/Kita-Impfpflicht: “Wir brauchen andere Maßnahmen als eine Kita-Impfpflicht”

Kita-Impfpflicht: “Wir brauchen andere Maßnahmen als eine Kita-Impfpflicht”

Am Donnerstag hat der Brandenburger Landtag beschlossen, dass Kinder, die in Brandenburg eine Kita besuchen wollen, in Zukunft gegen Masern geimpft sein müssen. Die Gesundheitspsychologin Cornelia Betsch, die seit Jahren zu Impfakzeptanz forscht, erklärt, ob dieser Schritt sinnvoll ist.

ZEIT ONLINE: Der Deutsche Ethikrat berät über eine Impfpflicht, auch im Gesundheitsministerium wird darüber diskutiert. Nun fordert der Brandenburger Landtag, dass Kinder, die eine Kita besuchen, gegen Masern geimpft sein müssen. Was halten Sie von diesem Schritt?

Kita-Impfpflicht: Cornelia Betsch ist studierte Psychologin und forscht unter anderem zu Risikowahrnehmung und -kommunikation am Beispiel der Impfentscheidung. Seit 2017 hat sie die Heisenberg-Professur für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt inne.

Cornelia Betsch ist studierte Psychologin und forscht unter anderem zu Risikowahrnehmung und -kommunikation am Beispiel der Impfentscheidung. Seit 2017 hat sie die Heisenberg-Professur für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt inne.
© Marco Borggreve

Cornelia Betsch: Es ist natürlich vorbildlich und erfreulich, dass ein Bundesland handelt, denn die Impfquoten für die zweite Masernimpfung sind noch immer zu gering. Aber vor dem Hintergrund der Debatten des Ethikrates und des Bundes halte ich es eher für einen gefühligen Schnellschuss, dass Brandenburg so vorprescht. Zumal die wissenschaftlichen Erkenntnisse in eine andere Richtung weisen.

ZEIT ONLINE: In welche?

Betsch: Es gibt zum Beispiel Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die erklären, warum Menschen sich nicht impfen lassen. Sie zeigen, dass das Vertrauen in die Impfungen nicht ausreichend ist – hier braucht es eine bessere Aufklärung. Die Daten zeigen außerdem, dass Impfen nicht einfach genug ist. Das aktiv zu adressieren und praktische Barrieren abzubauen wäre besser als ein Zwang. Beides benennt der Antrag des Brandenburger Landtags zumindest als zukünftige Aktivitäten.

ZEIT ONLINE: Nun haben Bundesländer und Landesgesundheitsbehörden die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit zu garantieren. Deutschland aber verzeichnete im vergangenen Jahr über 500 Masernfälle und ist weit von einer Ausrottung entfernt. Ist Zwang deshalb nicht legitim?

Betsch: Ich kann nur unterstützen, dass es eine große Debatte über Impfungen und Impfquoten gibt. Aber in einem einzelnen Bundesland verpflichtend gegen eine einzelne Krankheit zu impfen ist ein Experiment, das auch negative Folgen haben kann.

ZEIT ONLINE: Was genau können das für Folgen sein?

Betsch: Man muss das Gesamtpaket betrachten. Studien zeigen, dass die Impfquoten für die betreffende Impfung nach Einführung einer Impfpflicht steigen. Aber wir sehen auch: Wenn man eine Impfung verpflichtend macht, andere aber freiwillig bleiben, werden letztere seltener in Anspruch genommen. Vor allem von Menschen, die Impfungen gegenüber etwas kritischer sind. Momentan bekommen die meisten Menschen in Deutschland einen Kombinationsimpfstoff für Masern, Mumps und Röteln. Sollten jetzt mehr Eltern ihre Kinder nur noch gegen Masern impfen lassen und die Impfquoten für Röteln deshalb sinken, wäre das dramatisch. Denn Röteln können, wenn sich eine Schwangere ansteckt, für das ungeborene Kind sehr gefährlich sein.

ZEIT ONLINE: Und wieso kommt es zu einem Abfall an Impfquoten bei den freiwilligen Impfungen?

Betsch: Experimentelle Studien, die wir durchgeführt haben, zeigen, dass es zu sogenannter Reaktanz führt: Eine Impfpflicht schränkt die Handlungsfreiheit ein, die Menschen ärgern sich und holen sich die Freiheit an anderer Stelle zurück (European Journal of Public Health: Betsch & Böhm, 2016). Das sollte uns zu denken geben.

ZEIT ONLINE: Könnten Menschen durch die Impfpflicht auch den Eindruck gewinnen, eine einzelne Krankheit, in diesem Falle die Masern, sei schwerwiegender als andere? Und untergräbt das nicht Bemühungen, für andere Krankheiten zu sensibilisieren, gegen die man auch impfen kann?

Betsch: Ich kann mir vorstellen, dass der Eindruck entsteht. Es kann jedoch auch gut sein, eine einzelne Krankheit mit einem Ausrufezeichen zu versehen. Das wurde bei den Pocken gemacht, die – dank einer Impfpflicht – ausgerottet werden konnten. Die Masern sind eine wirklich schlimme Erkrankung (s. Infobox). Sie betreffen aber nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene. Um die Impflücken bei Erwachsenen zu schließen, brauchen wir aber andere Maßnahmen als eine Kita-Impfpflicht.

ZEIT ONLINE: An was genau denken Sie? Was kann jenseits von einer Impfpflicht helfen, die Impfquoten zu steigern – bei Erwachsenen und Kindern?

Betsch: Eine Art Widerspruchslösung zum Beispiel, wie es sie in den USA gibt. Sie lässt Menschen die Entscheidungsfreiheit und erhöht trotzdem die Zahl der Geimpften. Geimpft zu werden wird zum Standard. Wer nicht will, muss explizit widersprechen. Je weniger Gründe für den Widerspruch man dann zulässt, desto besser sind die Impfquoten. Es gibt aber auch die Möglichkeit, praktische Barrieren abzubauen. Die Impfbereitschaft in Deutschland ist sehr hoch, man muss es den Menschen aber auch so einfach wie möglich machen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst könnte zum Beispiel wieder in Schulen und Kindergärten Impfungen anbieten. Oder man könnte ein zentrales Register einführen, das aufzeichnet, wer wann und wogegen geimpft wurde – und das automatisch Erinnerungen verschickt an Kinder und ungeimpfte Erwachsene. Das gibt es in den Niederlanden, in Deutschland hingegen gibt es nur einen Impfpass. Wenn Sie den verlieren, weiß keiner mehr, wogegen Sie geimpft sind.

