerhalb des Scheinwerferlichtes genutzt, um politische Allianzen zu schmieden.

Neun Monate lang hat der Sozialist Spanien nun mit seiner Minderheitsregierung geführt. Die Tageszeitung El País spricht vom “wahrscheinlich längsten Vorwahlkampf der Geschichte”. Mangels solider Mehrheiten regierte Pedro Sánchez überwiegend per Dekret und hatte dabei immer mögliche Neuwahlen im Blick. Er hat den Mindestlohn um 22 Prozent
angehoben, die Renten erhöht, sich gegen Mieterhöhungen eingesetzt. Auch der Staatshaushalt, das angeblich “sozialste Budget der Geschichte des modernen Spaniens” setzte dezidiert linke Akzente. Er sah unter anderem eine deutliche Erhöhung des Pflegebudgets, eine Verlängerung der
Elternzeit, mehr Geld gegen Kinderarmut und für sozialen Wohnungsbau vor. Dass der Haushaltsplan der Minderheitsregierung letztlich im Parlament keine Mehrheit fand, weil er am Widerstand der katalanischen Unabhängigkeitsparteien scheiterte, gehörte wohl zum Kalkül. Ebenso, dass Sánchez danach eine Neuwahl ansetzte. “Sowohl der Zeitpunkt der Ausrufung wie auch der Termin waren von langer Hand geplant”, glaubt Politologe Joan Botella von der Universidad de Barcelona. “Je kürzer der Wahlkampf, desto mehr können die Sozialisten vom positiven, progressiven Image ihrer Amtszeit profitieren.”

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