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Julian Assange: Warum entzog Ecuador Julian Assange den Schutz?

Die USA werfen Assange eine Verschwörung zum Angriff auf Regierungscomputer vor. Droht dem WikiLeaks-Gründer deshalb die Auslieferung? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Julian Assange: Julian Assange nach seiner Festnahme in einem Polizeiwagen in London

Julian Assange nach seiner Festnahme in einem Polizeiwagen in London
© [M] Jack Taylor/Getty Images

WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist in der ecuadorianischen Botschaft in London von britischen Behörden festgenommen worden. Es liegt ein Auslieferungsantrag aus den USA vor. In Ecuador verhafteten Ermittler einen weiteren Verdächtigen.

Was werfen die USA dem WikiLeaks-Gründer vor?

Die USA haben Julian Assange wegen einer Verschwörung zum Angriff auf
Regierungscomputer angeklagt. Wie das Justizministerium in Washington
mitteilte, drohen ihm dafür bis zu fünf Jahre Haft. Die Justiz wirft dem WikiLeaks-Gründer Verschwörung mit der US-amerikanischen Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Assange wird beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken. Manning hatte von WikiLeaks veröffentlichte Regierungsdokumente beschafft, die unter anderem Menschenrechtsverletzungen der US-Armee in Afghanistan enthüllt hatten.

Zunächst war weitgehend unklar gewesen, was Assange in den Vereinigten Staaten vorgeworfen wird. Das Interesse der US-Justiz wurde im vergangenen November bekannt, als Assanges Name in einem US-Gerichtsdokument auftauchte. Die Passage legte nahe, dass es bereits eine Anklage gibt, sie aber unter Verschluss gehalten wurde. Die jetzt veröffentlichte Anklageschrift trägt das Datum 6. März 2018.

Der 47-Jährige selbst befürchtet hingegen, dass ihm in den USA stattdessen ein Prozess wegen Geheimnisverrats oder Spionage gemacht werden könnte – wofür ihm die Todesstrafe drohen würde. Von Juli bis Oktober 2010 hatte die von ihm mitgegründete Plattform WikiLeaks rund 470.000 als geheim eingestufte US-Dokumente veröffentlicht, die vor allem mit der Rolle der USA in den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun hatten. Weitere 250.000 Dokumente kamen später hinzu.

Juristisch ungeklärt ist zudem die Rolle, die WikiLeaks bei den russischen Manipulationsversuchen im US-Wahlkampf 2016 gespielt hat. Damals veröffentlichte die Plattform Zehntausende interne E-Mails aus dem Lager der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die von russischen Hackern gekapert worden sein sollen. Die Publikation der teils brisanten Mails bereitete Clinton Schwierigkeiten und begünstigte den Wahlsieger und heutigen Präsidenten Donald Trump.

WikiLeaks – USA fordern Auslieferung von Julian Assange
Nach der Festnahme des WikiLeaks-Gründers hat die US-Regierung die Auslieferung des Aktivisten gefordert. Das US-Justizministerium wirft ihm Verschwörung vor.

© Foto: Steffi Loos/AFP/Getty Images

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Warum wurde Julian Assange festgenommen, und wieso hatte er diplomatisches Asyl in Ecuador?

Offiziell erfolgte die Festnahme am Donnerstag laut Scotland Yard wegen Verstoßes gegen britische Kautionsauflagen im Jahr 2017 sowie wegen eines aktuellen Auslieferungsantrags der USA.

Gegen den WikiLeaks-Gründer wurde seit 2010 wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ermittelt, im Mai 2017 wurden die Untersuchungen eingestellt. Assange hatte die Vorwürfe stets bestritten und bezeichnete sie als Teil eines Komplotts gegen ihn. Zunächst stellte er sich 2010 in Großbritannien der Polizei und kam gegen Kaution frei. Als 2011 ein Gericht einem schwedischen Auslieferungsantrag stattgab, flüchtete Assange im Juni 2012 aus Sorge vor einer weiteren Überführung an die USA in die Botschaft von Ecuador in London. Dort erhielt er im August des gleichen Jahres diplomatisches Asyl. Seither lebte er dort quasi unter Hausarrest.

Seine versuchte Flucht aber stellte einen Verstoß gegen die Kautionsauflagen dar, ein Gericht ordnete daher seine Festnahme an. Zugreifen konnten die britischen Behörden erst jetzt, als Ecuador Assange den Asylstatus entzog. Darüber hinaus verliert er nach Angaben des ecuadorianischen Außenministers auch die ecuadorianische Staatsangehörigkeit. Der gebürtige Australier war 2017 Staatsbürger Ecuadors geworden. Als Grund für den Entzug gab der ecuadorianische Außenminister Unregelmäßigkeiten in den Papieren an.

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Warum änderte Ecuador seine Haltung?

Schon vor Monaten hatte sich die Beziehung zwischen Assange und seinem Asylgeber verschlechtert. Ein Grund könnte sein, dass WikiLeaks Fotos, Videos und Privatgespräche von Ecuadors Präsident Lenín Moreno veröffentlicht hatte. Die Regierung sieht sich als Opfer einer
Verschwörung. Nach der Verhaftung Assanges nahmen die Behörden in der
Hauptstadt Quito einen Vertrauten des WikiLeaks-Gründers fest. Ermittler prüfen der Justiz zufolge dessen mögliche Beteiligung an einem Komplott mit dem Ziel, Präsident Moreno zu erpressen.

