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FC St. Pauli : Der Phrasendrescher geht

Das gab es noch nicht so oft auf dem Kiez: Der FC St. Pauli steht auf dem sechsten Platz, viel besser als erwartet und in Schlagdistanz zu den Aufstiegsrängen – und trennt sich dennoch von Trainer und Sportdirektor. Das sind ja HSV-ähnliche Zustände, hätte man gestern raunen können. Da raunte aber niemand. Nicht erzürnte Proteste gegen eine aktionistische Vereinsführung waren die Folge – sondern Aufatmen und Erleichterung allerorten. Endlich! Dieses Wort, mit Ausrufezeichen, ging um in der Fanszene, in Foren und sozialen Medien. Und darin drückt sich aus, wie richtig, ja überfällig die Trennung war. 

Im Dezember 2017 hatte Markus Kauczinski die Mannschaft übernommen, seither aber nie vermocht, eine gemeinsame Identität oder eine Spielidee zu finden und zu vermitteln. Der vermiedene Abstieg sowie die starke Hinrunde 2018 konnten darüber hinwegtäuschen, verdankten sich aber vor allem herbeitransferierten Einzelkönnern wie Alex Meier, Marvin Knoll und Henk Veerman. Die taktischen und spielerischen Mängel waren stets offenkundig, was umso schwerer wiegt, weil im Kader eigentlich eine Talentmasse versammelt ist, die es in den vergangenen Jahren selten gab. Kauczinski schien ratlos vor diesen Möglichkeiten zu stehen. Seine Wechsel bei Heimspielen, gerne erst weit nach der 75. Minute, sorgten regelmäßig für Fassungslosigkeit auf den Tribünen, auf denen sich die Fans längst gegen ihn gewandt hatten.

Dabei, und das muss erwähnt werden, haben auf St. Pauli etliche Trainer Gnade gefunden, die wenig Konzept auf den Rasen brachten. Man kann sich in diesem Verein nämlich viel erlauben, wenn man wenigstens verbal präsent ist, die Dagegenkultur umarmt, die Stadtteilwurzeln betont, kurzum: wenn man als Typ gefällt. So war es bei den Stanislawskis, Meggles, Lienens zuvor. Markus Kauczinski? Redete Gegner groß und eigene Spieler klein und fiel mit Plattitüden auf, die nicht mal mehr im Sporttalk “Doppelpass” erlaubt wären. Immer waren die anderen “unangenehm zu spielen”, immer wollte er “Tugenden auf den Rasen bringen”, und wenn ein Spiel verloren gegangen war, was in der Rückrunde ziemlich oft passierte, hatte man halt “Fehler gemacht”, “unnötig geschlafen”, freilich nur um “jetzt den Kopf wieder hochzunehmen” und “gemeinsam da rauszukommen”.

Mehr zu den Hintergründen wird möglicherweise auf der Pressekonferenz am Donnerstag zu erfahren sein. Fest steht aber schon, dass nun der Niederländer Jos Luhukay übernimmt. Aufstiegserfahrung bringt er von früheren Stationen mit, gilt ansonsten als knurriger, wortkarger Malocher. Was keine Hurra-Lösung bedeutet – aber wenigstens das Ende der Phrasendrescherei.

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