/Zeitmanagement: “Die antiken Römer hatten vermutlich auch schon Zeitprobleme”

Zeitmanagement: “Die antiken Römer hatten vermutlich auch schon Zeitprobleme”

Die Klausur ist in einer Woche, die Hausarbeit schon morgen fällig. Warum läuft uns immer die Zeit davon? Ein Psychologe erklärt, warum schlechte Planung menschlich ist.

Der Klassiker: Ein ganzes Semester ist die Zeit da, sich auf die Prüfung vorzubereiten, aber irgendwie ist alles andere wichtiger. Dann ist plötzlich nur noch eine Woche Zeit bis zur Klausur. Stress kommt auf. Ärgerlich, dass man nicht viel früher mit dem Lernen angefangen hat. Warum ist immer irgendwie zu wenig Zeit da? Der Psychologe Alexander Häfner hat über Zeitmanagement promoviert und erklärt, warum es uns so schwerfällt, vernünftig mit ihr umzugehen.

ZEIT Campus ONLINE: Herr Häfner, vielen von uns scheint ständig die Zeit davonzulaufen. Wie kommt das?

Alexander Häfner: Die meisten Menschen denken vorwiegend in Best-Case-Szenarien. Es fällt ihnen schwer, mögliche Störungen und Hindernisse einzuplanen und während der Arbeit Störfaktoren auszublenden. Da nimmt man sich beispielsweise vor, am Samstag den ganzen Tag zu lernen, blendet aber aus, dass noch die Küche geputzt werden muss und ein Freund vorbeikommen wollte, um das Fahrrad zu reparieren. Das scheint auch mit ein Grund zu sein, warum sich Großprojekte wie der Berliner Flughafen stark verzögern: Da wurden Störungen nicht bedacht. Es ist eigentlich klar, dass Hindernisse auftreten, aber in der Planung sind sie oft nicht berücksichtigt.

ZEIT Campus ONLINE: Das klingt nicht nach neuen Problemen.

Häfner: Sicher nicht. Der Mensch hat die Neigung, den Nutzen von Aufgaben, die sich erst langfristig lohnen, stark abzuwerten. Was sich in der Gegenwart nicht lohnt, schieben wir auf die lange Bank. Das ist uns quasi angeboren und entstanden ist dieses Verhalten nicht erst in den vergangenen Jahren. Wenn wir die Möglichkeit hätten, die antiken Römer zu befragen, hätten die vermutlich auch schon Zeitprobleme.

ZEIT Campus ONLINE: Ist unser Gehirn dazu veranlagt, den kurzfristigen Nutzen immer voranzustellen?

Häfner: Absolut, wir sind stark kurzfristig orientiert. Als Kinder noch stärker als im Erwachsenenalter, das zeigen Studien. Es gibt ein Experiment, in dem Kindern angeboten wird: Du kannst jetzt einen Keks haben oder fünf Kekse in einer halben Stunde. Die meisten Kinder entscheiden sich für den einen Keks, den sie sofort bekommen. Ganz wenige sind in der Lage, sich auf den Belohnungsaufschub einzulassen. Wenn wir erwachsen werden, bessert sich das. Aber es verschwindet nie ganz. Das zeigt sich beispielsweise in der privaten Altersvorsorge – die wird aufgeschoben, weil sie erst viel später Nutzen abwirft. Deswegen fällt es auch vielen schwer, neue Sprachen zu lernen. Sie schreiben sich zwar in den Sprachkurs ein, gehen auch ein paar Mal hin, aber halten dann nicht bis zum Ende durch.

ZEIT Campus ONLINE: Deshalb ist zum Jahresanfang das Fitnessstudio brechend voll, leert sich aber nach ein paar Wochen wieder?

Häfner: Genau. Alles, was langfristig erst Nutzen stiftet, dafür müssen wir arbeiten. Das fällt uns schwer. Wir brauchen Disziplin. Das heißt nicht, dass wir die Sprache nicht lernen oder dass wir nicht abnehmen wollen. Aber im Alltag kommen andere Dinge dazwischen, die uns wichtiger erscheinen, weil sie kurzfristiger Nutzen bringen. Und so kommen wir von guten Vorsätzen und Plänen wieder ab.

ZEIT Campus ONLINE: Mich haben schon im Studium diese Leute fasziniert, die es geschafft haben, gut zu planen, am Ball zu bleiben, Vorlesungsinhalte regelmäßig nachzuarbeiten. Die hatten vor den Prüfungen in der Regel viel weniger Stress als wir anderen. Gibt es Typen, die das einfach besser können, oder haben die heimlich trainiert?

Häfner: Die psychologische Forschung geht von insgesamt fünf grundlegenden menschlichen Persönlichkeitseigenschaften aus, den Big Five. Eine davon ist Gewissenhaftigkeit. Und Menschen, die generell sehr gewissenhaft sind, schieben weniger auf, planen mehr und sind besser im Zeitmanagement. Diese Eigenschaften haben genetische Komponenten, sie sind aber auch beeinflusst von anderen Faktoren wie Erziehung oder Umgebung. Somit gibt es durchaus Menschen, denen der Umgang mit Zeit besser gelingt.

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