Moreno bezeichnete Assange nun als “miserablen Hacker” und “verwöhnten
Rotzbengel”, der sich in der
ecuadorianischen Botschaft in London respektlos gegenüber Beamten
verhalten habe. “Wenn man Zuflucht bekommt, umhegt und mit Essen
versorgt wird, prangert man nicht den Hausherren an”, sagte Ecuadors
Präsident. Fortan werde Ecuador “vorsichtiger” sein und nur Personen Asyl
gewähren, die
es wert seien und nicht “Hackern, deren einziges Ziel
darin besteht, Regierungen zu destabilisieren”.

Einem Bericht des Spiegel zufolge legte die Regierung Ecuadors
schon im November ein restriktives Protokoll für den Umgang mit Assange
fest. Darin sei unter anderem festgelegt worden, dass Besucher ihre Social-Media-Accounts angeben und alle elektronischen
Geräte abgeben mussten. Assange habe sich geweigert, das Protokoll zu
unterschreiben, weil er davon ausging, dass jegliche Verletzung als
Grund für den Entzug seines Asyls verwendet werden könnte. Anfang
Februar beklagte der ecuadorianische Botschafter in London laut dem
Bericht “unangemessenes Verhalten” von Assange, nachdem dieser eine
Lampe vor einer Überwachungskamera im ­Konferenzraum der Botschaft
aufgebaut habe.

Assange war während der Regierungszeit von Morenos Vorgänger Rafael Correa Asyl gewährt worden. Correa warf Moreno nun eine Racheaktion vor und kritisierte die Rücknahme des Asyls als Feigheit.

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Was könnte Assange nun passieren?

Das ist unklar. Laut Ecuadors Präsident muss Assange nicht mit einer Auslieferung an ein Land rechnen, in dem ihm die Todesstrafe droht. Das habe ihm Großbritannien zugesichert. Auch der Staatssekretär im britischen Außenministerium, Alan Duncan, sagte, dass Assange nicht an die USA ausliefert werde, wenn ihm dort die Todesstrafe drohe. Das gelte “unter allen Umständen” und auch für Assange, sagte er dem Sender Sky News. Assanges Anwältin kündigte an, dass ihr Mandant das Auslieferungsgesuch der USA “anfechten und bekämpfen” werde.

Ein Londoner Gericht sprach Assange noch am Tag seiner Festnahme wegen Verstoßes gegen die Kautionsauflagen schuldig. Er werde bis zu einem Abschluss des Verfahrens in Haft bleiben, teilte die
britische Justiz mit. Diese Straftat kann mit bis zu
einem Jahr Gefängnis geahndet werden.

Auch in Schweden könnte es Ermittlungen gegen den WikiLeaks-Gründer geben. Zwar ist das Verfahren 2017 eingestellt worden, das aber hatte nichts mit einer Klärung der Schuldfrage zu tun. Die schwedische Staatsanwaltschaft sah nur keine Möglichkeit mehr, die Ermittlungen weiterzuführen. Eine der Frauen, die die Vergewaltigungsvorwürfe erhoben hat, ließ über ihre Anwältin mitteilen, dass sie alles dafür tun wolle, dass die Staatsanwaltschaft die vorläufigen Ermittlungen in Schweden nun wieder aufnehme. Assange solle nach Schweden ausgeliefert und wegen Vergewaltigung strafrechtlich verfolgt werden. In Schweden kann jede vorläufige Untersuchung wieder aufgenommen werden, solange der Tatverdacht nicht verjährt ist. Das wäre in diesem Fall erst im August 2020.

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Wie reagiert Donald Trump?

Der US-Präsident hat sich nach der Verhaftung Assanges zurückhaltend gezeigt. Er wisse “nichts über WikiLeaks”, sagte Trump. Das sei nicht seine Sache.

Noch während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 hatte der heutige US-Präsident WikiLeaks überschwänglich gelobt, nachdem die Plattform die E-Mails vom Wahlkampfteam seiner Gegnerin Hillary Clinton veröffentlicht hatte. “Ich liebe WikiLeaks”, hatte Trump damals gesagt.

Nach Ansicht Clintons soll sich Assange nun für seine Taten verantworten. US-Geheimdienste gehen nach eigenen Angaben davon aus, dass die E-Mails damals gezielt WikiLeaks zugespielt wurden, um Clinton zu schaden
und Donald Trump zu helfen.

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Wer ist eigentlich Julian Assange?

Der 47-Jährige wurde in Townsville in Australien geboren. Nach der Schule begann er ein Mathematik- und Physikstudium, das er jedoch abbrach. Parallel brachte er sich das Programmieren bei. In den frühen Neunzigerjahren schloss sich Assange mit anderen Hackern zusammen, 1992 wurde er wegen illegalen Hackings zu einer Bewährungsstrafe und einem Bußgeld verurteilt. Später nutzte er seine Kenntnisse unter anderem, um eine Verschlüsselungssoftware und ein Dateisystem zu entwickeln.

Assange war an der 2006 gegründeten Enthüllungsplattform WikiLeaks beteiligt, zu deren Sprecher er wurde. Laut eigener Aussage war seine Motivation, für WikiLeaks zu arbeiten, die Absicht, die Presse zu befreien und Fälle von staatlichem Machtmissbrauch aufzudecken. Infolge seiner Arbeit für WikiLeaks wurde er mehrmals abgehört, verhaftet und verklagt. Assange erhielt für seine Tätigkeit verschiedene Auszeichnungen, unter anderem Journalistenpreise. Er selbst bezeichnet sich als investigativen Journalisten und beruft sich daher auf besonderen Quellenschutz.

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