/“Pose”: Seifenoper der großen Gefühle

“Pose”: Seifenoper der großen Gefühle

Am Anfang
von Pose steht der Heist des Jahrhunderts. Um sich für eine besonders
wichtige Veranstaltung einzukleiden, bricht Elektra Abundance, die
unangefochtene Königin der New Yorker Ballroom-Szene, in das berühmteste Museum
der Welt ein. Mit den Mitgliedern des von ihr angeführten House Of Abundance plündert
sie eine Ausstellung über aristokratische Bekleidungsgepflogenheiten im Museum
Of Modern Art, weitgehend unbehindert durch das Sicherheitspersonal. Nach einer
spektakulären Flucht auf Stöckelschuhen legt die Truppe einen ebenso spektakulären
Ballroom-Auftritt in royalen Roben und Krönchen hin, bis die Polizei die Party
beendet.

Alles, was die Serie Pose von Ryan Murphy und Brad Falchuk (Glee, Nip/Tuck, American Horror Story) ausmacht,
steckt bereits in diesem Auftakt: der Glamour, die Atemlosigkeit, der Clash
zwischen Subkultur und Norm. Und der rührend unplausible Zugang: Elektra und
Co. kommen nach ihrem MoMa-Einbruch mit einer Verwarnung davon.

Pose ist vielleicht nicht die beste
Fernsehserie des bisherigen Jahres. Andere Shows erzählen ihre Geschichten stringenter
und anspruchsvoller, sie können sich auf Ensembles verlassen, die ausgewogener
besetzt sind. Man kann aber sagen, bei vollem Bewusstsein und mit bestem
Gewissen, dass Pose DAS Fernsehereignis des bisherigen Jahres ist. Aus
einer TV-Landschaft, die ihre Faszination für das Böse und ihre Verschwisterung
mit zynischen Antihelden in immer komplexeren, kostspieligeren Produktionen und
mit immer obszönerer Starpower zelebriert, ragt sie als Seifenoper der großen
Gefühle heraus.

Wie nötig
diese Serie war, zeigt sich schon daran, dass man weit ausholen muss, um ihren
Plot zu erklären. Im Manhattan der Achtzigerjahre war die Ballroom Culture ein
Zufluchtsort für queere und Transmenschen mit latein- und afroamerikanischem
Hintergrund. Viele von ihnen lebten auf der Straße und schlugen sich als
Prostituierte oder Drogendealer durchs Leben, bis sie Unterschlupf in einem
jener houses fanden, aus denen sich die Szene zusammensetzte. Diese houses
waren eine Mischung aus Ersatzfamilie und Sportverein: Bei wöchentlichen
Ballroom-Events traten ihre Mitglieder in diversen Tanz- und Posingkategorien
gegeneinander an. Es ging um Selbstermächtigung und sehr große Pokale.

Pose, das in den USA schon im vergangenen Jahr auf dem Pay-TV-Kanal FX lief, erzählt von der Rivalität zwischen
Elektra (Dominique Jackson) und ihrer einstigen Ziehtochter Blanca (Mj
Rodriguez). Während Elektra ihren Laden im Stile einer mürrischen Königin
führt, setzt Blanca in ihrem neu gegründeten House Of Evangelista auf Mitgefühl.
Sie adoptiert zunächst den obdachlosen Tänzer Damon (Ryan Jamaal Swain) und die
Prostituierte Angel (Indya Moore) sowie deren jeweilige Sorgen. Durch Angel
ergibt sich eine Verbindung zwischen der Welt von Pose und jenem New
Yorker Paralleluniversum der Achtzigerjahre, das man aus Filmen wie Wall
Street
kennt: Die junge Transfrau beginnt ein Verhältnis mit dem
Republikaner-Traumsöhnchen und Trump-Tower-Emporkömmling Stan (Evan Peters).

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