Impfungen: Empfohlen und sinnvoll?

  • Masern:
    Kein Autismus durch MMR

    Masern

    Die typischen Symptome sind hohes Fieber und rotfleckiger Ausschlag, übertragen werden die Viren schon durch Husten, Niesen und direkten Kontakt mit Erkrankten. Im Jahr 2015 starben weltweit jede Stunde 15 Menschen an der Erkrankung, die in Deutschland längst ausgerottet sein könnte (siehe Informationen der Weltgesundheitsorganisation). Etwa einer von 1.000 Erkrankten stirbt, berichtet das Robert Koch-Institut. Besonders Säuglinge, die noch nicht geimpft werden können und Masern bekommen, sind gefährdeter als bislang gedacht, an einer lebensgefährlichen Hirnentzündung zu erkranken, die noch sechs bis acht Jahre nach der Infektion auftreten kann. In einem von 609 Fällen leiden Babys an der Entzündung, die bleibende Schäden verursachen, im Wachkoma oder auch tödlich enden kann (Wendorf et al., 2016).

    Wer sollte geimpft sein? Jeder. Nur wenn die Bevölkerung flächendeckend zu mindestens 95 Prozent geimpft ist, hat die ansonsten hochansteckende Infektion keine Chance mehr. In Deutschland schwankt die Impfquote jedoch seit Jahren erheblich, vor allem nach Region. Je nach Bundesland lag sie 2015 zwischen 89 Prozent (Baden-Württemberg) und 96 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern) (Epidemiologisches Bulletin, 16/2017).

    Wann? Die erste Impfung wird für Kinder ab zwölf Monaten empfohlen, die zweite Impfung, um den Schutz zu komplettieren, sollte bis zum zweiten Geburtstag erfolgen. Es gibt Impfstoffe ausschließlich gegen Masern, oft erfolgt die Impfung aber in Kombination gegen Mumps und Röteln, deshalb heißt es MMR-Impfstoff. In Deutschland werden derzeit immer noch zu wenige Menschen vor allem ein zweites Mal geimpft, vor allem in jungen Jahren. Deshalb kommt es immer wieder zu teils größeren Ausbrüchen. Erst bis kurz vor der Einschulung lassen viele Eltern ihre Kinder das zweite Mal impfen. Im Jahr 2015 gab es so bundesweit rund 180.000 Kleinkinder, die nicht ausreichend vor Masern geschützt waren, weil sie noch zu jung waren, um geimpft werden zu können.

    Gibt es Risiken? Die Masernimpfung ist gut verträglich und deutlich weniger riskant als eine Erkrankung. Sie schützt zweifach Geimpfte effektiv in bis zu 99 Prozent der Fälle vor der Infektion. Dennoch gibt es schwere Vorwürfe vor allem gegen den MMR-Impfstoff. Sie sind bis heute unbelegt und teils auch widerlegt. Die Impfung verursacht keinen Autismus. Diese Lüge geht auf manipulierte und fehlerhafte Studienergebnisse eines Mannes zurück: Der Arzt Andrew Wakefield hatte den Zusammenhang 1998 hergestellt und verunsichert damit bis heute Eltern. Wakefield wurde in Großbritannien seine Zulassung aberkannt und seine Studie zurückgezogen und in mehreren Untersuchungen widerlegt. Das Robert Koch-Institut (RKI) führt einige davon auf.

  • Kinderlähmung (Poliomyelitis):
    Die Impfung rottete die Krankheit in vielen Ländern aus

    Kinderlähmung (Poliomyelitis)

    Meistens wird Polio nicht bemerkt. Die Krankheit ist zwar hochansteckend, aber kaum jemand zeigt Symptome. Allein in fünf Prozent der Fälle führen die Viren im Körper zu Fieber, Halsschmerzen, Schweißausbrüchen – das ist nervig wie eine Grippe, aber nach wenigen Tagen ohne Folgen ausgestanden. Kritisch sind die restlichen fünf Prozent: Ein bis zwei Wochen nach den Symptomen kommt es zu einer Hirnhautentzündung, die zu einer Lähmung führen kann.

    Heutzutage sind vor allem Kinder in Entwicklungsländern gefährdet. Europa gilt seit 2002 als Polio-frei. Weil die Krankheit hierzulande keine akute Bedrohung mehr ist, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) seit 1998 nur noch Totimpfstoff (IPV). Wer damit geimpft ist, ist vor einer Lähmung geschützt, kann den Erreger aber noch weiter verbreiten.

    Wer sollte geimpft sein? Allen voran Säuglinge und junge Kleinkinder. Je nachdem, ob es ein Einzel- oder ein Kombinationsimpfstoff ist, reichen zwei beziehungsweise vier Injektionen zum Schutz.

    Wann? Die erste Impfung erfolgt ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat, also ab der neunten Woche. Es folgen Injektionen nach dem vollendeten dritten und vierten Lebensmonat. Die letzte Dosis gibt es am Ende des ersten Lebensjahres. Im Alter von neun bis 17 Jahren sollte die Impfung noch einmal aufgefrischt werden.

    Gibt es Risiken? Geimpft wird meist in Kombination gegen Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Hib und Hepatitis B. Es ist also ein Sechsfachimpfstoff, den Kinder bekommen. Nebenwirkungen sind selten, meist leicht und nicht häufiger als bei Einzelimpfungen (Human vaccines: Reinert, Philippe, et al., 2006). Mit dem Kombinationsimpfstoff braucht es weniger Injektionen und Impftermine, was Schmerzen, Zeit und Kosten senkt. Ungewollte Reaktionen der harmlosen Art sind etwa Rötungen, Schmerzen und Schwellungen an den Einstichstellen. In Einzelfällen – einer von 10.000 Geimpften – kann es zu einem Fieberkrampf kommen, der folgenlos bleibt.

    Es hält sich jedoch das Gerücht, der Impfstoff sei lebensgefährlich und Kinder daran gestorben. Tatsächlich standen die Mittel Infanrix hexa von GlaxoSmithKline sowie Hexavac von Sanofi Pasteur MSD, die im Jahr 2000 zugelassen worden waren, mal unter Verdacht, möglicherweise schädlich zu sein. Innerhalb von drei Jahren waren fünf Kinder innerhalb von 24 Stunden nach der Impfung plötzlich verstorben. Im selben Zeitraum waren damit rund drei Millionen Kinder geimpft worden.

