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Terrorismus: Was wir über die Anschlagsserie in Sri Lanka wissen

Nach einer Serie von Bombenattentaten ist Sri Lanka im Ausnahmezustand. Was wussten die Behörden, wie geht es dem Land politisch? Die wichtigsten Fragen und Antworten

21. April 2019, 19:52 Uhr

Terrorismus:  Soldaten stehen vor der Sankt-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo. Das Gebäude wurde von einer Explosion erschüttert.

Soldaten stehen vor der Sankt-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo. Das Gebäude wurde von einer Explosion erschüttert.
© Chamila Karunarathne/AP/dpa

Mindestens 215 Tote und 450 Verletzte: Die Anschlagsserie am Ostermontag hat Sri Lanka in den Ausnahmezustand versetzt. Weltweit haben Staatsoberhäupter ihr Beileid bekundet. Die Attentate sind die schwersten in dem Land seit dem Ende des
Bürgerkrieges vor zehn Jahren. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie verlief der Anschlag?

Insgesamt gab es acht Detonationen in drei Kirchen, vier Hotels und einem Wohngebiet. Die ersten Explosionen erfolgten am Morgen fast zeitgleich in den drei Kirchen, als dort gerade die
Ostergottesdienste abgehalten wurden. Bei den Kirchen handelt es sich um die Sankt-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo,
die Sankt-Sebastian-Kirche im rund 30 Kilometer von der Hauptstadt
entfernten Negombo sowie die Zionskirche in Batticaloa, rund 250
Kilometer östlich von Colombo.

Außerdem
gab es Explosionen in den Luxushotels Shangri-La, Cinnamon Grand und
Kingsbury in Colombo, die in etwa zeitgleich mit den Detonationen in den Kirchen geschahen. Dort sollen auch Ausländer verletzt worden sein. Später am Tag wurde eine siebte Explosion in einem kleinen Hotel in einem
Vorort der Hauptstadt Colombo mit zwei Toten gemeldet. Eine achte
Explosion ereignete sich am Nachmittag (Ortszeit) in einer Wohngegend in
Dematagoda, einem anderen Vorort Colombos. Ob die Explosionen koordiniert waren, ist noch nicht bestätigt, die zeitliche Nähe lässt es aber vermuten.

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Was ist über die Verdächtigen bekannt?

Der stellvertretende
Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene sprach von einem
“terroristischen Vorfall” und machte “extremistische Gruppen”
für den Anschlag verantwortlich. Bislang hat sich aber niemand zu den Attentaten bekannt. Nach Angaben der Polizei gab es inzwischen 13 Festnahmen. Bei den Verdächtigen handelt es sich laut Regierungschef Ranil Wickremesinghe um Einwohner des Inselstaats, allerdings gingen die
Behörden auch möglichen Verbindungen ins Ausland nach.

Polizeichef Pujuth Jayasundara hatte bereits vor zehn Tagen nach
Hinweisen ausländischer Geheimdienste vor Anschlägen auf Kirchen
gewarnt. Als potenzielle Täter nannte der ranghöchste Polizist Sri Lankas
die National Thowheed Jama’ath (NTJ), eine Organisation muslimischer
Tamilen, die in der Öffentlichkeit 2018 durch die Zerstörung von Buddhastatuen bekannt wurde. Der Minister für Umsiedlungen und Wiedereingliederung, Mahmud Lebbe Alim Mohammed Hisbullah,
warnte jedoch vor voreiligen Schuldzuweisungen. “Die Ermittlungen laufen. Aber
es gibt keine Beweise gegen eine spezielle Partei, Gemeinschaft oder
Gruppe”, sagte der muslimische Politiker in einem Interview mit dem malaysischen Nachrichtenportal The Leaders
Online.

Premierministers Ranil Wickremesinghe bestätigte in einer Fernsehansprache am Sonntagabend, dass dem Geheimdienst Hinweise auf einen möglichen Anschlag vorgelegen haben. Es müsse untersucht werden, warum keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden seien, sagte Wickremesinghe. Vorrangiges Ziel sei es jedoch zunächst, “die Terroristen zu fassen”.

