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Frankreich: Wie man die Gelbwesten provoziert

Frankreichs Regierung will auf die monatelange Revolte der Gelbwesten offenbar nur mit kleinen Reformen reagieren: Die wichtigsten Forderungen der Demonstranten – Vermögenssteuer, nationale Volksentscheide, eine Klimawende – werden von der französischen Regierung voraussichtlich nicht erfüllt.

Nach all dem, was als wichtigste Vorhaben in nahezu allen französischen Medien bekannt wurde, wird Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stattdessen die Elitehochschule ENA abschaffen und ausschließen, dass Schulen und Krankenhäuser ohne Zustimmung der Bürgermeister geschlossen werden. Außerdem sollen nicht mehr als 24 Kinder in Schulklassen sitzen. Und schließlich plant Macron offenbar, Menschen mit einer Rente von bis zu 2.000 Euro oder einem Einkommen von bis zu 16.000 Euro weniger zu besteuern.

Eigentlich wollte Macron schon am Montagabend vorstellen, was er den Gelbwesten anbieten kann. Es sollte das Finale der “nationalen Debatte” sein, die Macron im Dezember anstieß, als noch jeden Samstag Hunderttausende in Paris und der Provinz auf die Straße gingen. Viele TV-Sender planten Sondersendungen, die Titelseiten waren Macron sicher.

Aber eine Stunde vor seiner Fernsehbotschaft ging Notre-Dame und damit das Wahrzeichen einer ganzen Nation in Flammen auf, seine Ansprache wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. “Ich werde noch einmal auf die Große Debatte zurück kommen, aber heute ist der Zeitpunkt nicht gekommen,” sagte Macron in einer Rede am Dienstagabend, in der er nichts über die Gelbwesten, aber viel über Notre-Dame und ihren Wiederaufbau erzählte.

Letztlich kann die geringere Aufmerksamkeit, die das Drama um Notre-Dame mit sich bringt, Macron nur Recht sein. Seine drei Monate lang geführte Debatte, mit tausenden Diskussionsrunden in Rathäusern und Millionen Vorschlägen von Bürgerinnen und Bürgern, hat große Erwartungen geschürt. Für einen Moment ließ Macron die Illusion entstehen, das Volk könne tatsächlich mitentscheiden. Nun aber entpuppen sich seine Vorhaben als erstaunlich fern von den Forderungen der Gelbwesten.

Sicher, die Elite-Universität ENA abzuschaffen ist eine konsensfähige Idee: Auf der Pariser Kaderschmiede werden nahezu alle Spitzenbeamten ausgebildet. Auch Macron, sein Premierminister Edouard Philippe und viele weitere Regierungsmitglieder kennen sich von der ENA. Sie gilt als Sinnbild einer in sich geschlossenen Elite. Macron will die ENA ersetzen durch neue Hochschulen, für die alleine “die Begabung und die Leistung” zählen sollten.

Die Vermögenssteuer ISF hingegen will Macron nicht wieder einführen. Er will nur prüfen lassen, ob ihre Abschaffung wirkt, also die entlasteten Reichen tatsächlich die eingesparte Steuer in ihre Firmen und damit in Jobs investieren. Der Abschaffung des ISF war aber eine Kernforderung der Gelbwesten.  An jedem Kreisverkehr prangte “ISF” auf den Flaggen, in hunderttausendfach auf Facebookseiten geteilten Ideenlisten kam die Reichensteuer immer auf dem ersten Platz: Millionäre und Milliardäre sollten mehr zahlen.   

Aber Macron denkt gar nicht daran, den ISF wieder einzuführen. Der Liberale ist tief davon überzeugt, dass die Elite, Millionäre und Firmenlenkerinnen, die Gesellschaft insgesamt nach oben ziehen. “Der erste am Seil befördert den Rest nach oben”, ist einer seiner beliebtesten Leitsätze.

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