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Julian Assange: Was auf den Wikileaks-Gründer zukommen könnte

Nach fast sieben Jahren im politischen Asyl ist Julian Assange in London festgenommen worden. Die USA fordern seine Auslieferung. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Julian Assange FAQ

WikiLeaks-Gründer Julian Assange, aufgenommen im Jahr 2011
© Andrew Winning/Reuters

WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist in der Londoner Botschaft von Ecuador von britischen Behörden festgenommen worden. Es liegt ein Auslieferungsantrag aus den USA vor.

Was wollen die USA von ihm, und was wird ihm vorgeworfen?

Die US-Justiz wirft Wikileaks-Gründer Julian Assange Verschwörung mit der US-amerikanischen Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Assange werde beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken, teilte das Justizministeriums zum US-Auslieferungsantrag an Großbritannien mit. Manning hatte von Wikileaks veröffentlichte Regierungsdokumente beschafft, die unter anderem Menschenrechtsverletzungen der US-Armee in Afghanistan enthüllt hatten.

Zunächst war weitgehend unklar gewesen, was Assange in den Vereinigten Staaten vorgeworfen wird. Das Interesse der US-Justiz wurde im vergangenen November bekannt, als Assanges Name versehentlich in einem US-Gerichtsdokument auftauchte. Die Passage legte nahe, dass es bereits eine Anklage gibt, sie aber unter Verschluss gehalten wurde. Die jetzt veröffentlichte Anklageschrift trägt das Datum 6. März 2018.

Der 47-Jährige selbst befürchtet, dass ihm in den USA ein Prozess wegen Geheimnisverrats gemacht werden könnte. Von Juli bis Oktober 2010 hatte die von ihm mitgegründete Plattform Wikileaks rund 470.000 als geheim eingestufte US-Dokumente veröffentlicht, die vor allem mit der Rolle der USA in den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun hatten. Weitere 250.000 Dokumente kamen später hinzu.

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Warum wurde Julian Assange festgenommen, und wieso hatte er politisches Asyl in Ecuador?

Offiziell erfolgte die Festnahme am Donnerstag laut Scotland Yard wegen Verstoßes gegen britische Kautionsauflagen im Jahr 2017 sowie wegen eines aktuellen Auslieferungsantrags der USA.

Gegen den WikiLeaks-Gründer gab es seit 2010 Ermittlungen wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden, die im Mai 2017 eingestellt wurden. Assange hatte die Vorwürfe stets bestritten und bezeichnete sie als Teil eines Komplotts gegen ihn. Zunächst stellte er sich 2010 in Großbritannien der Polizei und kam gegen Kaution frei. Als 2011 ein Gericht einem schwedischen Auslieferungsantrag stattgab, flüchtete Assange im Juni 2012 aus Sorge vor einer weiteren Überführung an die USA in die Botschaft von Ecuador in London. Dort erhielt er im August des gleichen Jahres politisches Asyl. Seither lebte er dort, quasi wie unter Hausarrest.

Seine versuchte Flucht aber stellte einen Verstoß gegen die Kautionsauflagen dar, ein Gericht ordnete daher seine Festnahme an. Somit bestand immer ein formaler Grund, den Wikileaks-Aktivisten festnehmen zu können.

Zugreifen konnten die britischen Behörden aber lange nicht, bis Ecuador Assange den Asylstatus entzog. Darüber hinaus verlore er auch die ecuadorianische Staatsangehörigkeit. Der gebürtige Australier war 2017 ecuadorianischer Staatsbürger geworden. Als Grund für den Entzug der Staatsbürgerschaft gab der ecuadorianische Außenminister Unregelmäßigkeiten in den Papieren an.

Schon vor Monaten hatte sich die Beziehung zwischen Assange und seinem Asylgeber verschlechtert. Ein möglicher Grund könnte sein, dass Wikileaks Fotos, Videos und Privatgespräche von Ecuadors Präsident Lenin Moreno veröffentlicht hatte. Ecuador schränkte daraufhin Besuche und Kommunikationsmittel für Assange ein.

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Was könnte Assange nun passieren?

Das ist noch unklar. Laut einer Bekanntmachung Ecuadors Präsident Lenin Moreno muss Assange nicht mit einer Auslieferung an ein Land rechnen, in dem ihm die Todesstrafe droht. Das habe ihm Großbritannien zugesichert. Auch der Staatssekretär im britischen Außenministerium Alan Duncan sagte, dass Assange nicht an die USA ausliefert werde, wenn ihm dort die Todesstrafe drohe. Das gelte “unter allen Umständen” und auch für Assange, sagte er dem Sender Sky News.

Die USA haben Assange wegen einer Verschwörung zum Angriff auf Regierungscomputer angeklagt. Wie das Justizministerium in Washington mitteilte, drohen ihm dafür bis zu fünf Jahre Haft. Der 47-Jährige hatte befürchtet, wegen Spionage angeklagt zu werden – wofür ihm potenziell die Todesstrafe gedroht hätte.