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Wer sind die Opfer?

Unter den 215 Toten sind nach Angaben der Tourismusbehörde 32 Ausländer aus acht Staaten. Bei den Anschlägen seien neben Bürgerinnen und Bürger Sri Lankas auch Menschen aus Indien, den USA,
Großbritannien, Portugal, China, den Niederlanden, Belgien und der
Türkei getötet worden.

Laut dem sri-lankischen Außenministerium sind die Nationalitäten von elf ausländischen Opfern inzwischen verifiziert worden. Drei Personen hätten die
britische Staatsbürgerschaft, zwei die britische und die amerikanische,
zwei die türkische, drei die indische und eine Person die
portugiesische Staatsangehörigkeit. Neun Ausländer seien als vermisst
gemeldet.

Der niederländische Außenminister Stef Blok schrieb auf Twitter, eine Niederländerin sei bei den Anschlägen getötet worden. Chinesischen Staatsmedien zufolge starb bei den Anschlägen auch eine Person mit chinesischer
Staatsangehörigkeit. US-Außenminister Mike Pompeo bestätigte auch mehrere US-Bürger unter den Opfern, nannte dabei aber keine Zahl.

Die deutsche Botschaft in Sri Lanka
steht laut Außenminister Heiko Maas mit den lokalen Behörden in Kontakt und
bemüht sich um Aufklärung über mögliche deutsche Opfer. Das Auswärtige Amt richtete einen Krisenstab ein. Besorgte
Angehörige können sich unter 030/500 00 melden.

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Wie ist die politische Lage in Sri Lanka?

Jahrzehntelang führten
die Minderheit der Tamilen im Norden des Landes und andere Rebellen in Sri Lanka einen Bürgerkrieg. Die Rebellengruppe Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) hatte für
einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden des Landes gekämpft. Nach UN-Angaben starben in dem Konflikt bis zu 100.000
Menschen. Allein in den letzten Kriegsmonaten sollen UN-Schätzungen
zufolge 40.000 Zivilisten getötet worden sein. Mehr als 300.000 Männer,
Frauen und Kinder wurden vertrieben, viele leben noch immer in
staatlichen Auffanglagern.Die
Armee ging gegen die Aufständischen vor und besiegte sie
schließlich. Der Bürgerkrieg endete 2009 nach 26 Jahren. Die UN wirft beiden Seiten Kriegsverbrechen vor.

Ende vergangenen Jahres befand sich Sri Lanka in einer politischen Krise. Staatspräsident Maithripala Sirisena hatte im Oktober eigenhändig Regierungschef Wickremesinghe entlassen und den ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa (UPFA) als dessen Nachfolger eingesetzt. Rajapaksa hatte 2015 nach fast zehn Jahren im Amt überraschend die Präsidentenwahl gegen seinen Parteikollegen Sirisena verloren. Zuvor waren Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Vetternwirtschaft gegen ihn laut geworden. Er und seine Familie hatten den Inselstaat zunehmend autokratisch regiert.

Wickremesinghe wertete die Vereidigung seines Nachfolgers als illegal und kündigte gerichtliche Schritte an. Rajapaksa gelang es in der Folgezeit nicht, ein Vertrauensvotum des Parlaments zu erhalten. Auch der Versuch von Präsident Sirisena, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen, scheiterte, da er vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt wurde. Daraufhin erklärte Rajapaksa seinen Rücktritt und Wickremesinghe wurde am 16. Dezember 2018 erneut als Premierminister vereidigt. Präsident Sirisena ist bis heute im Amt. 

Im Demokratieindex der britischen Zeitschrift The Economist belegte Sri
Lanka 2018 den 71. Platz und gilt damit als “unvollständige
Demokratie”.

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Wie ist die Menschenrechtslage?