    Einen direkten Zusammenhang haben Mediziner nicht nachweisen können, stattdessen hat die Europäische Arzneimittel-Agentur die Vorwürfe noch 2003 entkräftet. Ein Fazit: “Die Vorteile der Impfung überwiegen die Risiken bei Weitem”, die Impfstoffe sollten weiter eingesetzt werden.

    Hexavac wurde 2005 dennoch vom Markt genommen. Nicht, weil er schädlich ist, sondern weil er in der Kombination vermutlich nicht lebenslang gegen Hepatitis B schützt. Seit 2013 ist mit Hexyon ein dritter Sechsfach-Impfstoff zugelassen.

  • HPV (Humane Papillomaviren):
    Impfung gegen Krebs

    HPV (Humane Papillomaviren)

    Humane Papillomaviren (HPV) werden zumeist beim Sex, auch beim Oral- und Analsex, übertragen und verursachen verschiedene Krebsarten, vor allem Gebärmutterhalskrebs sowie Krebs im Mund- und Rachenraum, am Penis und am After. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts erkranken jedes Jahr 6.250 Mädchen und Frauen sowie 1.600 Jungen und Männer an bösartigem Krebs, der auf eine HPV-Infektion zurückgeht. Jährlich sterben 1.500 bis 1.600 Frauen an HPV-assoziiertem Gebärmutterhalskrebs, bei mehr als 50.000 muss eine Ausschabung des Gebärmutterhalses vorgenommen werden.

    Wer sollte geimpft sein? Die Ständige Impfkommission empfiehlt für alle Mädchen eine Impfung gegen humane Papillomviren. Mit Veröffentlichung ihrer Empfeh­lungen 2018/2019 im Epidemiologischen Bulletin 34/2018 (Ende August 2018) wird die Empfeh­lung zur HPV-Impfung erweitert. Dann gilt die Empfehlung zur HPV-Impfung auch für Jungen.

    Wann? Bestenfalls bekommen die Kinder den Impfstoff im Alter von neun bis 14 Jahren. Verpasst? Kein Problem: Lassen Sie die Impfung einfach so früh wie möglich nachholen – bis zum Alter von 17 Jahren ist das möglich.

    Noch ein wichtiger Hinweis: Die Impfung ist auch nach dem ersten Sex noch sinnvoll. Und selbst wenn sich der oder die Jugendliche schon mal infiziert hat, kann die Impfung trotzdem noch einen Schutz vor den anderen im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen bieten.

    Gibt es Risiken? Es kann kurzzeitig zu Schwellungen, Rötungen und Schmerzen an der Einstichstelle kommen. Auch berichteten Geimpfte vermehrt von Schwindel. Davon abgesehen jedoch handelt es sich hierbei um “eine sehr sichere Impfung”, wie auch das das Robert-Koch-Institut (RKI) betont. So wurden laut RKI „seit Empfehlung der Impfung 2007 keine schweren unerwünschten Wirkungen gemeldet, die ursächlich in Zusammenhang mit der HPV-Impfung standen“. Das deckt sich mit den Aussagen der Weltgesundheitsorganisation, deren Global Advisory Committee on Vaccine Safety (GACVS) seit 2007 regelmäßig eine Bewertung von Sicherheitsdaten zur HPV-Impfung durchführt.

    Es kursiert das Gerücht, die Impfung könne zu schweren Erkrankungen führen. Der Grund sind Beobachtungen unter Jugendlichen in Dänemark. Dieser Zusammenhang ist jedoch nicht haltbar, wie eine Cochrane-Studie zeigt.

  • Hepatitis B:
    Impfen gegen chronische Beschwerden und Leberschäden

    Hepatitis B

    300.000 bis 650.000 Menschen in Deutschland haben dauerhaft Hepatitis B. Übelkeit und Erbrechen gehören zum Krankheitsbild, je länger das Virus aktiv ist, desto häufiger sind Leberschäden. Deshalb ist vor allem auch unter jungen Patienten die Wahrscheinlichkeit größer, dass Beschwerden chronisch werden: Bei infizierten Neugeborenen liegt sie bei 90 Prozent, bei Kleinkindern bei 40 bis 70 Prozent.

    Wer sollte geimpft sein? Seit 1995 wird eine Impfung für alle Säuglinge, Kleinkinder und Jugendlichen empfohlen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts jedoch schwanken die Impfquoten je nach Bundesland zwischen rund 79 Prozent in Baden-Württemberg und rund 97 Prozent beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern.

    Wann? Die Impfung im Säuglingsalter besteht aus vier Teilimpfungen. Die erste ist ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat möglich, mit vollendetem dritten Lebensmonat folgt die zweite, ab dem vollendeten vierten Lebensmonat die dritte und die letzte wird Ende des ersten Lebensjahres gegeben (11.–14. Lebensmonat). Wird alles eingehalten, ist nach jetziger Kenntnis keine weitere Impfung im Laufe des Lebens nötig.

    Gibt es Risiken? Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen: Wie bei jedem Medikament reagiert der Körper auf die Impfung. Wie stark, ist sehr unterschiedlich. Die meisten Menschen – auch Säuglinge und junge Kleinkinder – haben keine Beschwerden, bei weniger als einem von 10.000 kommt es zu einem Fieberkrampf. Langfristige Folgen sind nicht bekannt. Zur Grundimmunisierung kann gleichzeitig auch gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung (Polio), Keuchhusten (Pertussis), und Hib geimpft werden. Das senkt die Zahl der Impfspritzen, reduziert Schmerzen für das Kleinkind, spart Zeit und auch Kosten.

  • Grippe (Influenza):
    Die Vakzine ist für die meisten Kinder kein Muss

    Grippe (Influenza)

    Trockener Reizhusten und eine ungewöhnlich starke Erschöpfung sind typische Anzeichen für eine Grippe. Ebenso hohes Fieber sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Alljährlich schlagen die Viren zu – wie stark, lässt sich nicht vorhersagen.

    Wer sollte geimpft sein? Das Robert Koch-Institut empfiehlt die Impfung derzeit für Menschen ab 60 Jahren, chronisch Kranke und Schwangere, weil diese Risikogruppen durch eine Infektion besonders gefährdet sind. Kinder sollten das Mittel nur dann standardmäßig bekommen, wenn sie etwa Asthma oder Herz- oder Kreislauferkrankungen haben – sie seien grundsätzlich geschwächt, was das Risiko für Komplikationen steigen lasse. Dieser Ansicht ist auch die US-amerikanische Seuchenbehörde CDC, sie betont aber zugleich, dass Kinder unter zwei Jahren einem ebenso starken Risiko ausgesetzt sind und empfiehlt daher, sie ebenfalls zu impfen.