Ein Londoner Gericht sprach Assange noch am selben Tag seiner Festnahme wegen Verstoßes gegen die Kautionsauflagen schuldig. Er werde bis zu einem Abschluss des Verfahrens in Haft bleiben, teilte die
britische Justiz mit. Diese Straftat kann mit bis zu
einem Jahr Gefängnis geahndet werden.

Aber auch in Schweden könnte es neue Ermittlungen gegen ihn geben. Zwar war das Verfahren im Mai 2017 zunächst eingestellt worden. Aber das hatte nichts mit einer Klärung der Schuldfrage zu tun. Die schwedische Staatsanwaltschaft  sah nur keine Möglichkeit mehr, die Ermittlungen weiterzuführen.

Eine der Frauen, die die Vergewaltigungsvorwürfe erhoben hat, ließ über ihre Anwältin erklären, dass sie alles dafür tun wolle, dass die Staatsanwaltschaft die vorläufigen Ermittlungen in Schweden wieder aufnehmen werde. Assange solle nach Schweden ausgeliefert und wegen Vergewaltigung strafrechtlich verfolgt werden.

In Schweden kann jede vorläufige Untersuchung wieder aufgenommen werden, solange der Tatverdacht nicht verjährt ist. Das wäre in diesem Fall erst im August 2020.

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Welche Reaktionen gibt es auf die Festnahme?

Die britische Premierministerin Theresa May verteidigte die Festnahme: “In Großbritannien steht niemand über dem Gesetz”, erklärte sie im Parlament in London. Zuvor hatte sich auch der britische Innenminister Sajid Javid so auf Twitter geäußert. Auch Ecuadors Präsident Lenín Moreno verteidigte die Entscheidung. Das politische Asyl sei dem Hacker nach fast sieben Jahren entzogen worden, da Großbritannien Moreno zugesichert habe, dass Assange in kein Land ausgewiesen werde, in dem ihm Folter oder Todesstrafe drohten. Morenos Amtsvorgänger, Rafael Correa, kritisierte das Vorgehen indes und sprach von Verrat.

Russland kritisierte Großbritannien mit scharfen Worten wegen der Festnahme. “Die Hand der ‘Demokratie’ erwürgt die Freiheit”, schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Facebook. Der Kreml teilte mit, man hoffe, dass die Rechte Assanges respektiert würden.

Die  Enthüllungsplattform Wikileaks sieht in dem Entzug des diplomatischen Asyls für Assange eine Verletzung internationalen Rechts. Der ecuadorianische Botschafter habe die britische Polizei “eingeladen”, Assange zu verhaften.

Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden sprach von einem “dunklen Moment für die Pressefreiheit”.

Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Privatsphäre, Joe Cannataci erklärte, dass er Assange Ende April besuchen wolle. Der Besuch war ursprünglich in der Botschaft von Ecuador geplant, nun werde er eben an einem anderen Ort stattfinden. 2016 hatten sich die Vereinten Nationen schon einmal mit dem Fall Assange befasst. Damals kam eine UN-Arbeitsgruppe zu dem Schluss, dass Assange im ecuadorianischen Botschaftsgebäude in London “willkürlich inhaftiert” sei und dafür von Großbritannien und Schweden entschädigt werden müsse. Beide Länder wiesen damals die nicht bindende Entscheidung zurück.

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Wer ist eigentlich Julian Assange?

Der 47-jährige stammt wurde in Townsville in Australien geboren, seine Eltern waren Künstler und betrieben einige Jahre lang einen Wanderzirkus. Seine Kindheit war geprägt von vielen Wohnortwechseln. Bis zu seinem 15. Lebensjahr hatte Assange in mehr als 30 australischen Orten gelebt.

Nach der Schule begann er ein Mathematik- und Physikstudium, das er jedoch abbrach. Parallel brachte er sich das Programmieren selbst bei. In den frühen neunziger Jahren schloss sich Assange mit anderen Hackern zusammen, 1992 wurde er wegen illegalen Hackings zu einer Bewährungsstrafe und einem Bußgeld verurteilt. Später nutzte er seine Kenntnisse unter anderem, um eine Verschlüsselungssoftware und ein Dateiensystem zu entwickeln. Assange war an der 2006 gegründeten Enthüllungsplattform Wikileaks beteiligt, zu deren Sprecher er wurde. Laut eigener Aussage war seine Motivation, für Wikileaks zu arbeiten, die Absicht, die Presse zu befreien und Fälle von staatlichem Machtmissbrauch aufzudecken. Infolge seiner Arbeit für WikiLeaks wurde er mehrmals abgehört, verhaftet und verklagt. Assange erhielt für seine Tätigkeit verschiedene Auszeichnungen, unter anderem auch Journalistenpreise. Er selbst bezeichnet sich als investigativen Journalisten und beruft sich daher auf besonderen Quellenschutz.

Assange ist geschieden und hat einen erwachsenen Sohn.

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