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte in ihrem Länderbericht 2017 die auch nach dem Bürgerkrieg weiter existierenden Menschenrechtsprobleme in dem Land. Die Behörden griffen demnach immer noch auf das Antiterrorgesetz zurück, um Tatverdächtige festzunehmen und zu inhaftieren. Menschen in Polizeigewahrsam würden gefoltert oder anderweitig misshandelt, und es herrsche weiterhin Straflosigkeit für Fälle von Verschwindenlassen und andere Menschenrechtsverletzungen.

Im Mai 2016 berichtete der UN-Sonderberichterstatter über Folter und
andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafen
in Sri Lanka. Er stellte fest, dass die Polizei nach wie vor schwere
Formen von Folter im Rahmen von Kriminalermittlungen anwendet. Straflosigkeit sei
sowohl für alte wie für neue Fälle von Menschenrechtsverletzungen noch
immer an der Tagesordnung. Auch Human Rights Watch berichtet von regelmäßiger Folter in dem Land.

Der Inselstaat von der Größe Bayerns hat gut 20
Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Nur
etwa sieben Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Christen, die
Mehrheit ist buddhistisch. Zwischen den Religionsgemeinschaften und
ethnischen Gruppen kommt es in dem Land regelmäßig zu Auseinandersetzungen und Kämpfen. Radikale buddhistische
Mönche schüren Hass und Gewalt vor allem gegen die
muslimische, aber auch gegen die christliche Minderheit. Immer wieder
kommt es zu antimuslimischen Angriffen wie im Mai 2018, als radikale
Buddhisten in Kandy Moscheen verwüsteten, muslimische Geschäfte
brandschatzten und mindestens drei Menschen töteten. 

Sri Lanka ist auch heute noch
gespalten: Die buddhistische Mehrheit, die im Süden des Landes lebt,
dominiert Politik, Wirtschaft und
Militär. Die Tamilen leben im Norden und sind zu 80 Prozent Hindus, die
anderen 20 Prozent
Christen und Muslime. 

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Was müssen Reisende in Sri Lanka beachten?

Das Auswärtige Amt hat seine
Reisehinweise für Sri Lanka nach den Anschlägen aktualisiert.
Reisende in dem südostasiatischen
Inselstaat werden gebeten, die Anschlagsorte weiträumig zu meiden,
die lokalen Medien zu verfolgen, engen Kontakt zu Reiseveranstaltern
und Fluggesellschaften zu halten und Anweisungen von
Sicherheitskräften Folge zu leisten.
Das Krisenreaktionszentrum des
Auswärtigen Amtes bittet Reisende außerdem, sich bei Verwandten
und Freunden möglichst per Telefonanruf oder SMS zu melden und
die verhängte Ausgangssperre bis zum Morgen des 22. Aprils
(Ortszeit) zu beachten. Die Telefon- und Internetverbindungen in Sri
Lanka können derzeit überlastet sein.

Nach Auskunft der Flughafenbehörde
sind Fahrten zum Flughafen mit gültigem Reisepass und Flugticket
trotz der Ausgangssperre erlaubt. Wer vom Flughafen Bandaranaike fliegen will, sollte sich laut dem Auswärtigen Amt vier Stunden
vor Abflug am Flughafen einfinden. Das gilt bis auf Weiteres für
Passagierinnen und Passagiere aller Fluglinien. Mit weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen
wie Absperrungen, aber auch Einschränkungen im Flugverkehr und
verstärkten Kontrollen vor dem Betreten des Flughafengebäudes und
dem Abflug sei zu rechnen. Laut dem staatlichen
Nachrichtenportal news.lk dürfen nur Passagiere mit gültigen
Tickets das Flughafengebäude betreten. Bandaranaike ist einer von
zwei Flughäfen auf Sri Lanka, die vom internationalen Flugverkehr
angeflogen werden. Er befindet sich rund 35 Kilometer nördlich von Colombo,
wo sich der Großteil der Anschläge ereignete.

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