/Staatsanwaltschaft Hamburg: Ehemaliger Wachmann des KZ Stutthof angeklagt

Staatsanwaltschaft Hamburg: Ehemaliger Wachmann des KZ Stutthof angeklagt

Wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 5.000 Fällen klagt die
Staatsanwaltschaft Hamburg einen mutmaßlichen ehemaligen SS-Wachmann an. Der heute 92-Jährige
soll vom August 1944 bis April 1945 im Konzentrationslager Stutthof
in der Nähe von Danzig
tätig gewesen sein. Dabei soll er “die heimtückische und grausame Tötung
insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt” haben, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Da der
Angeklagte zur fraglichen Zeit erst 17 beziehungsweise 18 Jahre alt
war, soll er sich vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichts
Hamburg verantworten.

Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft weiter mitteilte, gab es im KZ
Stutthof seit Sommer 1944 systematische Tötungen von unter
anderem polnischen Bürgern, sowjetischen Kriegsgefangenen und Juden. “Häftlinge wurden überwiegend durch Genickschuss im
Krematorium des Lagers oder durch Verabreichung von Giftgas getötet”,
sagte sie. Andere Gefangene starben durch bewussten Nahrungsentzug
und die Verweigerung medizinischer Versorgung. Von mehr als 100.000
Insassen, die nach Stutthof gebracht wurden, starben schätzungsweise
65.000.

Der Mann sollte demnach als Wachmann die Flucht, Revolte und Befreiung von
Häftlingen verhindern. “Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb
vor, als ‘Rädchen der Mordmaschinerie’
in Kenntnis aller Gesamtumstände dazu beigetragen zu haben, dass der
Tötungsbefehl umgesetzt werden konnte”, heißt es in der Mitteilung weiter.

Unterstützende Tätigkeiten in KZs werden als Beihilfe gewertet

Die Zeitung Die Welt veröffentlichte Aussagen des Mannes aus
einer Vernehmung im Sommer vergangenen Jahres. Demnach räumte er
seinen Einsatz in dem KZ ein, bekundete aber zugleich Mitleid mit den
Opfern. “Mir haben die Leute leidgetan, die da waren. Ich wusste
nicht, warum die da waren. Ich wusste wohl, dass das Juden waren, die
keine Verbrechen begangen hatten. Die nur dort drin waren, weil es
Juden waren. Und die haben genau so ein Recht zu leben und zu
arbeiten wie jeder andere Mensch”, soll der Mann gesagt haben.

In
den vergangenen Jahren gab es in Deutschland mehrere ähnliche
Anklagen und Prozesse wegen NS-Verbrechen gegen frühere Angehörige
von Konzentrations- und Vernichtungslagern wie Auschwitz-Birkenau und
Stutthof. In einigen Fällen wurden Verfahren wegen des Alters der
Beschuldigten eingestellt, weil sie nicht verhandlungsfähig waren.

Ausgelöst
wurden die jüngsten Ermittlungen, Anklagen und Prozesse durch eine
geänderte Rechtsauffassung
. Demnach gelten auch unterstützende
Tätigkeiten in Konzentrationslagern, wie Wachdienste, im
juristischen Sinn als Beihilfe zum Mord. Davor waren meist nur Täter
belangt worden, die hohe Positionen innehatten oder sich direkt an
Tötungen beteiligten.

Laut Welt laufen bei der Staatsanwaltschaft in Hamburg zudem
noch Ermittlungen gegen eine ehemalige Angehörige des sogenannten
SS-Helferinnenkorps, die einen Todesmarsch von KZ-Häftlingen in der
Schlussphase des Zweiten Weltkriegs bewacht haben soll.

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