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Fridays for Future: Sie lassen uns echt alt aussehen

Wir 30-Jährigen haben politisch nichts erreicht. Jetzt zeigen uns die Kinder mit ihren Klimaprotesten, wofür wir hätten kämpfen sollen.

Plötzlich waren da diese protestierenden Kinder, schon seit Monaten gehen
sie freitags für den Klimaschutz auf die Straße: rührend in ihrem Ernst, bewegend in ihren
Argumenten und beseelt von einer ungeheuren Dringlichkeit. Der Weltrettungsversuch dieser
Kinder ist nicht nur für die Älteren beschämend, die ihre Zukunft verspielen. Sondern auch für
diejenigen, die bis vor Kurzem noch die Zukunft verkörperten: meine Generation, die
sogenannten Millennials. Selbst erst zwischen Mitte 20 und Ende 30, sehen wir plötzlich alt
aus.

Zwei Lager stehen sich an den Protesttagen gegenüber: die Kinder und die Älteren, die an der Macht sind. Sie tragen den großen gesellschaftlichen Konflikt über das Klima und die Zukunft unserer Welt aus – und wir Millennials sind bloß noch Zuschauer, eine Zwischengeneration.

Dabei galten wir, die ersten Digital Natives, doch mal als Hoffnungsträger: feministisch, technikaffin, grün und in sämtlichen Umfragen liberaler als die Älteren. Bevor die Schülerinnen und Schüler Greta Thunbergs politischem Weckruf folgten, waren wir Millennials gerade in der Arbeitswelt angekommen. Nur politisch haben wir leider nichts bewegt. Wir flüchteten uns lieber ins Private und lagen mit dem Handy auf der Couch.

Die nächste Generation ist jetzt dran: gefühlt zu früh, es sind ja noch Kinder. Eine Generation von Zuspätzündern wird jetzt von den Zufrühkommern abgelöst. Dabei hatten die Millennials doch all die Themen so schön vorbereitet, mit denen die Jüngeren heute Revolution machen!

Es waren die Millennials, die das Grünsein wieder cool aussehen ließen. Ökologie und Antimaterialismus, Arbeitszeitverringerung, der Traum vom erfüllten Leben: Wer es gut mit uns meinte, nannte uns einfach sehr pragmatisch und schon auch revolutionär – nur eben im Stillen, jeder für sich. Eine Generation der Bessergebildeten, die sich für selbstverantwortlichen Konsum und Veganismus interessierten und im Schrebergarten ein bisschen was pflanzten, für die armen Bienen.

Und nun schaut man als Millennial auf diese engagierten Klima-Kinder, die sogenannte Generation Z, geboren zwischen 1997 und 2012, und macht von der Couch aus mit Blick auf die Straßen eine fast außerkörperliche Erfahrung: Das sind doch wir! Und zwar so, wie wir eigentlich hätten sein sollen. Warum haben wir es nicht geschafft, unseren Anliegen Gehör zu verschaffen?

Irgendwie blieben wir selbstvergnüglich, schafften es nicht, gemeinsam auf die Straße oder auch nur in ausreichender Zahl wählen zu gehen. Waren es die Abertausenden Stunden auf Twitter und Instagram, die Katzen-Memes, die uns den Blick auf die Wirklichkeit verstellten und das Denken in größeren, politischen Zusammenhängen erschwerten?

Natürlich sind Generationenbeschreibungen immer konstruiert. Die Generation Z besteht nicht nur aus Revoluzzern, und die Millennials sind nicht bloß Couch-Potatoes. Eine Generation, das sind erst mal nur Menschen ähnlichen Alters. Was macht sie zu einer gefühlten Einheit? Wenn es gemeinsame Erlebnisse, Werte, Erfahrungen sind, ein Lebensgefühl, das einen Teil von ihnen verbindet, dann sieht die Bilanz der Millennials so aus: Wir waren zwar progressiv, lebten unsere Werte aber bescheiden im Privaten aus. Radikal waren wir nie, da war kein neuer Gesellschaftsentwurf, keine Vision. Und wenn die Welt dann doch mal verbessert werden sollte, dann meistens nur die eigene: Bei ein bisschen Nischenmusik setzte jeder in der Mietwohnung seine eigenen Akzente, fand seinen Stil auf Pinterest und plante schöne Hochzeiten mit acht Brautjungfern auf der eigens dafür eingerichteten Website. Achtsam entdeckten wir Millennials unseren Selbstwert: Kulturell hat die Menschheit uns das Selfie, den Selfie-Journalismus und ich-erzählerische Memoiren zu verdanken.

Das Politischste, was wir Millennials hervorbrachten, war unser Feminismus, der den Mainstream eroberte. Doch selbst hier ging das Politische bei den meisten nicht groß übers Private hinaus: Auch Frauen machten jetzt Karriere, auch Männer nahmen Elternzeit. Vom Erfolgskonzept “Junge Frau”, das wir etablierten, profitieren die “Fridays for Future”-Kinder nun mit großer Selbstverständlichkeit, ohne dabei von Feminismus zu reden. Die meisten ihrer Frontpersönlichkeiten mit Lautsprecher in der Hand sind Mädchen und junge Frauen. (Und zwar keine Alibi-Frauen: 60 Prozent der “Fridays for Future”-Demonstranten in Deutschland sind weiblich. Das gab es bei einer politischen Bewegung, die sich nicht um Frauenrechte drehte, wohl noch nie.)

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