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Generation Y: Von wegen unpolitisch

In der vergangenen Ausgabe der
ZEIT

behauptet Claudia Schumacher:
“Wir 30-Jährigen haben politisch nichts erreicht”, um dann fortzufahren, die demonstrierenden
Jugendlichen von “Fridays for Future” würden uns, die Millennials, also die nach 1980
Geborenen, alt aussehen lassen.

Wer das behauptet, hat offenbar nicht mitbekommen, was die Piratenpartei in Deutschland von 2009 bis 2016 geleistet hat, und auch nicht, dass viele der führenden Figuren dieser von Millennials getragenen politischen Bewegung jetzt in anderen Parteien politisch aktiv sind. Wer denkt, die Generation Y würde den Arsch nicht hochbekommen, war anscheinend auch 2015 nicht dabei, als sich viele Mitglieder ebendieser Generation in der Geflüchtetenhilfe bis zur Selbstaufopferung engagierten.

In einer Zeit, in der die 30-jährige Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez zur jungen progressiven Stimme der amerikanischen Politik avanciert, zu sagen, Millennials hätten politisch nichts erreicht, ist zumindest sportlich. Und Jens Spahn ist vielleicht nicht jedermanns Sache, doch auch der CDU-Politiker und aktuelle Bundesgesundheitsminister ist als 1980 Geborener gerade noch so Millennial. Eigenlob stinkt, aber ohne die Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus gäbe es heute keine Gewaltschutzambulanz an der Berliner Charité, an der monatlich über 100 Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt behandelt werden.

Was Claudia Schumacher als “die Millennials” skizziert, kommt mir eher vor wie die Beschreibung leicht wohlstandsverwahrloster, westdeutscher Mittelschichtskinder, die sich trotz der Arbeitslosigkeit der 1990er-Jahre, trotz der Finanzkrise und ihrer Folgen nie Gedanken darüber machen mussten, wo das Geld herkommt.

Wer zum Beispiel in den 1990ern erleben musste, wie der ehemalige volkseigene Betrieb, in dem die Eltern bis dahin sicher Arbeit gefunden hatten, von der Treuhand verscherbelt wurde, würde bestimmt gerne über die Behauptung der Autorin streiten, Millennials hätten vom längsten wirtschaftlichen Aufschwung in der Geschichte der Bundesrepublik profitiert.

Natürlich gibt es nicht mehr das eine politische Projekt der Generation Y, denn die Piraten sind gescheitert, nicht zuletzt an sich selbst. Wir haben schlichtweg die historische Chance, die sich uns bot, nicht als solche erkannt, und der progressive Flügel der Partei, für den Politik immer mehr als Netzpolitik war, unterlag dem Flügel, den man auch Deutsche Netzunion hätte nennen können und der nicht mehr zu bieten hatte als die Forderung nach freier Fahrt auf der Datenautobahn.

Aus dem sozialprogressiven Programm der Berliner Piraten, das von der Idee des Rechts auf gesellschaftliche Teilhabe getragen wurde, hätte man einen radikalen Schutz der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen ableiten können. Wir haben das allerdings in dieser Klarheit nie ausformuliert.

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