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Desinformationskampagnen: EU vor der Wahl hilflos gegen rechte Trolle

Die Staaten der Europäischen Union finden vor der Europawahl kein wirksames Mittel gegen Desinformation im Internet. Das ist das Ergebnis einer Recherche des europäischen Journalisten-Netzwerks Investigate Europe, die in Deutschland der Tagesspiegel veröffentlicht hat. Demnach ist eine Einheit im Europäischen Auswärtigen Dienst, die EastStrat Com, weitgehend wirkungslos, weil sie sich auf Desinformation konzentrieren muss, die von außerhalb der EU, namentlich aus Russland, gesteuert wird.

Dies helfe jedoch nicht gegen die wachsende Gefahr von Kampagnen, die ihren Ursprung innerhalb der Gemeinschaft, in europäischen Parteien und Medien haben. Die Recherche geht in diesem Zusammenhang der Diskussion um den UN-Migrationgspakt im vergangenen Jahr nach. Hier sei es rechten Einwanderungsgegnern gelungen, die Öffentlichkeit nachhaltig mit ihrer Lesart des Paktes als “Todesurteil gegen den Nationalstaat” und “Signal für eine nie dagewesene Völkerwanderung” zu verunsichern. Demgegenüber habe ein Abkommen gestanden, mit dem sich die Unterzeichnerstaaten nur rechtlich unverbindlich zu Zielen wie dem Schutz von Migranten vor Verfolgung und Diskriminierung oder der Bekämpfung von Fluchtursachen bekennen wollten.

Die Gefahr: eine Privatisierung von Zensur

Die Recherche nennt Akteure aus dem Umfeld der AfD sowie der Identitären Bewegung als Ursprung der Kampagne, die Plattform YouTube, die großer Zuspitzung zu großer Reichweite verhilft, als Katalysator. Dies habe dann zu einer Situation geführt, in der selbst die im Grunde desinformationskritische Berichterstattung, die in größeren Medien folgte, wie ein Verstärker der Kampagne gewirkt habe, auch indem schließlich vom “umstrittenen Migrationspakt” die Rede gewesen sei. Der Grund, wie ihn die Recherche zeichnet: Behauptungen, die eigentlich völlig abseitig sind, stehen auf einmal als diskussionswürdig im Raum – und sorgen schließlich dafür, dass Länder wie Österreich und Ungarn den von ihnen mitverhandelten Pakt nicht unterzeichnen.

Im Vorfeld der Europawahl sehen die Rechercheure eine große Gefahr für weitere Desinformationskampagnen – und wenig Ansatzpunkte, wie wirksam gegen sie vorgegangen werden kann. Denn die Verantwortung, über Wahrheit zu entscheiden, an Player wie Google und Facebook abzuwälzen, wäre laut Investigate Europe eine Privatisierung von Zensur. Zugleich seien aber die Kompetenzen von verantwortlichen Stellen auf EU-Ebene zuletzt noch einmal beschnitten worden – ebenfalls mit Verweis auf Zensur.

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