/Moia: Das Mittelding zwischen Taxi und Linienbus

Moia: Das Mittelding zwischen Taxi und Linienbus

Um Punkt elf Uhr wendet sich Moia-COO
Robert Henrich per Videoübertragung mit einer emotionalen Ansprache aus der
HafenCity an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Henrich steht dabei vor einem
jener vollelektrischen Minivans, die von diesem Moment an als Mittelding
zwischen Taxi und Linienbus den “größten Rideshare-Dienst Europas” bilden
sollen. Nicht weniger als ein “Social Movement” nennt sich Moia, da muss man als
Chef eben auch an die Kollegen denken, die an ihren Schreibtischen vermutlich gerade
die ersten Buchungen verfolgen, während man selbst in der Hamburger Frühlingssonne
stehen darf.

Moia sammelt bereits seit dem
vergangenen Sommer in Hannover Fahrgäste ein, von Januar an wurde es auch in Hamburg
getestet. “In Hannover benutzen wir noch benzingetriebene Autos, deshalb
mussten die Fahrer hier angelernt werden, wie es ist, elektrisch zu fahren”,
sagt Moia-Sprecher Christoph Ziegenmeyer. “Aber wir wissen jetzt zum Beispiel
auch, dass die Ladekapazitäten selbst bei kaltem Wetter für eine ganze Tagesschicht
ausreichen.”

In der Testphase wurden im
aktuellen, rund 200 Quadratkilometer großen Bediengebiet nördlich der Elbe auch
jene mehr als 10.000 vordefinierten Treffpunkte ermittelt, an denen die
Moia-Fahrzeuge ihre Fahrgäste aufnehmen und aussteigen lassen. “Wir bekamen von
der Stadt einen Kriterienkatalog”, sagt Ziegenmeyer, “beispielsweise, dass diese
virtuellen Haltestellen nicht zu nah an Bushaltestellen liegen dürfen oder nicht
zu dicht an eine Ecke. Die Maßgabe war, den Verkehr nicht zu behindern.” Dann marschierten
Teams jeden einzelnen Punkt ab, um seine Tauglichkeit sicherzustellen.

Die Zuverlässigkeit soll auch mit
strenger Erziehung der Fahrgäste sichergestellt werden. Wer sich eine Moia-Fahrt
bestellt, kann über die App zwar angeben, in welchem Zeitraum er starten
möchte, doch dann muss er pünktlich am vorgegebenen Treffpunkt sein. Denn während
ein Taxi wartet (und dabei den Taxameter weiterlaufen lässt), fährt ein Moia
nach spätestens zwei Minuten weiter zum nächsten wartenden Fahrgast. Schließlich
muss ein extra ausgetüftelter Fahrplan eingehalten werden, der bis zu sechs Kunden
bedient, die in ungefähr derselben Gegend starten und in ungefähr dieselbe
Richtung gebracht werden wollen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Social Movement.
Dafür sollen die geteilten Fahrten mit durchschnittlichen sechs bis sieben Euro
spürbar billiger als Taxis sein.

Für Menschen, die nicht über fremde Beine klettern wollen

Besonders ungewöhnlich fühlt sich
eine Moia-Fahrt jedenfalls nicht an. Beim Starttermin konnte man testweise nur
eine Runde durch die HafenCity drehen, die als 30er-Zone nicht wirklich viel an
Fahrerlebnis hergibt. Immerhin kann man in die Busse – Moia ist ein
Tochterunternehmen von VW – einigermaßen gemütlich einsteigen, hat viel Platz
und eine USB-Buchse an jedem Platz. “Wir haben Autofahrer gefragt, wieso sie lieber
im eigenen Pkw im Stau stehen, als den Bus zu nehmen”, sagt Ziegenmeyer. “Die
häufigsten Antworten lauteten: ‘Weil ich meine Privatsphäre möchte und nicht auf
zu engem Raum mit vielen Menschen fahren oder über fremde Beine klettern will.’
Dementsprechend haben wir den Innenraum der Fahrzeuge gestaltet.”

Zu Beginn sind 100 Fahrzeuge
unterwegs, die von 400 Fahrerinnen und Fahrern gesteuert werden. Sowohl Mensch
als auch Maschine sollen im Laufe der kommenden Monate sukzessive mehr werden, die
Konzession erlaubt bis zu 500 Hamburger Moias. Mit dieser Menge will man bis
September eine Fläche von 300 Quadratkilometern versorgen können. Zusätzliche Fahrzeuge
– beantragt hatte man 1.000 – gibt es frühestens in zwei Jahren, erst dann
könnten auch Stadtteile wie Harburg oder Wilhelmsburg angeschlossen werden.

Ob das geteilte Fahren tatsächlich
zu weniger Verkehrsaufkommen führt, soll ein Konsortium aus der Universität der Bundeswehr München (UniBW) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im
Verlauf der kommenden zwei Jahre untersuchen.

Ridesharing bieten auch die Hansa-Taxis
an, und das bereits seit Ende 2017. Trotzdem sieht Thomas Lohse, Vorstandsmitglied
bei Hansa Funktaxi, dem neuen Mitbewerber gelassen entgegen. “Es gehen immer
noch knapp 90 Prozent der Taxibestellungen telefonisch ein”, sagte Lohse der
dpa. Moia hingegen kann nur via App gebucht werden.

Der alte Herr, der am Montag zufällig
beim Pressetermin vorbeikommt und gleich um einen “Werbezettel” bittet, wird also
wohl eher kein Teil der neuen sozialen Bewegung werden.

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