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Feminismus: Unkrautpflanzen statt Schmerzlöser

Feminismus: "Ich will eine Monsterfrau sein!!!" Ausschnitt eines Wonder-Rina-Comics aus der "Aspirina"

“Ich will eine Monsterfrau sein!!!” Ausschnitt eines Wonder-Rina-Comics aus der “Aspirina”
© Anna Urla/Aspirina

Eigentlich könnte Bayer ja stolz sein, dass den
italienischen Feministinnen, die 1987 in Mailand eine humoristische Zeitschrift
gründen wollten, ausgerechnet ihre kleine Tablette eingefallen ist: Aspirin,
die perfekte Metapher dafür, dass das Leiden an dieser Welt gelindert werden
kann. Seither gab es unter diesem Namen viel, wenn man so will, Acetylsatirisches zu lesen:
kurze Texte, Comics, später auch Videos, denn 2013 zog Aspirina vom
gedruckten Papier ins Internet um.

Feminismus: Antje Schrupp ist Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Publizistin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der politischen Ideengeschichte von Frauen. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8". Sie hat 2001 für die 3. Auflage des Buchs "Wie weibliche Freiheit entsteht" das Vorwort geschrieben.

Antje Schrupp ist Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Publizistin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der politischen Ideengeschichte von Frauen. Sie ist Gastautorin von “10 nach 8”. Sie hat 2001 für die 3. Auflage des Buchs “Wie weibliche Freiheit entsteht” das Vorwort geschrieben.
© Laurent Burst

Da ist zum Beispiel die Frau im gestreiften Kleid, die immer
Nein
sagt (etwa zu der Frage, ob sie ihren Uterus für eine Leihmutterschaft zur
Verfügung stellen würde), oder Wonder Rina,
die gegen die Bösen kämpft und momentan mit Bayer alle Hände voll zu tun hat.
In einem Strip heißt die Hauptfigur Miomioma (“mein Myom”) und wehrt sich gegen eine angedrohte Zwangsräumung, schließlich
wohne sie schon seit Jahrzehnten in diesem Uterus.

Die Aspirina ist eines von vielen Projekten und
Publikationen des 1975 gegründeten Mailänder Frauenbuchladens. In Deutschland
sind die “Mailänder Feministinnen” 1990 bekannt geworden, als ihr Buch Wie
weibliche Freiheit entsteht
auf Deutsch erschien. Darin widersprachen sie dem
seinerzeit verbreiteten Gleichstellungsfeminismus, also der Vorstellung, dass
die Freiheit der Frauen am besten über ihre Gleichstellung mit den Männern zu
erreichen sei. Es war ein kritischer Kommentar zu den damals in vielen Kommunen
und Organisationen eingeführten “Frauenförderplänen” und
“Gleichstellungsstellen”.

Demgegenüber bestanden die Mailänderinnen darauf, dass die
Freiheit der Frauen nicht von ihrer formalen Gleichstellung innerhalb
bestehender Institutionen abhängt, sondern davon, dass sie sich auf einander
beziehen, dass sie sich gegenseitig unterstützen, herausfordern, miteinander
streiten, sich gegenseitig ernst nehmen, aufeinander hören. Nicht der Staat und
seine Institutionen gewährleisten die Freiheit der Frauen, schrieben sie,
sondern es sei genau anders herum: Frauen, die ihre Stärke und Freiheit in der
Beziehungen zu anderen Frauen gefunden haben und damit von der Anerkennung der
Männer unabhängig werden, sind dann auch “so frei”, dass sie die überkommenen
Institutionen herausfordern und verändern können.

Nachdem diese Thesen in den frühen 1990er-Jahren auch in
Deutschland viele Diskussionen ausgelöst hatten, sind die Mailänderinnen
hierzulande später etwas in Vergessenheit geraten. Zum Teil lag das daran, dass
sich vor allem an den Universitäten die Debatte zunehmend um Judith Butler und
dekonstruktivistische Theorie drehte. Als 1996 eine neue Flugschrift der
Mailänderinnen mit dem Titel Das Patriarchat ist zu Ende erschien, stieß sie
in Deutschland eher auf Unverständnis und Ablehnung: Wie kann man, so fragten
viele, angesichts der weiterhin bestehenden und fortdauernden Ungerechtigkeiten
behaupten, dass das Patriarchat zu Ende sei?

Inzwischen ist aber auch hiesigen Feministinnen klar
geworden, dass Die letzten Tage des Patriarchats (so ein Buchtitel der Autorin Margarete Stokowski) angebrochen sind. Es ist heute
offensichtlicher als vor 25 Jahren, dass tatsächlich nicht mehr nur die “alten
weißen Männer” den gesellschaftlichen Ton angeben. Sicher, sie haben noch
Macht, und oft auch viel zu viel Macht. Aber sie haben keine Autorität mehr,
zumindest nicht für freiheitlich gesinnte Menschen. Nicht nur Frauen, sondern
auch andere “Andere”, die im klassischen Patriarchat nichts zu sagen hatten,
melden sich inzwischen vernehmbar zu Wort: Eingewanderte, People of Color,
nicht Bürgerliche, nicht Gesunde, nicht Erwachsene. Menschen mit allen
möglichen Weltanschauungen, Lebensformen und Erscheinungsweisen, die früher als
“unnormal” aus den relevanten Diskursen ausgeschlossen waren.

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