    Wann? Geimpfte Mütter geben Antikörper an ihr Ungeborenes weiter, sodass der Säugling in den ersten Lebensmonaten vor der Grippe weitgehend geschützt ist. Ab sechs Monaten können die Kinder dann theoretisch selbst geimpft werden. Eine einmalige Impfung – am besten im Herbst – bietet zumeist wie bei Erwachsenen ausreichend Schutz für die gesamte Grippesaison.

    Gibt es Risiken? Die Impfung ist im Allgemeinen gut verträglich. Es kommt gelegentlich zu leichten Reaktionen wie leichte Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Impfstelle oder eine verstopfte oder laufende Nase.

    Da sich die Viren jährlich wandeln, unterscheiden sich auch die Impfstoffe im Detail. Die Weltgesundheitsorganisation legt jedes Jahr die genaue Zusammensetzung fest – üblicherweise sind verschiedene Virenstämme enthalten –, dann wird die Zulassung neu geprüft. Erst wenn anschließend das Paul-Ehrlich-Institut das Mittel freigegeben hat, wird es für den Handel in Deutschland freigegeben.

    Wichtig: Fragen Sie Ihren Arzt, woraus der Impfstoff besteht. Falls Sie eine Allergie gegen Hühnereiweiß oder andere Bestandteile haben, wird er entscheiden, ob die Impfung tatsächlich sinnvoll ist oder ein größeres gesundheitliches Risiko als das Virus birgt. Gleiches gilt für Menschen mit Asthma oder einer klinischen Immunschwäche.

  • Tetanus:
    Einer von zehn Infizierten stirbt

    Tetanus

    Wer sich beispielsweise an Nägeln, Holzsplittern oder Dornen verletzt, kann sich mit Tetanus anstecken. Weil eine Erkrankung zu Lähmungen der Gesichtsmuskeln sowie Krämpfen rund um den Kehlkopf und in der Brust führen kann, wird die Krankheit auch als Wundstarrkrampf bezeichnet. Zehn bis 20 Prozent der Patienten sterben. Ausgelöst wird die Krankheit durch das widerstandsfähige Stäbchenbakterium Clostridium (C.) tetani, der ein schädliches Gift ausscheidet.

    Wer sollte geimpft sein? Da Tetanus-Erreger im Erdboden verbreitet sind, sollten Säuglinge und Kleinkinder möglichst früh gegen Tetanus geschützt sein. Ist die Mutter geimpft, sind junge Säuglinge bis zu vier Monaten sicher.

    Wann? Die erste Impfung erfolgt ab der neunten Woche, die zweite mit vollendetem dritten und die dritte mit vollendetem vierten Lebensmonat. Die letzte Teilimpfung geben Ärzte am Ende des ersten Lebensjahres (11.-14. Lebensmonat). In der Folge gilt es, regelmäßig zu impfen: mit fünf bis sechs Jahren noch einmal, im Alter von neun bis 17 und danach alle zehn Jahre.

    Gibt es Risiken? Der Impfstoff schützt gleichzeitig vor Hib, Diphtherie, Polio, Keuchhusten und Hepatitis B. Es ist also ein Sechsfachimpfstoff, den Kinder bekommen. Nebenwirkungen sind selten, meist leicht und nicht häufiger als bei Einzelimpfungen (Human vaccines: Reinert, Philippe, et al., 2006). So braucht es weniger Injektionen und Impftermine, was Schmerzen, Zeit und Kosten senkt. Ungewollte Reaktionen der harmlosen Art sind etwa Schmerzen (rund acht von zehn Menschen) und Schwellungen an den Einstichstellen bei einem von vier. In Einzelfällen – einer von 10.000 Geimpften – kann es zu einem Fieberkrampf kommen, der meistens folgenlos bleibt. Allergische Reaktionen sind wie bei jeder Impfung möglich. Fragen Sie im Zweifel Ihren Arzt.

  • Mumps:
    Sichere Impfung gegen Ziegenpeter

    Mumps

    Die ersten Symptome ähneln einer Grippe: Fieber, Husten, Kopfschmerzen. Hinzu kommt eine ein- oder beidseitige Schwellung der Ohrspeicheldrüse. Die Übertragung erfolgt vor allem durch Tröpfchen und direkten Speichelkontakt, etwa beim Küssen. Fast zehn Prozent der Erkrankten bekommen eine Hirnhautentzündung. In seltenen Fällen tritt eine Bauchspeicheldrüsenentzündung oder eine Entzündung des Hörnervs auf, die zu bleibenden Hörschäden führen kann.

    Wer sollte geimpft sein? Menschen, die unmittelbar Patienten versorgen, sowie alle jungen Kleinkinder, Kinder und Jugendliche, die noch keinen Schutz haben. Zwei Spritzen reichen, das enthaltene Mittel schützt gleichzeitig gegen Masern und Röteln, daher der Name MMR-Impfung. Einen Einzelimpfstoff gibt es nicht mehr.

    Wann? Zwischen dem 11. bis 14. Monat ist die erste Impfung empfohlen. Frühestens vier Wochen danach und spätestens mit 23 Monaten sollte die zweite folgen. Für eine MMR-Impfung von Säuglingen unter neun Monaten fehlen umfassende Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit, sie lassen sich indirekt schützen, indem die Menschen in ihrem Umfeld geimpft sind.

    Gibt es Risiken? Die MMR-Impfung zählt zu den sichersten und effektivsten Impfungen, die Ärzten derzeit zur Verfügung stehen. Doch es gibt gleich mehrere Gerüchte: Es heißt etwa, die Impfung trage dazu bei, dass junge Menschen an Diabetes erkranken. Nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es allerdings keinen Hinweis darauf (Fragen und Antworten dazu bietet das zuständige Paul-Ehrlich-Institut).

    Weiter wird behauptet, der MMR-Impfstoff sei gefährlich für Kinder, die gegen Hühnereiweiß allergisch sind. “Das Hühnereiweiß im Impfstoff ist jedoch nicht das gleiche Eiweiß wie in einem Hühnerei und im MMR-Impfstoff nur in geringen Mengen vorhanden”, teilt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit. Zudem haben Studien gezeigt, dass die überwiegende Mehrzahl den Impfstoff verträgt (siehe etwa BMJ: Khakoo & Lack, 2000 sowie Pediatrics: Patya A et al., 2001). Fragen zu allergischen Reaktionen sollten auf jeden Fall mit dem Arzt besprochen werden.

