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Venezuela: “Der Chavismo ist am Ende”

Fast vier Tage lang sind da nur Fragen, sagt
Priscilla Teixeira, 26. Haben meine Eltern in Caracas genügend zu essen? Sind sie
in Sicherheit? Oder am Ende in Schwierigkeiten? Knapp vier Tage lang hört sie nichts von ihnen
und zermürbt sich fast vor Sorge
im fernen, sicheren Madrid, wo sie seit über einem Jahr lebt. Der Grund für die Stille: Stromausfall im gesamten Staatsgebiet. Nur eines
von vielen Signalen des anhaltenden Chaos in ihrem krisengebeutelten
Heimatland
.

Priscilla ist eine von rund 3,4 Millionen. So
viele Menschen haben dem UN-Flüchtlingswerk zufolge Venezuela in den vergangenen Jahren
verlassen, andere Organisationen sprechen sogar von vier Millionen. Sie flohen,
weil immer häufiger
Nahrungsmittel und Medikamente fehlten
, weil ihr Geld immer weniger wert war,
weil sie sich im Land nicht mehr sicher fühlten. “Zu
gehen hat sich wie Verrat angefühlt”,
sagt Priscilla. Und dennoch war bis vor Kurzem eine Rückkehr für sie undenkbar. “Ich wollte lieber
sterben, als unter diesem Regime weiterzuleben.”

Seit Präsident Hugo Chávez 2013 an Krebs verstarb und Nicolás
Maduro die Macht übernahm
, hat sich die Lage in
Venezuela noch einmal verschärft. Der Unmut
gegen die Regierung und ihren “Sozialismus des 21.
Jahrhunderts” hat zugenommen,
genauso wie die Engpässe, die Inflation, die Gewalt. Lange
war kein Ende der Situation in Sicht, bis zum 23. Januar dieses Jahres. Der
Tag, an dem sich der bis dahin unauffällige
Parlamentsabgeordnete Juan Guaidó
zum
Präsidenten
ernannte
. Und ankündigte, dem Chavismo für
immer ein Ende zu setzen.

Priscilla hat noch Glück

Seit er aufgetaucht ist, hoffen viele Venezolanerinnen und Venezolaner im Exil
wieder auf eine Zukunft in ihrem Land. Die
Zahl der Auswanderer hat besonders in den letzten Jahren rasant zugenommen. Bisher wanderte mehr als eine Million
Venezolaner nach Kolumbien aus, andere emigrierten nach Peru, Ecuador oder in
die USA. In Europa sind nirgendwo so viele angekommen wie in Spanien. 287.882
Venezolaner lebten laut dem Nationalen Institut für
Statistik (INE) im Dezember 2018 dort. 22 Prozent mehr als 2017, dem Jahr, in
dem Priscilla Teixeira in Madrid
landete.

Ein Samstagabend im Februar, es ist das Wochenende, an dem
internationale Hilfslieferungen nach Venezuela gebracht werden sollen.
Priscilla ist auf dem Nachhauseweg von einer Veranstaltung im Zentrum Madrids,
wo sich Tausende Venezolaner versammelt hatten, um die
humanitäre Hilfsaktion gemeinsam
zu verfolgen. Ihr Blick ist ernst, kaum kann er sich vom Smartphone lösen. Priscilla checkt Nachrichten auf
Twitter. In der U-Bahn liest sie die erste schlechte Meldung: “Lastwägen
mit Hilfsgütern brennen an der kolumbianischen
Grenze”.

In ihrem Apartment, das sie sich mit zwei venezolanischen
Freunden teilt, schaltet sie den Fernseher ein. Die Nachrichten aus Venezuela
verfolgt sie zeitgleich auch auf dem Laptop und ihrem Handy. Die ersten Toten.
Die Hilfslieferungen werden abgebrochen, die Gewalt eskaliert. “Es
war furchtbar”, sagt sie am nächsten
Tag. “Aber
der Chavismo ist am Ende. Es gibt kein Zurück
mehr.”
Endlich
schaue die Welt auf Venezuela. “Und endlich kriegen
wir internationale Unterstützung.”

Priscilla, eine zierliche Frau, 157 Zentimeter groß,
schulterlange Haare, hat Glück im Vergleich zu
anderen Exil-Venezolanern. Nachmittags arbeitet die Zahnärztin
als Zahnarzthelferin. Vormittags ist sie bei einem Radiologen tätig.
Sie hat einen unbefristeten Vertrag und einen europäischen
Pass, weil ihr Vater in Portugal geboren wurde. Rund die Hälfte
aller in Spanien lebenden Venezolaner hat eine EU-Staatsangehörigkeit, da viele die Kinder oder
Enkel europäischer Einwanderer sind.

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