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Klimaproteste: No Friday, no Future

So progressiv, so aufgeklärt, so politisch ihr Jugendlichen von heute auch sein mögt – mit einem habt ihr nicht gerechnet: dem Hass der Generation vor euch.

Hey,
ihr! Jungen! Wilden! Ihr da, die draußen seit gefühlt auch schon
wieder hundert Jahren euren Aktivismus auf die Straße tragt! Grüße
von der Generation Y. Uns habt ihr vor lauter ökologisch-korrektem
Nicht-von-den-Eltern-vor-die-Schule-gefahren-Werden anscheinend
völlig vergessen. Ihr macht uns Angst. Wir fühlen uns alleingelassen wie die graue Plastikgabel in der kunterbunten Quinoa-Bowl.
Wie Schmuddelkinder in einer Welt, in der es, wenn es so weitergeht
– da habt ihr ja recht – schon bald keinen Schmuddel mehr geben
wird. Wir melden uns jetzt auch mal zu Wort. Denn auch wir haben
Sorgen und Nöte, die man ernst nehmen muss.

Wir,
das sind eure großen Geschwister, Cousins und Cousinen,
Ferienspielbewacher und Freizeitbespaßer; die, vor denen ihr Angst
hattet auf dem Schulhof, im Bus, auf der Straße, weil ihr klein und
schwach wart; und die, vor deren Augen ihr euch jetzt tagtäglich
aufführt wie große Gretas und Mutter Teresas.

Ist doch eh alles wurscht

Wir, wir sind der
Haufen zwischen 20 und 30
. Was wurde uns nicht alles zugeschrieben
über die Jahre, die euch von uns trennen – Konsumismus,
Ballerspielneigung, schlechte Zähne, Anbiederung, Trägheit,
Depressionen, Langeweile, schlechter Modegeschmack,
Politikverdrossenheit. Ein schwarzes Loch für Gesellschaftsanliegen.
Und wir? Haben das alles auf uns genommen, all diese großen und
kleinen Erzählungen, sie irgendwann sogar selber geglaubt und
beherzigt. Lahmer Sex, Hochzeit mit 25, verschämtes Fußballgucken:
läuft. Wie es sich für eine Jugendgeneration gehört, waren wir
Prügelknaben und zugleich die Musterschüler des Unglücks. Ihr seid doof, ihr seid schuld, haben die Alten uns gesagt: Aber anders als die Alten haben wir nicht im Sitzkreis protestiert, nicht widersprochen. Wir haben das
verinnerlicht. Dann sind wir eben schuld. Ist doch eh alles wurscht.

Jetzt
seid ihr da, ihr hippen, zarten, geraden, unerschrockenen
Sonnenblumenblätter des guten Gewissens, die ihr wieder Hoffnung auf
Sinn und Vollkommenheit macht. Und was macht ihr? Lauft einfach weg
vor all dem Enttäuschungskapital, das wir mühsam für euch
aufgeschichtet haben. Brecht mit dem Generationenvertrag, nach dem die Jugend immer die schlimmste ist, die aktuelle aber ganz
besonders. Und fühlt euch dabei auch noch im Recht. Ihr terrorisiert
uns mit eurer Unübersehbarkeit: wo man hinschaut, unsymmetrisch
gemalte, kotzgrüne Erdkugeln, in die Fußgängerzone gewürgt,
dahinter ihr mit bunten Hosen und dezentralen Fairness-Strukturen auf
der Fairtrade-Bambus-Brille. Die Welt soll am Arsch sein? Schaut euch
doch mal an und euer blühendes Leben.

In Wahrheit seid ihr die schlimmste Jugend, die jemals existiert hat.

So
schön ist das, dass unsereins bald umkippt vor Ekel. Aber vielleicht
liegt das auch an den illegalen Buschfeuern, die wir vor
Recyclingüberdruss aus unserem ungetrennten Müll im Treppenhaus
entfachen und euch hassen. Denn in Wahrheit seid ihr die schlimmste
Jugend, die jemals existiert hat.

Wir
sind doch gar nicht so weit auseinander, werdet ihr jetzt sagen. Die
paar Jahre? Wir finden: ein ganzes Jahrtausend. Wir wuchsen auf mit
Crazy Frog und kino.to, mit G8 und der Pisa-Studie, mit Ingo Lenßen
und Dirk Bach. Es war ein hartes Leben. “Leistung muss sich wieder
lohnen.” Guido Westerwelle hat uns politisiert: Wir wurden
erwachsen und haben weiter volle Power performt, für den Standort
und damit wir uns mal mehr als ein WG-Zimmer in der Großstadt –
na, was wohl? – leisten können. Auf einen gewissen Standard wollen
wir eben deshalb nun nicht mehr verzichten, das sind wir uns wert –
mit dem Auto ins Fitnessstudio, mit dem Flugzeug auf die Malediven,
mit dem Messer ins Rindersteak. Und das machen wir auch. Wenn ihr uns
mal in Ruhe lassen würdet, bitte?

Wir konnten nicht mal den Brexit verhindern, geschweige denn Segways oder E-Zigaretten.

Denn
wir sind müde. Der ganze Stress. Abends aus dem Büro und dann ab
nach Hause, ein bisschen tindern, im Internet pöbeln oder in der
Badewanne immer schwerer zu ertragende österreichische Deprimusik
hören. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes. Jetzt geht ihr
auf die Straße, werdet bestaunt und bejammert, bekränzt, beklagt,
beklatscht, vor allem beklatscht, eingeladen, besprochen, bejubelt von
den Großen und Mächtigen dieser Welt (Andrea Nahles, Klaus Beimer,
die Redaktion der Goldenen Kamera), weil ihr freitags nicht in
die Schule geht. Während wir nichts hatten damals, nicht mal
Computer in der Schule, nur uns – und einen 30 Jahre alten
Kaffeeautomaten, Kaugummi, Kreide und Mehl, alles noch ohne glutenfrei.

Wir sind dem Untergang geweiht und freuen uns darauf

Stimmt:
Die Welt geht unter, wenn es so weitergeht. Das hat die Forschung,
Schmorschung halt nun mal ergeben. Und nun? Wollt ihr das einfach so
ausfallen lassen wie eure Schule? Und dafür am liebsten gleich
nebenbei noch mehr Einskommairgendwas-Abiture in die pubertären
Talgdrüsen geschoben bekommen? Ja? Wir konnten nicht mal den Brexit
verhindern, geschweige denn Segways oder E-Zigaretten. Und damit
wollt ihr jetzt einfach Schluss machen? Eure Rechte ausüben in einer
Zeit, in der man an Demokratie nur noch an der Waldorfschule glaubt?
Und dabei auch noch so furchtbar aufrichtig schauen?! Mit Gutsein
allein kriegt man das Eisbärenfell nun mal nicht totgeschossen und
der Weihnachtsmann wohnt auch nicht in der Biotonne. Sorry, Leute.

Wir
sind dem Untergang geweiht, alle miteinander, und anders als ihr
freuen wir uns darauf. Wir sind es nicht anders gewohnt. Schade
eigentlich, dass wir den Kalten Krieg so knapp verpasst haben. Ich
mache jetzt Homeoffice, auf unbestimmte Zeit. Mit der Betonung auf
Tür hinter mir zu.

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