    Und dann ist da noch die Autismus-Lüge. Verantwortlich für das Gerücht ist eine Untersuchung von Andrew Wakefield, die 1998 erschienen ist. Sie beinhaltete methodische Fehler und Manipulationen, zudem verfolgte Wakefield finanzielle Interessen. 2010 wurde der Artikel vollständig widerrufen, Wakefield verlor seine ärztliche Zulassung in Großbritannien. Seitdem wurden es mehrere hochwertige Studien veröffentlicht, die allesamt belegen, dass es keinen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und autistischen Störungen gibt. Das Robert-Koch-Institut (RKI) führt einige davon auf.

    Was zu beachten ist: Selbst eine vollständige Grundimmunisierung mit zwei Impfungen schließt eine Mumps-Erkrankung nicht vollständig aus, wie das RKI in einem Merkblatt festhält. Aber nach einer einmaligen MMR-Impfung lässt sich die Krankheit bei 64 bis 66 Prozent der Geimpften verhindern, nach zweimaliger Impfung bei bis zu 88 Prozent.

  • Diphtherie:
    Mit der Impfung sank die Zahl der Fälle um 90 Prozent

    Diphtherie

    Diphtherie – was ist das eigentlich? Das Diphtherie-Bakterium infiziert die Haut oder die Schleimhäute und kann sich auch im ganzen Körper ausbreiten. Es bildet ein gefährliches Gift, das Organe wie Herz, Nieren und Leber dauerhaft schädigen kann.

    Dank hoher Impfraten ist die Krankheit in Deutschland heute sehr selten, es gibt jährlich nur einzelne Fälle. Dennoch empfiehlt die Ständige Impfkommission dringend den Schutz, in anderen Ländern ist Diphtherie noch weit verbreitet und damit eine Gefahr. Die Impfung hat laut der Weltgesundheitsorganisation die Zahl der Erkrankungen seit Beginn der Kampagne 1974 um mehr als 90 Prozent gesenkt.

    Wer sollte geimpft sein? Jeder. Denn: Selbst wer im Leben schon Diphtherie hatte, ist nicht automatisch vor erneuter Ansteckung geschützt. Die Impfung hingegen ist wirksam.

    Wann? Eine Impfung im dritten, vierten, fünften sowie zwischen dem 12. und 15. Lebensmonat sorgt für die Grundimmunisierung, sie hält zehn Jahre. Es gibt verschiedene Einzel- und Kombinationsimpfstoffe. So ist es möglich, gleichzeitig gegen Tetanus, Kinderlähmung, Keuchhusten, Hib und Hepatitis B zu impfen. Das senkt die Zahl der Impftermine und die nötigen Spritzen für das Kleinkind. Das Immunsystem überfordert dies nicht. Es ist täglich mit unzähligen Erregern konfrontiert.

    Gibt es Risiken? Allergische Reaktionen an der Haut oder an den Atemwegen sind bisher bei weniger als einem von 1.000 Geimpften aufgetreten. In Einzelfällen ist nach einer Diphtherie-Impfung ein anaphylaktischer Schock aufgetreten. Dies ist die schwerste allergische Reaktion des Immunsystems. Binnen kurzer Zeit weiten sich Gefäße und es kommt zu Flüssigkeitsverlust. Ein solcher Schock ist im Extremfall akut lebensgefährlich. Bei weniger als einem von 10.000 Geimpften kommt es zu Erkrankungen des Nervensystems.

  • FSME:
    Impfen gegen die Hirnhautentzündung nach dem Zeckenbiss

    FSME

    Besonders im Süden Deutschlands und Europas kann man sich die Frühsommer-Meningoenzephalitis einfangen, kurz FSME. Die Hirnhautentzündung wird durch Viren ausgelöst, die im Körper von Zecken vorkommen können. Beim Biss können sie übertragen werden. Fieber, Übelkeit und Erbrechen sind erste Symptome, später kann sich eine Entzündung der Hirnhäute entwickeln, die in wenigen Fällen zu Lähmungen führen kann. Die meisten Erkrankten (ca. 70-90 Prozent) bleiben beschwerdefrei und sind nicht ansteckend. Selten kommt es zu schweren Verläufen, Kinder überstehen die Infektion häufiger ohne Probleme als Erwachsene, die ab 40 Jahren in etwa der Hälfte der Fälle eine Hirnhautentzündung entwickeln.

    Wer sollte geimpft sein?
    Empfohlen wird die Impfung allen, die in Risikogebieten leben und sich häufig draußen bewegen. Also dort, wo viele Zecken unterwegs sind, etwa in Wäldern Bayerns, Baden-Württembergs, Südhessens oder im Osten Thüringens. Allerdings kann man sich mit festem Schuhwerk und geschlossener Kleidung vor Zeckenbissen schützen. Zudem stecken FSME-Viren nur in einem Bruchteil der Milben und werden auch nicht immer übertragen. In Deutschland gab es 2016 lediglich 348 FSME-Fälle, und Risikogebiete sind bereits solche, in denen mehr als ein Fall pro 100.000 Einwohner in den vergangenen fünf Jahren registriert wurde (Infos zu FSME vom Robert Koch Institut). Gegen die häufiger von Zecken übertragenen Borrelia-Bakterien, die zu einer Borreliose und einer Hirnhautentzündung führen können, schützt die FSME-Impfung übrigens nicht.

    Wann?
    Gegen FSME können Kinder ab einem Jahr geimpft werden. Impfstoffe für Erwachsene werden meist ab dem 12. oder 16. Geburtstag gegeben.

    Gibt es Risiken?
    15 Prozent der Kinder zwischen ein und zwei Jahren und fünf Prozent der Drei- bis Elfjährigen entwickeln Fieber über 38 Grad Celsius. Dies ist mitunter gefährlicher, als nicht geimpft zu sein, zumindest, wenn die Kinder eben nicht im Risikogebiet leben.Taubheitsgefühle, Schmerzen an der Impfstelle und gelegentliches Anschwellen von Lymphknoten kommen vor. Häufig sind Fieber und Unwohlsein. In einzelnen Fällen können allergische Reaktionen und Nervensystemschäden wie Lähmungen auftreten. In Deutschland wird eine verschwindend geringe Zahl von Impfschäden registriert, sie lag zuletzt bei 34 Fällen im Jahr 2009, die meisten (19 Prozent) gehen auf die FSME-Impfung zurück (Nationaler Impfplan, S. 122., 2012). Wer allergisch auf das Hühnereiweiß reagiert, das bei der Herstellung der Impfstoffe verwendet wird, oder auf andere Inhaltsstoffe, darf nicht geimpft werden.

