/“Tatort” Dortmund: Ich bin Gefäßchirurgin

“Tatort” Dortmund: Ich bin Gefäßchirurgin

Angetreten ist der Tatort
in Dortmund
einmal mit dem Versprechen auf folgenübergreifende Serialität. Das
ist bei der beliebten Krimireihe kein leichtes Unterfangen, weil die einzelnen
Episoden in größerem zeitlichem Abstand gesendet werden. Übrig geblieben ist
vom Seriellen in Dortmund mittlerweile nur noch das Trauma des Protagonisten – der
Schmerz eines Polizisten, der Frau und Kind verloren hat.

In Inferno (WDR-Redaktion: Frank Tönsmann) wird dieses Trauma wieder einmal hervorgekramt.
Faber (Jörg Hartmann) schläft schlecht, weil er die Bilder von Frau und Kind
nicht aus dem Kopf bekommt. Aus dem privaten Stress weckt ihn die Arbeit – der
Fall führt diesmal in ein Krankenhaus, in dem eine Ärztin tot aufgefunden
wurde. Die Ermittlungen wirken relativ konzentriert (Drehbuch: Markus Busch),
wobei es die üblichen Verdächtigen (Kolleginnen, Gatte) alle nicht in die erste
Reihe zieht. Beziehungsweise: Es scheint, als wollten die Ermittler sich
nur zögerlich festlegen.

Schwester Lexi (Lisa Jopt) etwa qualifiziert sich eigentlich
durch eine gewisse Exzentrik, weil sie in einem Pappkarton in der Klinik
verletzte Tiere hält, rückt dann aber aus dem Fokus des Interesses, um am
Schluss doch etwas mit dem Fall zu tun zu haben. So werden die ganze Zeit
Informationen gewälzt und Sachen rausgefunden, aber spannend ist das nur zu
nennen, wenn man darunter versteht, dass am Filmende halt jemand als Mörder
präsentiert werden muss.

Die auffälligste Gestalt, die Inferno für die Täterschaft im Angebot führt, ist der Chef der
Notaufnahme: Doppeldoktor Norstädter (Alex Brendemühl). Der ist für Faber auch
deshalb interessant, weil er dem Kommissar dessen derangierten Zustand (die
Einnahme von Psychopharmaka) auf den Kopf zu diagnostizieren kann. So verbindet
sich für den Polizisten die Suche nach dem Mörder mit der Hoffnung auf Erlösung.


"Tatort" Dortmund: Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über "Tatort" und "Polizeiruf 110". Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne "Der Obduktionsbericht".

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Das Finale findet in Norstädters Haus statt und ist folglich
halb Therapie, halb Verhör. Faber weiß mittlerweile ums Motiv. Der Doppeldoktor
ist, wie bei problematischen Ärztinnen und Ärzten im ARD-Sonntagabendkrimi weit
verbreitet
,
ein Hochstapler, der sich ohne Abschluss mit gefälschten Zeugnissen auf seinen
Posten gelogen hat.

Warum Norstädter deswegen nicht einfach verhaftet und
vernommen werden kann, ist eine Frage, mit der sich Fabers
kraftmeiernd-leidende Ermittlungsperformance nicht aufhält – so wirkt es doch
viel dramatischer! Es ist angesichts dieser Form der Rätsellösung kein Zufall,
dass Faber als der große Täterrollennachspieler in die Geschichte des
ARD-Sonntagabendkrimis eingehen wird. Wenn er in das Verbrecher-Ich hineingeht gelangt
der Kommissar in einen übersinnlichen Zustand, er durchlebt dann eine Art
Rausch, der ihn zur Aufklärung führt. 

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