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Deutsche Bahn: Doch kein Goldesel

Bahn-Chef Richard Lutz hat seit einigen Monaten ein neues
Lieblingswort: Wachstumsschmerzen. 2018 verbuchte der Konzern einen
Fahrgastrekord im Fernverkehr – 148 Millionen Fahrgäste stiegen in einen ICE
oder IC der Bahn. Vor allem dieser Erfolg – so Lutz’ Narrativ – führe zu den
Problemen der Bahn. Auf der Schiene, in den Werkstätten, bei den Mitarbeitern –
überall gebe es Engpässe. So erklärt sich für den Bahnchef, dass 80 Prozent der
Züge im Fernverkehr mit größeren oder kleineren Mängeln unterwegs sind und noch
immer ein Viertel verspätet ankommt.

Deswegen will Lutz jetzt die profitable
DB-Auslandstocher Arriva verkaufen. Nur wünscht sich die Bundesregierung für die Bahn genau das Gegenteil: noch viel mehr
Wachstum. Bis 2030 sollen es laut schwarz-rotem Koalitionsvertrag schon
260 Millionen Passagiere sein. Nur mit mehr Bahnverkehr lassen sich die
ehrgeizigen Klimaziele im Mobilitätssektor – der CO2-Ausstoß soll
bis 2030 um 40 Prozent gesenkt werden – zumindest teilweise erreichen. Auch im
Güterverkehr, wo die Bahn in einem insgesamt wachsenden Markt seit Jahren immer
weniger Fracht transportiert, soll endlich die Wende geschafft werden.

Sieben Milliarden investiert der Bund 2019 deshalb in die
Schieneninfrastruktur
. Die Bahn selbst soll vier Milliarden zum Wachstum beitragen.
Doch der Staatskonzern ist bereits mit 19,5 Milliarden Euro verschuldet und
nähert sich rasant dem von der Politik gesetzten Schuldenlimit von 20,4
Milliarden.  Der Gewinn fiel demgegenüber
2018 mit 542 Millionen Euro vergleichsweise mickrig aus
. Der Bahn fehlt daher das Geld, um dringend
benötigte neue Züge zu kaufen.

Bringt Arriva Geld ein?

Hinzu kommen die finanziellen Risiken beim Großprojekt
Stuttgart 21 und die Kosten für neue Mitarbeiter und Werkstätten. Allein im
laufenden Jahr klafft eine Lücke von 2,2 Milliarden Euro in der Finanzplanung. Und
in den kommenden Jahren fehlen der DB AG je nach Schätzung insgesamt vier bis
sechs Milliarden Euro. 

Statt zu wachsen, will sich der Konzern daher
gesundschrumpfen. Noch in diesem Jahr möchte der Vorstand Arriva, die mit mehr als 50.000 Beschäftigten in 14 europäischen Ländern Busse und Nahverkehrszüge betreibt, loswerden. Die prognostizierten Erlöse von drei bis vier Milliarden Euro sollen
dann die “Wachstumsschmerzen” in Deutschland lindern. 

Ginge der Deal durch, verlöre die Bahn auf einen Schlag ein
Fünftel der Belegschaft, ein Achtel des Umsatzes und ein Siebtel des Gewinns. 300
Millionen Euro (vor Steuern und Zinsen) erwirtschaftete Arriva 2018. Angesichts
der prekären Zahlen des Gesamtkonzerns stießen die Verkaufspläne im
Aufsichtsrat dennoch auf breite Zustimmung. Verscherbelt die Bahn nun also aus
blanker Not ihr Tafelsilber?

Dass Arriva als Geldbringer des DB-Konzerns gilt, kann Christian Böttger von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft nicht nachvollziehen. Der Verkehrswissenschaftler wühlt sich seit Jahren durch die
Bilanzen der Deutschen Bahn
und ist sich sicher: “Arriva erwirtschaftet nicht
mal seine Kapitalkosten.”

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