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Libyen: Ohne General Haftar geht nichts mehr

Der Vormarsch von General Chalifa Haftar begann im Osten Libyens, in der Cyrenaika – und offenbar bewegten ihn seine dortigen Erfolge, auch Tripolis anzugreifen. In den Städten Bengasi und Derna, die zur Cyrenaika gehören, besiegte Haftars Libyan National Army (LNA) radikale islamistische Gruppen. Danach besetzte sie in kürzester Zeit und ohne auf viel Widerstand zu stoßen die südwestliche Provinz Fessan. 

Zahlreiche lokale Milizen
stellten sich dort auf die Seite der LNA. Diese schaffte es, mehrere kriminelle
Gruppen aus dem benachbarten Tschad, unter denen die lokale Bevölkerung
jahrelang gelitten hatte, aus dem Land zu drängen, Stammeskonflikte – zumindest vorerst – zu beenden und die Lebensumstände für die
Mehrheit der Bevölkerung zu verbessern. Den meisten Menschen im Osten
und Süden gilt Haftar als Held.

Vermutlich dachte Haftar, dass er Tripolis ähnlich schnell einnehmen könnte wie den Fessan. Doch dann scheiterte sein Überraschungsangriff vom 4. April, weil bestimmte Milizen neutral blieben, statt zu Haftar überzulaufen. Als sich auch noch die Stadt Misrata, die größte Militärmacht Westlibyens, auf die Seite der Verteidiger von Tripolis stellte, kam Haftars Offensive zum Erliegen. Jetzt herrscht auf dem Schlachtfeld mehr oder weniger ein Patt. 

Klar ist aber, dass die seit mehr als vier Jahren anhaltenden Friedensbemühungen der Vereinten Nationen für Libyen dem Land keine Stabilisierung gebracht haben – und dass die dortige Gewalt und Unsicherheit auch Auswirkungen haben auf die Europäische Union. Und damit auf Deutschland.

Milizen, manche islamistisch

Die Vereinten Nationen konzentrieren sich auf das Libya Political Agreement (LPA), das im Dezember 2015 nach langen Verhandlungen in Marokko unterzeichnet wurde. Es etablierte eine Regierung der Nationalen Einheit unter Fajis al-Sarradsch, die wenig später vom UN-Sicherheitsrat als libysche Regierung anerkannt wurde. Doch es gab ein Problem: Die Libyer, die damals das LPA unterzeichneten, waren weder repräsentativ für die mächtigsten Gruppen des Landes noch für die Bevölkerung. Und bisher hat das Parlament die Einheitsregierung noch nicht bestätigt, wie es das LPA eigentlich vorsieht. Wie rechtmäßig ist sie also?

Die Regierung in Tripolis mag international anerkannt sein. Aber sie wird von den Milizen der Stadt beherrscht, unter ihnen radikale Islamisten und Kriminelle. Die meisten Menschen im Osten wollen einer solchen Regierung nicht unterstellt sein.

Jetzt verteidigen die Milizen von Tripolis, zusammen mit den mächtigen Milizen aus Misrata, die Hauptstadt. Unterstützt werden sie von weiteren bewaffneten Gruppen mit zweifelhaftem Ruf. Unter ihnen sind die Al-Kaida-nahen Al-Faruk-Brigaden aus Zawya, die radikalen Islamisten der Saraya Defend Benghazi und die Jabhat al-Sumood von Salah Badi, einem Milizenführer aus Misrata. Die Vereinten Nationen haben Badi mit Sanktionen belegt, nachdem er im vergangenen September Tripolis angriff und dabei auch Wohngebiete unter Beschuss nahm.

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