  • H. influenzae Typ b (Hib):
    Einst oft tödlich für Kleinkinder, mittlerweile gibt es Schutz

    H. influenzae Typ b (Hib)

    Das Bakterium Hib kann schwere Erkrankungen wie Lungenentzündungen oder eine Blutvergiftung gerade unter Säuglingen auslösen. Der Erreger wird durch Husten und Niesen oder über Gegenstände übertragen und führt etwa zu Lungenentzündungen, in schweren Fällen zu einer Hirnhautentzündung (Meningitis). Diese Erkrankung kann sich innerhalb weniger Stunden zum lebensgefährlichen Notfall entwickeln. Bevor es einen Impfstoff gab, war bakterielle Meningitis in den USA die Haupttodesursache für Kinder unter fünf Jahren.

    Wer sollte geimpft sein? Seit 1990 ist die Impfung für alle Säuglinge und für Kinder bis zu 4 Jahren empfohlen, wie das Robert-Koch-Institut berichtet. Sie schützt vor Haemophilus influenzae Typ b, dem häufigsten Erreger, nicht aber vor anderen Typen. Manche Kinder brauchen später keine Nachholimpfung mehr, sind also ein Leben lang geschützt.

    Wann? Erstmals möglich ist die Impfung am Ende des zweiten Lebensmonats. Es folgen drei weitere Impfungen im Abstand von vier Wochen mit Kombinationsimpfstoffen, im 11. bis 14. Lebensmonat ein viertes Mal. Üblicherweise impfen Ärzte Säuglinge mit einem Sechsfachimpfstoff. Die Kombination schützt gleichzeitig vor Tetanus, Diphtherie, Polio, Keuchhusten und Hepatitis B. Er ist sinnvoll, um die Zahl der Impftermine und Spritzen zu senken. Das erspart Kindern unnötige Schmerzen und Ängste.

    Gibt es Risiken? Experten wie die Ständige Impfkommission, das Robert-Koch-Institut oder die Weltgesundheitsorganisation sind sich einig: Der Impfstoff ist äußerst sicher. Impfreaktionen wie eine Rötung oder Schwellung an der Einstichstelle mit Schmerzen können vorkommen. Ebenso können Allgemeinsymptome wie beispielsweise Frösteln oder Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Niemand möchte sein Kind darunter leiden sehen. Aber die Symptome klingen im Schnitt nach ein bis drei Tagen ab.

    Nebenwirkungen gelten als sehr selten, sie bilden sich zumeist schnell und folgenlos zurück. So kommt es in Einzelfällen zu einem Fieberkrampf, bekannt ist auch ein kurzzeitiger schockartiger Zustand. Das ist selten und hält nicht an. Der Impfschutz hingegen schon.

  • Pneumokokken:
    Zwei Impfstoffe sind für Säuglinge empfohlen

    Pneumokokken

    Streptococcus pneumoniae ist verantwortlich für Hirnhaut-, Lungen- oder Mittelohrentzündungen. Das größte gesundheitliche Risiko durch Pneumokokken haben Säuglinge und Kleinkinder. Bei zwei bis zehn Prozent der Erkrankten verläuft die Erkrankung tödlich, bei etwa 15 Prozent entstehen bleibende Folgeschäden. Eine Erkrankung ist selten, in Deutschland traten in den vergangenen Jahren zwischen 500 und 600 Fälle pro Jahr auf, zeigt eine Abfrage der Meldedaten.

    Wer sollte geimpft sein? Die Impfung ist von der Ständigen Impfkommission nur bis zum Ende des zweiten Lebensjahres empfohlen. Ab 60 Jahren sieht das Gremium noch eine einmalige Impfung vor, außerdem empfiehlt sie den Schutz für bestimmte Risikogruppen. In Deutschland sind drei verschiedene Pneumokokken-Impfstoffe auf dem Markt. Welcher wann für wen genau geeignet ist, ist hierzulande nicht genau definiert.

    Wann? Seit 2015 sind für Säuglinge nur noch drei Impfungen empfohlen: eine erste im Alter von zwei Monaten, die zweite mit vier, die letzte sechs Monate später im Alter von 11 bis 14 Monaten. Für sie sind zwei Impfstoffe empfohlen, PCV10 und PCV13. Sie verhindern etwa drei Viertel der schweren Pneumokokken-Erkrankungen.

    Gibt es Risiken? Es kann zu den üblichen Impfreaktionen kommen, Rötungen und Schwellungen an der Einstichstelle zum Beispiel. Manche Kinder reagieren in den ersten drei Tagen nach der Impfung mit Fieber oder Magen-Darm-Beschwerden. Wird gleichzeitig Sechsfachimpfstoff verabreicht, tritt Fieber – meist unter 39 Grad Celsius – etwas häufiger auf. In Einzelfällen verfällt das Kind in einen schockartigen Zustand, der wenige Minuten bis eine Stunde anhalten kann, dann aber meistens folgenlos abklingt.

  • Keuchhusten (Pertussis):
    Wer geimpft ist, schützt vor allem auch Säuglinge

    Keuchhusten (Pertussis)

    Hustenattacken bis zum Erbrechen – seit 2013 ist der Keuchhusten bundesweit meldepflichtig. Ausgelöst wird die Krankheit zumeist durch den Erreger Bordetella pertussis, einem 0,8 x 0,4 Mikrometer großen Bakterium. Oft verläuft sie so mild, dass Infizierte gar nicht merken, dass sie krank sind. Die Gefahr: Die Infektion wird nicht erkannt und unbemerkt auf Säuglinge durch Husten, Niesen oder Sprechen übertragen. Die wiederum trifft der Erreger schwer, er kann zu Krampfanfällen und Bluthochdruck führen, gar lebensgefährlich sein (Clin Microbiol Rev: Mattoo & Cherry, 2005 / Chest: Hartzell & Blaylock, 2014).

    Wer sollte geimpft sein? Mütter geben keine Leihimmunität weiter, auch kann der Körper sich nicht merken, dass er schon einmal erkrankt ist, weshalb der Erreger immer wieder zuschlagen kann. Empfohlen ist die Impfung entsprechend für Eltern und ihre Kinder.

    Wann? Die Grundimmunisierung besteht aus vier Teilimpfungen: ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat, mit vollendetem dritten Lebensmonat, ab dem vollendeten vierten Lebensmonat und die letzte gegen Ende des ersten Lebensjahres (11.-14. Lebensmonat). Die Impfung soll dann im Alter von fünf bis sechs Jahren und im Alter von neun bis 17 Jahren aufgefrischt werden.

