/Terror Sri Lanka: Wie im Bürgerkrieg

Terror Sri Lanka: Wie im Bürgerkrieg

Die tödlichen Anschläge von Sri
Lanka
wecken unter vielen Bürgerinnen und Bürgern allzu vertraute Erinnerungen
an vergangen geglaubte Gewalt. “Wir stehen völlig
unter Schock”, sagte Gagani Weerakoon, stellvertretende Newsressortleiterin der
Tageszeitung Ceylon Today, in einem Telefonat mit ZEIT ONLINE. Sie beschrieb die sri-lankische Hauptstadt Colombo am späten Sonntagabend als eine Geisterstadt, in
der nur Behördenmitarbeiter, Journalisten und Soldaten auf der Straße seien. “Es
ist noch nicht lange her, dass wir so etwas erlebt haben.” Sie bezog sich auf den Bürgerkrieg von 1983 bis 2009.

Der April war in Sri Lanka festlich
gewesen. Am 14. April hatten Singhalesen und Tamilen Neujahr gefeiert. Dann
stand Ostern an. Jetzt haben die Anschläge vom Ostersonntag das Land tief erschüttert. Präsident Maithripala Sirisena will einen bedingten Ausnahmezustand verhängen. Von Mitternacht an soll er gelten. Der Dienstag wurde zum landesweiten Trauertag erklärt. Unterdessen hat die Polizei zahlreiche weitere Zünder entdeckt, und bei der Entschärfung einer Autobombe in Colombo soll es zu einer erneuten Explosion gekommen sein.

Zwar hat noch keine
Organisation selbst die Verantwortung für die Attentate übernommen. Doch am
Montagnachmittag (Ortszeit) benannte Sri Lankas Regierung die radikalislamische
Gruppe National Thowheeth Jama’ath als Urheber. Wie CNN berichtet, soll die Gruppe die Terrororganisation Islamischer Staat als Vorbild haben.

Warnung aus Indien

Zuvor hatte es Hinweise auf
Anschlagspläne der Gruppe gegeben. “Es gab Informationen”, sagte Premierminister
Ranil Wickremesinghe schon auf einer Pressekonferenz am Sonntag. Er erklärte jedoch, über die Warnungen nicht informiert worden zu sein. Viele Bürgerinnen und Bürger sind aufgebracht und wütend über das Versagen seiner Regierung.    

Die
indische Tageszeitung The Indian Express
hatte unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet
, Indien habe Geheimdienstinformationen über einen möglichen Anschlag auf Kirchen
und die indische Auslandsvertretung in Colombo an die Behörden
Sri Lankas weitergegeben. Die Warnungen bezogen sich demnach auf National
Thowheeth Jama’ath. Die Gruppe wird mit der
Beschädigung von Buddhastatuen in Sri Lanka in Verbindung gebracht und ist auch
im indischen Staat Tamil Nadu aktiv.

Auf
der Grundlage der indischen Informationen gab
der sri-lankische Polizeichef am 11. April eine landesweite Warnung vor möglichen
Selbstmordattentaten
heraus. Womöglich reagierten die Verantwortlichen
wegen der Feiertage – und gewöhnt an zehn Jahre Frieden – nicht angemessen
darauf. 

Internationale Verbindungen

Mehrere Experten und die Regierung vermuten
internationale Verbindungen hinter den Anschlägen. Schon
das Ausmaß der Attacken und die vermutlich dafür erforderliche detaillierte Vorbereitung
hatten auf das Werk einer organisierten terroristischen Gruppe hingedeutet, die bewusst religiöse und touristische Orte als Ziele wählte. Der Tourismus ist für die Wirtschaft
Sri Lankas von zentraler Bedeutung.

Kabir
Taneja, Experte für Terrorismus und transnationale dschihadistische Gruppen aus
Indien, bringt die Anschläge mit ähnlichen Vorkommnissen in anderen Ländern in
Verbindung. “Die Attacken waren sehr gut koordiniert”, sagt er, “und zwar von
jemandem, der das schon einmal getan hat.” Die Tatsache, dass Hotels und
Kirchen angegriffen wurden, wertete Taneja als Hinweis “auf eine transnationale
islamistische Organisation. Wir haben so etwas auch in den jüngsten Attacken
auf Kirchen etwa in Indonesien, den Philippinen, im Irak und Syrien gesehen.”

Sri Lanka ist ein ethnisch und
religiös sehr komplexes Land – und deshalb voller Spannungen. Dem
Zensus von 2012 zufolge
sind 70 Prozent der
fast 22 Millionen Einwohner Buddhisten, 12,6 Prozent Hindus, 9,7 Prozent Muslime
und 7,6 Prozent Christen.

Im fast 30 Jahre währenden Bürgerkrieg zwischen
den tamilischen Befreiungstigern und der Regierung spielte Religion jedoch eine
eher untergeordnete Rolle. Der Krieg wurde überwiegend entlang nationalistischer und ethnischer
Konfliktlinien geführt. Doch seit Kriegsende ist es zwischen Buddhisten und Muslimen immer häufiger zu lokal
begrenzten Spannungen und Gewalttaten gekommen
. Im März 2018 beispielsweise griffen
buddhistische Hardliner Angehörige der muslimischen Minderheit an; es kam zu
Zusammenstößen in Kandy und Ampara
.

Ob die Angriffe vom
Ostersonntag damit in Verbindung stehen, ist unklar – denn diesmal waren
Christen das Ziel. Doch es könnte sein, dass manche Muslime durch vergangene Anschläge
radikalisiert wurden. Auf
Twitter schreibt der kanadische Extremismusforscher Amarnath Amarasingam darüber
. Er erwähnt auch Gerüchte, denen zufolge radikale muslimische Gruppen angeblich Geld aus den Golfstaaten bekommen.

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