/Zeitmanagement: “Wir unterschätzen, wie viel Zeit wir für uns brauchen”

Zeitmanagement: “Wir unterschätzen, wie viel Zeit wir für uns brauchen”

Wer sich freut, wenn ein Freund kurzfristig absagt, ist überlastet. Das sagt eine Psychologin. Und sie erklärt, wie man seine Woche so plant, dass sie glücklich macht.

Wer das erste Mal richtig anfängt zu arbeiten, hat oft plötzlich einen festen Tagesrhythmus: morgens um neun ins Büro, abends um fünf, halb sechs nach Hause. In der Uni kann man seine Zeit oft frei einteilen oder einfach gemeinsam mit Freunden in der Bibliothek Pause machen, statt sie nach Feierabend zu treffen.

Doch mit weniger Zeit kommt auch der Stress. Und plötzlich freut man sich, wenn jemand kurzfristig absagt, weil es sich anfühlt wie geschenkte Zeit. Wir wollten wissen, woran das liegt und wie man seine Woche perfekt plant.

Die Diplompsychologin Friederike Gerstenberg arbeitet als systemische Therapeutin und Coach und forscht eigentlich dazu, warum Menschen nicht das tun, was sie sagen. Aber auch mit Zeitmanagement kennt sie sich aus.

ZEIT Campus ONLINE: Frau Gerstenberg, ich merke oft, dass ich mich freue, wenn eine
Verabredung für einen Abend spontan absagt. Es fühlt sich an, als hätte ich Zeit geschenkt bekommen.
Woran liegt das?

Friederike Gerstenberg: Sie sind überlastet. Wir sehen unser Leben oft als To-Do-Liste – anstatt
uns zu fragen, wie wir unsere Freizeit einteilen wollen, quetschen wir alles in unsere Woche rein. Dann
sagt jemand ab und wir sind erleichtert: Endlich können wir mal früh ins Bett gehen oder noch ein
Buch lesen. Das ist ein Zeichen, dass wir eigentlich überfüllt sind mit Dingen, die wir tun.

ZEIT Campus ONLINE: Woher kommt diese Überlastung?


Gerstenberg:
Wir unterschätzen gnadenlos, wie viel Zeit wir für uns brauchen, um uns zu
regenerieren. Wenn wir abends mit einem Freund was trinken gehen, ist es ja nicht nur der Alkohol,
der am nächsten Tag den Kater macht. Wir brauchen auch Zeit, um zu verarbeiten, dass wir ein
Gespräch mit jemandem geführt haben. Dafür müssen wir Phasen der Passivität haben, um zu
reflektieren. Wenn wir heute bei WhatsApp mit tendenziell 20 Leuten in Kontakt sind, dann ist das
mehr, als wir jemals hatten. Wir müssen einen ganz anderen Umgang entwickeln mit dieser Überfülle.

ZEIT Campus ONLINE: Gibt es eine Regel, wie viel Zeit ich mir für mich selbst nehmen sollte?

Gerstenberg: Nein. Sie sollten sich selbst fragen, wie es Ihnen eigentlich geht. Es gibt verschiedene

Techniken, wie Sie herausfinden können, was gut für Sie wäre.

ZEIT Campus ONLINE: Welche denn so?

Gerstenberg: Es gibt eine Technik, die benutze ich bestimmt 15 Mal am Tag, sie nennt sich Blitzlicht.
Stellen Sie sich vor, Ihre Psyche ist ein dunkler Raum, Sie haben also keine Ahnung, wie es darin
aussieht. Und jetzt geben Sie ein Blitzlicht in diesen Raum. Dann versuchen Sie an drei Adjektiven
festzumachen, wie Sie sich gerade fühlen. Wenn Sie das machen, wissen Sie relativ genau,
wie es Ihnen geht, was Sie gerade brauchen.

ZEIT Campus ONLINE: Wozu führt das?

Gerstenberg: Sie entwickeln einen Draht zu sich selbst: Brauchen Sie nach einer Geschäftsreise noch
einen Tag, um sich auszuruhen? Brauchen Sie zwei Mal die Woche Yoga, um sich zu entspannen? Es
geht darum, sich selbst kennenzulernen.

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