/Mueller-Bericht: Ein Zeichen der Demokratie

Mueller-Bericht: Ein Zeichen der Demokratie

Das Positive vorweg: Die Veröffentlichung des Abschlussberichts des Sonderermittlers Robert Mueller (PDF) war ein guter Tag für die amerikanische Demokratie. Sie hat zwei Jahre überlebt, in denen ein amtierender US-Präsident ihren Grundregeln wenig Achtung entgegenbrachte. Mueller sollte herausfinden, ob Donald Trump und sein Team im Wahlkampf mit Russland gemeinsame Sache gemacht haben, um ihm zum Wahlsieg zu verhelfen. Als Trump von der Ernennung Muellers erfuhr, sagte er. “Ich bin erledigt.” Nur benutzte er dafür einen vulgären Ausdruck. So steht es in dem Bericht. Dann versuchte er mehrfach, dafür zu sorgen, dass der Sonderermittler wieder gefeuert wird.

Das wäre eine klare Behinderung der Justiz gewesen, ein Rechtsbruch. Doch wie aus Muellers Bericht hervorgeht, weigerte sich unter anderem Don McGahn, der Anwalt des Weißen Hauses, Trumps Anweisungen zu folgen. Trump reagierte vergebens mit Wutausbrüchen. Immer wieder weigerten sich Amtsträger im Umfeld des Präsidenten, dessen Forderungen zu erfüllen, weil sie der Auffassung waren, sie verstießen gegen geltendes Recht.

Gerne wird beklagt, dass die demokratische Überzeugung im Schwinden sei. Ganz offenbar gibt es aber im Weißen Haus und auch unter Trumps eigenen Vertrauten noch genug Verteidiger der Gewaltenteilung. Positiv ist auch, dass trotz Trumps Bemühungen, Mueller und das FBI in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, die Ermittler letztlich in ihrer Arbeit nicht behindert wurden. Auch die Veröffentlichung des 448 Seiten umfassenden Dokuments ist ein Zeichen, dass die Grundfesten der nach wie vor einflussreichsten Demokratie der Welt noch nicht erodiert sind. Mueller und seine Kollegen brachten schließlich Anklagen gegen 34 Personen aus dem Umfeld eines amtierenden Präsidenten vor.

Ja, viele Stellen in Muellers Bericht sind geschwärzt oder vielmehr bunt koloriert, denn Trumps neuer Justizminister William Barr wollte Informationen darin aus verschiedenen Gründen nicht öffentlich machen – für jeden Grund gab es eine extra Farbe. Trumps Kritiker, die Demokraten und die Medien, werden sich nun auf diese Lücken stürzen. Aber das Wichtigste ist: Der Bericht ist nicht in einer Schublade verschwunden und das wird er auch nicht.

Kein Freispruch für Trump

Beunruhigend ist allerdings dessen Inhalt. Muellers Bericht ist keineswegs der Freispruch, zu dem ihn der Präsident und seine Anhänger jetzt machen wollen. Denn er zeigt einen Präsidenten, der nach wie vor sein Amt so ausübt, wie er einst seine Organisation führte. Ihm will nicht einleuchten, dass er einen Sonderermittler nicht einfach feuern kann wie einen Architekten, dessen Baupläne zu teuer wurden. Mueller fand zehn Hinweise auf Behinderung der Justiz – Aktionen, mit denen Trump versuchte, Nachforschungen zu unterbinden.

Auf eine Anklage verzichtete Mueller jedoch. Amtierende Präsidenten können nicht einfach angeklagt werden. Mueller überlässt es dem Kongress, ob und wie die Volksvertreter Trump mit den Erkenntnissen der Ermittler konfrontieren wollen. Zwar kam Mueller zu dem Schluss, dass die Kontakte von Trumps Wahlkampfteam mit Vertretern Russlands nicht für eine Strafverfolgung ausreichten. Doch die Bereitschaft, sich von Moskau mit kompromittierendem Material über die Rivalin Hillary Clinton versorgen zu lassen, ist dennoch alarmierend. Der Präsident hat bis heute nicht akzeptiert, dass Wladimir Putin bei der Wahl 2016 die Hand im Spiel hatte. Denn er fürchtet, dass dieses Eingeständnis die Legitimität seines Wahlsiegs und damit seiner Präsidentschaft infrage stellen würde. Das dürfte auch sein Motiv gewesen sein, warum er Mueller gerne gefeuert hätte und die Ermittlungen eingestellt sehen wollte. Schließlich sollte der Sonderermittler herausfinden, wie weit die Russen mit ihrer Manipulation gekommen waren. Das wollte der Präsident lieber weiter im Dunkeln lassen.

Das nächste Kapitel

Mit der Veröffentlichung geht das Drama um den Mueller-Report in Washington nicht zu Ende, sondern nur in eine neue Runde. Die Demokraten werden nicht lockerlassen, bis sie auch die von Justizminister Barr geblockten Stellen lesen können. Schon gibt es Forderungen, Mueller solle vor dem Kongress aussagen. Auch von der Amtsenthebung sprechen Trumps Kritiker wieder, auch wenn Nancy Pelosi, die Mehrheitsführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, zu Recht darauf hinweist, dass es dafür auch Stimmen der Republikaner brauchen würde.

Und die sind nicht bereit, 18 Monate vor der nächsten Wahl auf den Kandidaten zu verzichten, der ihnen eine gute Chance gibt, weitere vier Jahre einen der ihren im Oval Office sitzen zu haben. Und die Rechnung könnte aufgehen. Außerhalb von Washington und der Medienstadt New York werden sich für die Erkenntnisse Muellers bald nur noch Polit-Junkies interessieren. Für die Mehrheit der Amerikaner sind Trumps Pläne, die Gesundheitsreform rückgängig zu machen, von weit größerer Bedeutung.

Hits: 11