/Daniel Günther: “Ich bin ein Spießer”

Daniel Günther: “Ich bin ein Spießer”

DIE ZEIT:
Herr Ministerpräsident, nichts scheint Ihre Partei mehr zu freuen, als wenn sie irgendwo
einen Grünen am Flughafen erblickt oder mit einem Pappbecher in der Hand – obwohl die Grünen
doch gegen Flüge und Wegwerfprodukte sind. Dann wird das Bild sofort in sozialen Medien
verbreitet und hämisch kommentiert. Die Freude im eigenen Laden ist riesig. Ist das nicht
ein bisschen kindisch?

Daniel Günther:
Doch. Ehrlich gesagt finde ich es ziemlich bescheuert, darüber zu feixen. Ich finde es aber
auch problematisch, wenn Leute bei diesem Thema ideologisch verbohrt sind. Und auf
Widersprüche bei manchen Grünen darf man schon hinweisen.

ZEIT:
Was heißt für Sie ideologisch verbohrt?

Günther:
Wer anfängt, das gesamte Leben reglementieren zu wollen: keine Autorennen, am besten gar
keine Autos, kein Fast Food mehr – der nimmt auch ein Stück Freude am Leben. Da übertreiben
es manche Grüne. Ich kenne aber auch viele, die nicht ständig mit erhobenem Zeigefinger
herumlaufen, die sind mir deutlich lieber.

ZEIT:
Klima ist für Sie nicht das wichtigste Thema?

Günther:
Es ist ein sehr wichtiges Thema. Ein absolut gleichrangiges Ziel aber ist doch, dass wir im
Frieden leben und nicht Kriege gegeneinander führen. Deswegen kann man nicht sagen: Alles
andere als das Klima spielt erst einmal keine Rolle, wir tun alles, um nur noch dieses eine
Ziel zu erreichen. So funktioniert Politik nicht. Eine solche Politik wird die Gesellschaft
spalten und lässt Menschen zurück, die nicht mehr folgen können.

ZEIT:
Noch mal nachgefragt: Umweltschutz ist wichtig, aber das Gewerbegebiet ist im Zweifel
wichtiger?

Günther:
Nein. Aber viele Entscheidungen für einen schnelleren Ausbau von Infrastruktur sind auch
ökologisch viel sinnvoller als das, was wir gerade machen. Wenn wir zum Beispiel die A 20 in
Schleswig-Holstein schon hätten, hätten wir viel weniger Verkehrslärm und Schadstoffausstoß,
als wir derzeit durch den Stau haben, der täglich in Richtung Hamburg entsteht.

ZEIT:
Wenn es um die Auseinandersetzung mit den Grünen geht, sprechen Sie als CDU oft von der
Verbotspartei, die moralisch hochtrabend daherkomme. Ist Moral in der Politik fehl am
Platz?

Günther:
Nein. Ich habe die Grünen auch nicht in diese Ecke gestellt. Nur klappt das Überzeugen
gesellschaftlich besser, wenn man auf marktwirtschaftliche Instrumente setzt, auf
Anreizsysteme also. Aber machen wir uns nichts vor: Verhaltensänderung hat auch etwas mit
Kosten zu tun. Ich selbst bin das beste Beispiel. Wenn ich früher morgens beim Bäcker
Brötchen geholt habe, habe ich jedes Mal dankend eine Plastiktüte genommen, wenn es geregnet
hat, damit meine Brötchen nicht nass werden. Meine Frau sagte dann immer: “Wir haben hier
einen schönen Stoffbeutel. Nimm den doch mit.” Genommen habe ich den erst, als der Bäcker
für die Plastiktüte Geld verlangt hat. Aus einem ähnlichen Grund brauchen wir auch eine
CO₂-Bepreisung. Wir haben dazu eine Bundesratsinitiative gestartet – und das ist mit FDP und
mit CDU in Schleswig-Holstein gelungen!

ZEIT:
Warum gelingt es im Bund nicht? Man hat den Eindruck: Hinter vorgehaltener Hand sind viele
dafür.

Günther:
Es ist genau so: Hinter vorgehaltener Hand sind alle dafür, aber alle haben Angst, gleich
in der Kritik zu stehen. Wenn in der Zeitung steht: CDU will Autofahren teurer machen,
fragen uns die Leute sofort: Habt ihr noch alle Latten am Zaun? Aber das sollte uns nicht
davon abhalten, dafür zu stehen und zu erklären, dass dafür an anderen Stellen die
Besteuerung von Energie abgesenkt wird.

ZEIT:
Sie regieren mit den Grünen, andererseits sind Sie politische Konkurrenten. Wo sind die
Grünen angreifbar?

Günther:
Ich mag das Wort “angreifen” nicht besonders. In der Politik haben wir uns zu sehr
angewöhnt, Unterschiede mit Angriffen auf den politischen Gegner deutlich zu machen. Ich
glaube, man sollte eher das positive Eigene herausstellen.

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