    Üblicherweise impfen Ärzte Säuglinge mit einem Sechsfachimpfstoff. Die Kombination schützt gleichzeitig vor Tetanus, Diphtherie, Polio, Hib und Hepatitis B. Dies ist für das Immunsystem kein Problem und zusätzlich müssen Kinder nicht unnötig viele Spritzen bekommen. Das spart Zeit, Schmerz und Nerven.

    Gibt es Risiken? Eine Zusammenfassung der Weltgesundheitsorganisation zeigt: Die meisten Kinder zeigen keine Reaktionen auf die Impfung. Wenn sie welche haben, sind sie gering. Dazu zählen Schwellungen an der Einstichstelle, Erbrechen oder Fieber, die bei einem von vier Kindern auftreten. Nach ein bis drei Tagen klingt das wieder ab.

    In seltenen Einzelfällen treten Nebenwirkungen auf. Beispiel: Bei weniger als einem von 10.000 geimpften Säuglingen kann es zu einem Fieberkrampf kommen. Wird ein Kombinationsimpfstoff genutzt, weichen die Impfreaktionen und Nebenwirkungen nur bedingt ab.

    Mitte der Siebzigerjahre hatten britische Forscher die Vermutung geäußert, einige Impfstoffe könnten zu neurologischen Schäden führen. Doch eine Folgestudie, die auf denselben Daten basierte, hat das nicht bestätigt (BMJ: Miller, David, et al., 1993). Vielmehr hat bis heute keine Studie einen solchen Zusammenhang gezeigt (bspw. The Pediatric infectious disease journal: Ray, Paula, et al., 2006).

  • Röteln:
    Schwangere und Ungeborene schützt die MMR-Impfung

    Röteln

    Die Röteln-Erkrankung wird von Viren verursacht und verläuft meistens mild – wie eine Erkältung mit leichtem Fieber, geschwollenen Lymphknoten und Hautausschlag. In sehr seltenen Fällen können Röteln die Blutgerinnung stören. Es kann auch zu einer Entzündung der Hirnhäute kommen. Steckt sich eine Frau in der Schwangerschaft mit Röteln an, hat das ungeborene Kind das Risiko, Augen- oder Hörschäden, Herzfehler oder seltener Schäden des Gehirns davonzutragen.

    Wer sollte geimpft sein? Jedes Mädchen und jeder Junge sowie alle Frauen im gebärfähigen Alter und Menschen, die etwa in der Schwangerenbetreuung arbeiten. Denn, wie das Robert-Koch-Institut schreibt: “Auch wenn die Wirksamkeit der Masern- und Rötelnimpfung nicht beziehungsweise nur eingeschränkt nachgewiesen wurde, so belegen dennoch zahlreiche epidemiologische Beobachtungsstudien die gute Effektivität der Impfung.” Ehe ein Impfstoff zugelassen wird, muss übrigens immer geklärt sein, dass er keine schweren und häufigen Schäden verursacht.

    Wann? Im Alter vom 11. bis 14. Monat sowie frühestens vier Wochen nach der ersten Impfung und spätestens mit 23 Monaten. Es sind zwei Impfungen empfohlen, “da zwischen fünf und zehn von 100 Geimpften durch die erste Impfung nicht ausreichend geschützt werden”, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Erst im zweiten Schritt bauen bis zu 99 von 100 Personen einen Impfschutz auf.

    Gibt es Risiken? Die Impfung ist effizient und sicher. Von 10.000 Menschen erkranken 4.000 bis 9.000 an Röteln, wenn sie nicht geimpft sind. Haben sie den Schutz bekommen, gibt es bloß 40 bis 270 Ansteckungen. Das zeigen Daten des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

    Hartnäckig hält sich jedoch ein beängstigender Vorwurf: Die MMR-Impfung löse Autismus aus. Das aber ist ein Mythos, der auf einer fehlerhaften, manipulierten Untersuchung an zwölf Kindern aus dem Jahr 1998 basiert. 2010 wurde der Artikel zur Studie sogar vollständig widerrufen, Autor Andrew Wakefield verlor seine ärztliche Zulassung in Großbritannien. Seitdem hat es mehrere hochwertige Studien gegeben, die allesamt belegen, dass es keinen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und autistischen Störungen gibt. Das Robert-Koch-Institut (RKI) führt einige davon auf.

    Weiter gibt es die Sorge, der MMR-Impfstoff sei gefährlich für Kinder, die gegen Hühnereiweiß allergisch sind. Auch das ist in dieser Pauschalität unbegründet. “Das Hühnereiweiß im Impfstoff ist nicht das gleiche Eiweiß wie in einem Hühnerei und im MMR-Impfstoff nur in geringen Mengen vorhanden”, teilt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit. Zudem haben Studien gezeigt, dass die überwiegende Mehrzahl den Impfstoff verträgt (siehe etwa BMJ: Khakoo & Lack, 2000 sowie Pediatrics: Patya A et al., 2001). Fragen zu allergischen Reaktionen sollten auf jeden Fall mit dem Arzt besprochen werden.

  • Meningokokken C:
    Zwölf Typen der Bakterien gibt es, die Impfung gegen C ist empfohlen

    Meningokokken C

    Im Nasen-Rachen-Raum fühlen sich Neisseria meningitidis besonders wohl. Die Bakterien sind verantwortlich für die Meningokokken-Erkrankung, die in Deutschland äußerst selten ist. Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet von bundesweit jährlich rund 89 Erkrankungen des Typs C. Es gibt insgesamt zwölf Typen, die häufigsten eben C, zudem A, B, W135 und Y. Zwei Drittel der Menschen, die sich angesteckt haben, bekommen eine Hirnhautentzündung. Jeder Zehnte “eine besonders schwere Form des septischen Schocks”, der auch die Nebennieren betrifft, was oft tödlich endet. Symptome bei Kleinkindern sind demnach Fieber, Erbrechen, Reizbarkeit oder auch Schläfrigkeit, Krämpfe, Aufschreien. Komplikationen wie Krampfanfälle oder eine Schädigung des Innenohrs bis hin zur Taubheit sind hier häufiger als bei Erwachsenen.

    Seit 2006 ist auch daher die Impfung gegen Meningokokken des Typs C für Kinder empfohlen. Seitdem sind deutlich weniger Kinder erkrankt.

