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Pubertät: Die sexuell Kompetenten

Jugendliche sind immer online, körperlich frühreif und neuerdings politisch aktiv? Wir fragen, was es für junge Menschen bedeutet, sich heutzutage einen Platz in der Welt zu suchen, und blicken in einem Schwerpunkt auf die wahrscheinlich emotionalste Zeit des Lebens: die Pubertät.

Wenn ihr langweilig ist, wischt Yara auf ihrem Handy über Bilder von Jungs. In der Tinder-App schubst sie die Bilder meist nach links, weg, weg, weg. Denn kennenlernen will Yara auf diese Weise eigentlich niemanden. Manchmal sitzen ihre Freundinnen neben ihr. “Wir machen das zur Belustigung”, sagt Yara. “Besonders beknackte Profile zeigen wir rum. Wenn einer so einen Standard schreibt, dass er gern reist und Wein trinkt. Dann wir so: Ja, klaaaar!”

Yara ist 21, die Pubertät liegt ein paar Jahre hinter ihr – gerade so viel, um darüber zu sprechen, wie Sex ist, wenn man ihm online schon früh begegnet ist. Ihr erstes Smartphone bekam sie mit 14, ihren ersten Porno sah sie mit 15. Vor zwei Jahren hat sie in Hamburg Abi gemacht, natürlich heißt sie anders. Wenn sie Sex hat, dann weil sie Lust drauf hat, nicht weil sie online irgendetwas gesehen hat. Sagt sie.

Manche Eltern – diese älteren Menschen, die noch ohne soziale Medien aufgewachsen sind – fragen sich allerdings sehr wohl, was Onlinepornos mit dem Sexleben von Jugendlichen machen. Sie fragen sich auch, was das ständige Chatten und Posten anrichtet. Oder das Rumschicken von Nacktbildern. Machen ihre Kinder beim Sex alles mit, weil sie schon alles gesehen haben? Haben sie mehr Sex? Früher? Sind sie süchtig, verantwortungslos, fantasielos? Könnte man ja vermuten, wenn man sich Pocket anschaut, einen Kurzfilm über den Alltag und das Sexleben (auf dem Handy) eines etwa 16-jährigen Jungen. Solche Mutmaßungen über die “Generation Porno” – so hat sie der Stern 2008 abwertend getauft – sind indes wenig belegt. Es sind Erwachsenenprojektionen. Selbst zu Wort kommen Jugendliche selten. Dabei sollte man sie ruhig fragen: Wie ist es, in Zeiten von Instagram und YouPorn seine ersten sexuellen Erfahrungen zu machen? Wie gut fühlt ihr euch vorbereitet?

Wer traut sich, Nein zu sagen?

Eigentlich könnte man annehmen, die Sexualität von Jugendlichen in Deutschland sei gut erforscht. Seit fast vierzig Jahren befragt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 14- bis 17-Jährige regelmäßig dazu. So haben im Jahr 1980 29 Prozent der Jungen beim ersten Sex nicht verhütet; mittlerweile sind es nur noch sechs Prozent. Die Zahl der Teenagerschwangerschaften sinkt stetig: 2006 gab es noch 18.400 Mütter unter 20, 2014 waren es 12.100. Das belegt nicht nur, dass die meisten Jugendlichen weniger ungeplanten Sex haben als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern und offener fragen, sondern ist für Forscher ein Indiz, dass Mädchen seltener zum Sex gezwungen werden. Auch sind Jugendliche beim ersten Sex zunehmend älter. Forscher schließen daraus, dass die meisten Teenager wissen, was sie wollen, und sich trauen, Nein zu sagen, wenn sie etwas unangenehm finden. Allerdings stellen einige Untersuchungen auch Ausschläge nach unten fest. In einer Befragung sagten zehn Prozent der Jugendlichen aus, vor ihrem 14. Geburtstag Sex gehabt zu haben. Forscher führten das vor allem auf Bildungsunterschiede zurück. Die Studie Wie ticken Jugendliche? schlüsselt dazu auf, was sich Jugendliche verschiedener Milieus wünschen. Da ist nach wie vor alles dabei: von “Konservativen”, für die stabile Beziehungen zählen und für die wechselnde Partner negativ konnotiert sind, bis zu “Postmodernen”, die “möglichst viel Freiheit” wollen.

Was Jugendliche im Internet tun und wie sich das auf ihren Sex auswirkt, fragen hingegen bislang wenige Forscher. “In der Sexforschung gibt es eine Technologielücke”, sagt Jörg Nitschke vom Institut für Sexualpädagogik in Koblenz. Die Medienpsychologin Nicola Döring von der Technischen Universität Ilmenau ist eine der ganz wenigen, die sich seit Jahren kontinuierlich mit Sex und Social Media beschäftigt. “Man muss Gefahren bei der Kommunikation im Internet ernst nehmen”, lautet ihr Fazit. “Aber wir sollten den medialen selbstbestimmten Ausdruck von sexueller Lust würdigen.”

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