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Kuhglocken-Streit: Unter Läuten

Die Wiese des Nachbarn ist ja nicht nur in der Popmusik immer saftiger und grüngrasiger als die eigene. Was nicht nur mit der sich irgendwann zwangsläufig einstellenden Enttäuschung des Menschen zu tun, dass es vor der eigenen Haustür nie so schön ist, wie man sich das erhofft hat.

So geht es auch einem Ehepaar, das ein Haus in Holzkirchen südlich von München gekauft hat und dort nicht Stille und Idylle, sondern eine Heavy-Metal-Soundkulisse vorgefunden haben will: verursacht durch bis zu sieben Kühe und Kälber, die mit Glocke um den Hals auf der Wiese gleich an der Grundstücksgrenze grasen. Die Klage gegen das, was landwirtschaftliche Publikationen als “Betriebslärm” definieren – denn Vieh wie Geräte sind gewissermaßen Teil einer Anlage – ist am Mittwoch auch in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht München gescheitert. Die alleinstehende Bäuerin, die das bayerische Brauchtum hütet und ihren Kühen sowohl Glocken als auch Namen gibt, hat gegen den zugezogenen Autohändler gewonnen. Und das ganz ohne akustische Nachtabsenkung wie in anderen Gegenden bereits üblich: Im sauerländischen Menden zum Beispiel erging 1998 das Urteil, dass die Kühe zwischen 20 Uhr abends und sieben Uhr früh nur glockenlos draußen sein dürfen.

Können jetzt nicht mal alle mal Ruhe geben, immerhin hat sich dieses Verfahren über fünf Jahre hingezogen? Und ist das nun denn nicht ein Happy End wie aus dem schönsten Landarztfilm? Vermutlich nicht. So ist das nämlich bei Integrationsproblemen in Bayern und anderswo. Denn ob der Weg die Menschen nun vom Land in die Stadt führt oder von der Stadt aufs Land, das große Menno kommt doch unweigerlich: Menno, so hab ich mir das aber nicht vorgestellt!

Wer zu viel Landlust-Magazine durchgeblättert hat und nur von Bienengesumm und Blumenwiesen fantasiert, der wacht auf dem Lande bald davon auf, dass der Bauer frühmorgens mit dem Güllefass hinterm Traktor die unbefestigte Straße entlangrumpelt. Zu einer Zeit also, in der der Hahn schon seit Stunden kräht und die Hunde des Dorfes so dröhnend zu bellen anheben, als husteten sie in leere Melkeimer.

Wer hingegen in die Großstadt zieht, geblendet von Maklerprospekten, in denen von einer lebendigen Nachbarschaft mit herrlichen Ausgehmöglichkeiten die Rede ist, der findet bald, dass die Bar gegenüber am Abend doch beizeiten den Vorgarten von der ausharrenden Boheme räumen sollte, und bemüht gleich mal den Anwalt, um seine Interessen durchzusetzen.

Überhaupt scheinen Menschen eher in Klischees über sich und ihr eigenes Leben zu denken, als sich an der Realität abzugleichen. Und deshalb muss man ganz nüchtern feststellen, dass weder die Kühe noch die Bars den meisten Lärm verursachen, sondern jene Menschen, die sich unentwegt darüber beklagen, dass sie sich das alles doch ganz anders vorgestellt haben.

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