    Wer sollte geimpft sein? Unter anderem gesundheitlich gefährdete Personen, deren Immunsystem geschwächt ist. Das kann angeboren oder etwa durch eine fehlende Milz verursacht sein. Zudem sollten gefährdetes Laborpersonal oder Reisende in Ländern, in denen die Krankheit vorkommt, geimpft sein – und alle Kinder, möglichst früh. So zumindest der aktuelle Stand, er wird jährlich geprüft.. Zwar sind Erkrankungen selten, aber riskanter als die gut verträgliche Impfung.

    Wann? Junge Kleinkinder ab zwölf Monaten. Eine fehlende Impfung soll bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden.

    Gibt es Risiken? Es gibt zwei Impfstoffe, die vor Typ C schützen: MPSV4 und MenACWY. Letzterer wird für Kinder bevorzugt. Manche Säuglinge und Kleinkinder sind nach der Impfung reizbarer, grundsätzlich aber kommt es höchstens zu Schwellungen und Rötungen an der Einstichstelle. Selten – bei einem bis zehn von 10.000 Geimpften – tritt eine vorübergehende Gesichtsschwellung, sehr selten – oder bei einem von 100.000 – ein allergischer Schock auf. Diese bleiben in der Regel folgenlos.

  • Rotavirus:
    40 Prozent weniger Tote durch die Impfung

    Rotavirus

    Schwere Brechdurchfälle, ausgelöst durch Rotaviren, sind für Neugeborene, Säuglinge und junge Kleinkinder lebensbedrohlich. Ihr Körper verliert so viel Flüssigkeit und Salz, dass er austrocknet – einmal erkrankt, hilft oft nur eine Behandlung im Krankenhaus. Dabei gibt es seit 2006 einen wirksamen Schutz: einen Lebendimpfstoff, der abgeschwächte Viren enthält.

    Wer sollte geimpft sein? Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Rotaviren-Impfung für Säuglinge seit Juli 2013, die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die empfohlene Altersgruppe.

    Wann? Ab dem Alter von sechs Wochen und möglichst bis zum Alter von zwölf Wochen. Je nachdem, welcher Impfstoff verwendet wird, sind zwei oder drei Impfstoffdosen in einem Mindestabstand von vier Wochen notwendig.

    Gibt es Risiken? Die meisten Babys haben keinerlei Probleme. Auch international gilt: Der Nutzen überwiegt die Risiken. In den USA etwa mussten bis zu 80 Prozent weniger Kinder mit Rotavirus ins Krankenhaus oder die Notfallaufnahme als vor der Impfung. In Mexiko starben 40 Prozent weniger Babys an den Folgen der Durchfallerkrankung (NEJM: Richardson et al., 2016).

    Es gibt jedoch vereinzelt milde bis schwere Reaktionen. Dazu zählen leichter Durchfall, gelegentlich Blähungen und Fieber. In schlimmeren Fällen kommt es zu einer Darmeinstülpung (Invagination), Studien sprechen von ein bis fünf Zwischenfällen pro 100.000 geimpfte Säuglinge (NEJM: Yih et al., 2014). Je früher geimpft wird, desto geringer das Risiko für die Nebenwirkung. Eine Darmeinstülpung ist allerdings die häufigste Ursache für einen Darmverschluss im Säuglingsalter und kommt ganz unabhängig von einer Impfung bei Kindern im Alter unter zwölf Monaten vor. Sollten Eltern innerhalb der ersten Woche nach der Impfung starke Bauchschmerzen oder anhaltendes Erbrechen beobachten, sollten sie umgehend mit ihrem Baby zum Arzt.

    Eine schwere allergische Reaktion ist – wie bei allen Impfstoffen – der Statistik zufolge bei einer von 1.000.000 Dosen möglich und damit sehr selten.

  • Windpocken (Varizellen):
    Sichere, wirksame Impfung – aber zu teuer?

    Windpocken (Varizellen)

    Es juckt und juckt und juckt. Wer Windpocken hatte, wird sich an den unangenehmen Hautausschlag mit Bläschen erinnern. Vorwiegend Kinder erkranken an der Infektion, die von dem Varizella-Zoster-Virus ausgelöst wird. Auch nach der Erkrankung ist das Virus noch im Körper, bei Erwachsenen kann es später eine Gürtelrose verursachen. Windpocken selbst verlaufen meist mild – für Neugeborene jedoch sind sie riskanter als für ältere Menschen. Es gibt häufiger Komplikationen, in seltenen Fällen eine Hirnhautentzündung oder eine Lungenentzündung.

    Wer sollte geimpft sein? In Deutschland ist die Impfung gegen Windpocken seit 2004 als Standard empfohlen.

    Wann? Im Alter von 11 bis 14 Monaten, mit der ersten Masern-Mumps-Röteln-Impfung oder frühestens vier Wochen danach. Vier bis sechs Wochen nach der ersten Impfung – im Alter von 15 bis 23 Monaten – erfolgt eine zweite Teilimpfung. Wer lieber eine statt zwei Spritzen setzen lassen möchte, kann auch einen Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken wählen.

    Gibt es Risiken? Weltweit haben Ärzte Millionen Dosen verabreicht. Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Impfung das Risiko für gesundheitliche Probleme erhöht, auch nicht langfristig. In einem von zehn Fällen oder weniger bekommt ein Kind Fieber, eins von 25 bekommt leichten Ausschlag. Eine Lungenentzündung tritt bei weniger als einem von 10.000 Geimpften auf.

    Fachleute sind sich einig, dass seit Einführung der Impfung deutlich weniger Kinder Windpocken bekamen als vorher (BMC infectious diseases: Streng et al., 2011). Die kurzfristige Wirkung und die Verträglichkeit stehen außer Frage.

    Doch es gibt zwei strittige Punkte, Nutzen und Kosten: Die Impfung hält nicht ein Leben lang, zudem scheint sie das Erkrankungsalter nur nach hinten zu verschieben und das Immunsystem von Erwachsenen nicht automatisch zu stärken. Denn Letztere kommen immer seltener mit dem Virus in Kontakt – was mit einem höherem Risiko für Komplikationen und vermehrten Fällen von Gürtelrosen einhergeht. Epidemiologische Studien weisen daraufhin. Modellrechnungen des Robert-Koch-Instituts haben gezeigt, dass die Impfstrategie überdacht werden sollte, falls Erwachsene dauerhaft tatsächlich häufiger Gürtelrosen bekommen. Dieser Punkt aber ist noch nicht ausreichend erforscht.

ZEIT ONLINE

Hits: 52