/“Game of Thrones”: Man trifft sich immer zweimal im Leben

“Game of Thrones”: Man trifft sich immer zweimal im Leben

Dieser Text enthält Spoiler zur ersten Folge der achten Staffel von “Game of Thrones” sowie zu
früheren Folgen der Serie.

Ganz am Anfang von Game
of Thrones
, in der dritten Folge der ersten Staffel, erzählt sein
Kindermädchen dem kleinen Bran Stark von der “langen Nacht” vor Tausenden von
Jahren, als der Schnee sich hundert Fuß hoch türmte, als Menschen in Dunkelheit
geboren wurden, lebten und starben. “Also”, setzt sie hinzu, “ist das die Art
Geschichte, die du magst?” Von so einer Welt, suggeriert Old Nan dem Kind, soll
man Geschichten weder erbitten noch erzählen. Und doch machte sie eben damit
dem Publikum ein Versprechen: Man kann nicht in der dritten Folge einer Serie
von solch wildem Fantasy-Zeug erzählen und es dann dem Zuschauer nicht zum Hauptgang präsentieren. 

Jetzt ist der Hauptgang also da, der Winter, und mit ihm die
White Walker, die lebenden Toten, und ein Eisdrache. In der letzten Szene der siebten
Staffel brachte der Night King die Hunderte Meter hohe Mauer zum Einsturz, die
die Königreiche von Westeros gen Norden abriegelte. Die Sendung entließ uns in
die lange Pause zwischen den Sendeterminen mit einem Hieronymus Bosch würdigen
Monumentalbild: Tausende reanimierte Leichen, die durch das Eis den Weg in die Welt
der Lebenden suchten. Statt der Intrigen und der Politik plötzlich ein
reichlich unsubtiles Sinnbild, statt Machiavellismus Existenzialismus. Und wir mussten
uns Old Nans Frage stellen, aber als poetologische Frage: Ist das (noch) die
Art Geschichte, die wir mögen?

Jedes Ende ist ein Stück weit ein Verrat am Leser oder
Zuschauer. Wir haben Jahre mit einer Gruppe Figuren verbracht, sie sind Teil
unserer Welt geworden und wir ein Teil ihrer. Und jetzt komplimentieren sie uns
eher floskelhaft wieder heraus aus dieser liebgewonnenen Welt. Ein Leichtes,
die Regeln, nach denen die Fiktion funktioniert hat, zu hintergehen, nur um
endlich zu einem Ende kommen zu können. Ein Leichtes, Subtilität ins Plakative
aufzulösen, Ambiguität in Moralin. Gerade deshalb sind Serienenden, die
wirklich zufriedenstellen, auch in dieser Blütezeit des Mediums eher selten. So
toll wir es finden, dass diese Serien nicht jede Woche amnestisch am selben
Punkt anfangen wie noch die Serien der Achtziger und Neunziger, dass ihre Entwicklungen,
anders als bei Seifenopern, genau durchdacht und durchstrukturiert sind: Irgendwie
wünschen wir uns eben doch, dass die Geschichte ewig weitergehen könnte.

Das gilt für Game of
Thrones
auf ganz spezielle Weise. Denn am 19. Mai wird die Serie aufhören
und nicht aufhören. Die Serienschöpfer David Benioff und D. B. Weiss werden
schlicht ein mögliches Ende der Saga präsentieren – hinter dem phantomhaft
sofort ein anderes spuken wird, nämlich das, das der Romanautor George R. R. Martin einmal schreiben wird, so er denn sein nächstes Buch fertigbekommt, und
dann das danach. 

Dadurch, dass die Serie Martins Bücher überholt hat, und er
sich immer weiter aus der Produktion heraushielt, um sich auf seine Version der
Geschichte zu konzentrieren, stellt diese achte Staffel schlicht einen
Lösungsversuch unter mehreren dar, einen gordischen Knoten, in den sich Martin
mit jedem Band weiter zu verheddern scheint, zu durchtrennen. Anders gesagt
schreiben entweder Martin oder Benioff und Weiss mittlerweile Fanfiction. Die
gestern angelaufene achte Staffel wird sich also immer an einem halbexistenten
Doppelgänger messen lassen müssen, dem Ende nämlich, das irgendwann einmal in The Winds of Winter und A Dream of Spring geliefert wird.

Eines kann man nach der ersten Folge der letzten Staffel schon
feststellen: Die Serie vertraut ihren Zuschauern und traut ihnen mehr zu als
noch in der siebten Staffel. Die Protagonistinnen und Protagonisten kehren an
die Schauplätze der allerersten Episode zurück, insbesondere nach Winterfell.
Damals zog König Robert Baratheon in die mächtige Festung ein, diesmal sind es
Daenerys und Jon Snow.

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