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Elektroautos: Schlangen vor den Schnellladestationen

Christian Martinsen hat Glück an diesem Montagmorgen. Es ist erst
halb acht, doch auf dem Parkplatz in der Innenstadt von Norwegens Hauptstadt Oslo ist nur noch eine
Lücke frei. Martinsen manövriert seinen Tesla Model X rückwärts hinein
und rückt die Parkscheibe zurecht. “Normalerweise komme ich mit dem Bus zur
Arbeit”, sagt er, während er den Wagen abschließt. “Aber weil ich später noch
mit dem Auto zu Terminen muss, ist es praktisch, dass ich hier drei Stunden
umsonst parken kann.” Mitten in der Stadt kostenfrei parken darf Martinsen,
weil er ein Elektroauto fährt. Um seinen Wagen herum steht eine ganze
Kollektion von Fahrzeugen, einige sind mit einer Ladesäule verbunden. Manche kommen aus Deutschland, aber sind im Land ihrer Herstellung bisher kaum auf der Straße zu sehen: der E-Golf, der BMW i3, außerdem Modelle von Nissan,
Renault und eben Tesla. 

Es ist kein Wunder, dass die Lücken auf dem Parkplatz für
E-Fahrzeuge rar geworden sind. Weil der Staat die E-Mobilität großzügig
fördert, sind batteriebetriebene Fahrzeuge in Norwegen längst Alltag. Im ersten Quartal des Jahres hatte knapp die Hälfte der neu
zugelassenen Autos einen reinen Elektroantrieb
. Die Zahl der Elektro- und Hybridfahrzeuge hat sich in den vergangenen drei Jahren mehr als
verdoppelt. Mehr als jedes zehnte Auto, das durch Oslo
fährt, ist bereits elektrisch betrieben. In Deutschland träumt man von solchen Zahlen.

Der E-Auto-Boom in Norwegen ist das Ergebnis des Nationalen Transportplans: Im Jahr 2025 sollen dort nur noch Autos zugelassen werden, die im Betrieb keine Emissionen verursachen. Man müsse sich ehrgeizige Ziele setzen, heißt es bei der
Regierung, die aus Konservativen, Liberalen und der rechtspopulistischen
Fortschrittspartei besteht. Die “Klima-Herausforderung” mache das nötig, sagt Umweltstaatssekretär Sveinung Rotevatn. Das Land will seine
Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent reduzieren. Dabei bezieht das Land seinen Strom schon heute fast ausschließlich aus erneuerbaren Energien, vor allem Wasserkraft. Um noch klimafreundlicher zu werden, müssen sich die Norwegerinnen und Norweger anders fortbewegen als bisher. Der Staat fördert das mit zahlreichen Anreizen. 

Die Privilegien bringen Probleme mit sich

Wer in Norwegen ein Auto kaufen will, muss normalerweise nicht
nur 25 Prozent Mehrwertsteuer zahlen, sondern auch eine Erwerbssteuer, deren
Höhe vom Schadstoffausstoß und Gewicht des Autos abhängt. Daher
gilt: Je mehr Schadstoffe ein Auto ausstößt und je mehr es wiegt, desto teurer
ist es. Doch auch für einen vergleichsweise kompakten VW Golf müssen die Norweger
umgerechnet 35.000 Euro hinlegen: etwa 23.000 Euro für das Auto plus
12.000 Euro Steuern. So zeigt es eine Beispielrechnung des Verbands der Elektroautobesitzer.

Diese Abgaben fallen weg, wenn man sich für ein E-Auto entscheidet. Der E-Golf
ist daher trotz des höheren Grundpreises unterm Strich sogar rund hundert Euro günstiger als
sein Pendant mit Verbrennungsmotor. Bei größeren Autos in der SUV-Klasse kann
der Unterschied noch deutlich höher ausfallen: “Ich hätte das Doppelte für einen
Wagen in vergleichbarer Größe bezahlt”, sagt Tesla-Fahrer Christian Martinsen.

Lange durften die Fahrer von Elektroautos auch
kostenlos parken und Mautstraßen sowie Fähren gebührenfrei nutzen. Doch je mehr
Menschen ein E-Auto kauften und die Privilegien nutzten, desto spürbarer wurden
die fehlenden Einnahmen für den Staat. Inzwischen hat die Regierung
beschlossen, dass Parkplätze, Mautstraßen und Fähren für E-Autos nicht mehr
kostenlos sein müssen. Die Kommunen entscheiden vor Ort, wie hoch die Gebühren
sind. Allerdings dürfen die E-Auto-Besitzer maximal die Hälfte des Betrags
bezahlen, den die Fahrer konventioneller Fahrzeuge berappen müssen.

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