/Sexualität: Wie werde ich wieder hungrig auf Sex?

Sexualität: Wie werde ich wieder hungrig auf Sex?

In unserer Kolumne “Schlafzimmerblick
beantwortet die Sexualtherapeutin Angelika Eck regelmäßig Ihre Fragen
zu Liebe, Sex und Partnerschaft. Denn über nichts wird häufiger
geschwiegen. Das wollen wir ändern. 

Katja F., 30 J.: Mein Freund denkt langsam, dass ich das Interesse an ihm
verloren habe, weil ich sexuell nicht mehr auf ihn zukomme. Anfangs ergab es
sich immer so zwischen uns, aber wir haben uns auch nur am Wochenende gesehen.
Jetzt wohnen wir zusammen, und natürlich gibt es einen Haufen anderer Dinge zu
tun. Zum Beispiel habe ich einen sehr anspruchsvollen Job angenommen. Er
scheint immer Energie für Sex zu haben. Ich hingegen komme gar nicht mehr auf
die Idee. Das Komische ist aber: Wenn wir dann – selten – doch mal Sex haben,
mag ich das, und den Mann natürlich sowieso. Ich frage mich dann, wieso sich
danach immer eine neue krasse Hürde aufbaut bis zum nächsten Mal. Wie könnte
ich wieder mehr Appetit bekommen?

© Susanne Lencinas

Appetit ist das richtige Stichwort. Wenn wir Sex mit Essen
vergleichen, können wir über Sie sagen: Sie genießen das Menü, wenn es fertig
zubereitet vor Ihnen steht und Sie bereits einen Löffel gekostet haben. Mit
anderen Worten: Sie mögen Sex. Sie haben Lust an Sex. Hunger verspüren Sie im Vorhinein aber nicht. Sie kommen
nicht auf die Idee, die Zutaten zu besorgen, zu kochen oder dafür extra ins
Restaurant zu gehen. Vielleicht ist es zu viel Aufwand, Sie sind müde. Sie
haben also keine Lust auf Sex.

Das ist eine wichtige Unterscheidung, nicht zuletzt für
Ihren an seiner Attraktivität zweifelnden Partner. Mit Ihnen und ihm ist alles
in bester Ordnung. Sie müssen nur in Betracht ziehen, dass die Bedingungen Ihrer
Erotik sich geändert haben
. Sexuelle Erregung ist weder physisch noch emotional
so trivial, dass sie unter allen Rahmenbedingungen für jede und jeden funktioniert.

Als Sie noch nicht zusammengelebt haben, hatte Ihre
Sexualität Rendezvous-Charakter. Es gab eine klarere Trennung der Zeiten und
Orte für verschiedene Bedürfnisse. Jetzt teilen Sie viel Alltag, es gibt neue
und größere Stressoren, Ihr Erholungsbedarf ist gestiegen.

Damit sexuelle Erregung in Gang kommt, braucht es aus Sicht der Sexualwissenschaft zweierlei: Zuerst die Abwesenheit von Stress und anderen hemmenden Einflüssen. Nur wenn wir gedanklich nicht vor dem berühmten steinzeitlichen Säbelzahntiger (alias Chef, Projekt-Deadline, Schwiegermutter) davonlaufen müssen, sind wir hinreichend entspannt, können unsere Sinne sich fokussieren. Wenn Sie gestresst sind, kann Ihr Freund so viele Feuerwerke entzünden, wie er will, Ihr Körper und Ihr Geist werden anderweitig beansprucht bleiben. Die große Frage lautet: Entscheiden Sie sich dafür, der Erotik hohe Priorität einzuräumen und dafür Strategien der Entspannung zu entwickeln? Diese Investitionsfrage, dürfen Sie selbstverständlich auch mit Nein beantworten.

Wenn Sie mit Ja antworten, sollten Sie wissen: Entspannung
ist nicht hinreichend für Erregung. Die zweite Zutat ist etwas, worauf Sie
stehen. Je stärker der erotische Reiz, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass
Sie Energie mobilisieren werden, um sich ihm auszusetzen. Sie schreiben, dass
Sie die Art Sex, die Sie erleben, mögen. Welche Art Sex würden Sie lieben?
Welche würde Ihnen den Verstand rauben? Nicht, dass ich Sie zu ständig
extravagantem Sex auffordern will, das wäre wieder anstrengend. Aber wir
bleiben oft im Funktionsmodus und gönnen es uns manchmal nicht, unsere
sexuellen Bedürfnisse wirklich ernst zu nehmen und eine erfüllende Begegnung anzustreben.
Wie wird aus dem solide gekochten Gericht ein Gourmetmenü? Welche Grundzutaten,
welche Gewürze sind Ihr Ding? Von unserem Leibgericht werden wir immer gern
kosten, selbst wenn wir gar keinen Hunger verspüren, einfach des Genusses wegen.

Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt: zur Veränderung
Ihrer Erwartungen. Hören Sie auf zu erwarten, dass Sie hungrig sein und sich
auf Ihren Partner stürzen sollten. Das führt zu nichts, denn dann werden Sie
beide lange warten. Alternativ können Sie aus einer neutralen – aber
entspannten! – Stimmung heraus selbst sexuell aktiv werden. Der Appetit kommt
beim Essen. Oder auch nicht, dann nehmen Sie einen anderen Pfad. Sie könnten
Ihren Partner befriedigen, oder zusammen ein Bad nehmen, ihn um eine Massage
bitten oder Reisepläne machen, zum Beispiel. Das klingt sehr simpel. Ist es
auch, wenn die Beziehung sonst intakt und vertrauensvoll ist, wenn beide
Partner von dieser Idee überzeugt sind und so flexibel sein wollen, Sex nicht
als etwas Isoliertes in Ihrem Paarleben zu begreifen, sondern das kapriziöse Naturell
der Erotik zu achten und sie einfach einzuladen. Es ist nur eine kleine
Veränderung der Perspektive – vielleicht haben Sie ja auch Lust darauf.

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