/Hass im Netz: Wie rechte Hetze designt wird

Hass im Netz: Wie rechte Hetze designt wird

Rechtsextremer Hass verbreitet sich rasant in den sozialen Medien. Es gehört zu den dringlichsten gesellschaftlichen Herausforderungen, sich ihm entgegenzustellen. Umso problematischer ist es, dass in öffentlichen Debatten fast immer nur von “Hatespeech”, “Hasskommentaren” oder “Hetzbotschaften” die Rede ist. Das Wesentliche wird dabei übersehen: dass nämlich die effektive Hetze längst nicht mehr bloß sprachlich verfasst ist, sondern viele andere Darstellungsformen gefunden hat. Hass wird ästhetisch pluralisiert, und Hetze wird gestalterisch diversifiziert. Sie nehmen neben textlichen ebenso zeichenhafte und bildliche Formate an. Insbesondere auf Facebook, Instagram und Twitter findet sich eine Hasskultur, die das Explizite scheut und das Implizite perfektioniert.

Dazu ein aktuelles Beispiel: Auf dem Instagram-Foto posiert ein Mann mit zwei Jungs in einer angeblich wiederaufgebauten “Praxis in Maalula”, Syrien. Zu erkennen sind ein paar medizinische Gerätschaften, teilweise mit Klebeband umwickelt. “Das Leben der Menschen vor Ort wird weitergehen”, ist im nebengestellten Bildkommentar zu lesen. Und tatsächlich: Das Foto suggeriert Zuversicht und Stolz. Schließlich sei die Arztpraxis “während des Überfalls zerstört” worden. Nun aber trage sie zur “Grundversorgung vor Ort” bei, sodass auch die “Familie des Zahnarztes” wieder “von ihrem Beruf leben” könne. Das Victory-Zeichen des abgebildeten Jungen ist also nur konsequent – scheint es doch den behaupteten “Schritt nach vorne” zu beglaubigen.

Ein Instagram-Posting der "Alternative Help Association"

Ein Instagram-Posting der Alternative Help Association
© Screenshot: Instagram

Dieses Posting
erschien auf dem Instagram-Account der Alternative Help Association, kurz AHA!,
einem Verein, der nach Selbstauskunft auf seiner Website “die identitäre
Forderung nach Hilfe vor Ort in die Praxis” umsetzt. Die seit 2017 aktive und
von Anhängern der Identitären Bewegung betriebene Organisation benutzt dieselbe
Rhetorik und Ästhetik wie etablierte NGOs – und setzt sie für ihre Zwecke ein:
Unter dem Etikett einer “Hilfe zur Selbsthilfe” sollen die “Masseneinwanderung
nach Europa” gestoppt, “Migrationsströme umgekehrt” und die “Identität” von “z. B. christlichen Gemeinden im Nahen Osten” erhalten
werden. 

Foto und Bildkommentar
belegen somit in erster Linie die inszenatorische Wendigkeit der Neuen Rechten.
Diese zeigen sich inzwischen derart professionalisiert, dass ihr Fremdenhass
als solcher im Grunde kaum mehr kenntlich wird. Dahinter steckt offenbar eine kommunikative
Strategie, die all diejenigen, die das Projekt kritisieren, in ein moralisches
Dilemma stürzt. Schließlich werde im Rahmen von AHA! unter Einsatz des eigenen
Lebens die “wirtschaftliche, kulturelle und soziale Wiederbelebung verwaister
Orte” vorangetrieben. Wer gegen derartige Selbstlosigkeit Einwände formuliert,
läuft Gefahr, seinerseits in den Verdacht des Fremdenhasses zu geraten. 

Umso wichtiger
ist es, sich die Mechanik solcher Taktiken klar vor Augen zu führen: Die Neue
Rechte entfaltet in den sozialen Medien einen Rassismus, der sich mit Gesten
scheinbarer Fürsorge verbinden lässt. Hier kann der Hass auf Minderheiten sogar
als angewandte Nächstenliebe erlebt werden. Ein solcher Hass wäscht sich selbst
rein: Im Akt der Abwertung (von in diesem Fall syrischen Bürgerkriegsopfern) identifiziere
ich mich als Mensch der guten Tat. Solch ein Posting fungiert als moralische
Rechtfertigung der Unterdrückung anderer – und diese Funktion kann es für alle
erfüllen, die es in den sozialen Medien teilen.

Angesichts
solcher Strategien ist mit der Vorstellung aufzuräumen, dass sich Hass im
Internet unkontrolliert entlade. Hass ergießt sich nicht. Auch ist er keine
digitale Naturgewalt, die einfach so über Menschen hereinbricht. Nein,
er wird designt. Zugeschnitten auf den jeweiligen Kanal und dessen Nutzer.     

Damit ist
auch klar: Gezielte Diffamierungen, das Entfachen von Ressentiments und die
Entwürdigung anderer entspringen eigentlich nie den hohlen Köpfen von Idioten.
In der Regel sind sie die Produkte reflektierter Leute. Sie haben präziser als
andere die Logik der sozialen Netzwerke verstanden. Entsprechend versiert sind
sie darin, die den Plattformen eigenen Kommunikationsstrukturen für ihre
Anliegen zu nutzen.

Systematisch
gefasst lassen sich in den sozialen Medien drei besonders aggressive
Hassformate unterscheiden:

1. Gewaltandrohungen bzw. Aufrufe zur Gewalt durch sprechende Bildarrangements
2. Die Etablierung verschwörungstheoretischer Settings
3. Die Entgrenzung des Hasses durch mediale Bastelarbeiten

Auch in
den sozialen Medien gilt, was schon immer gegolten hat: Hass bedeutet, die
Drecksarbeit ästhetisch zu imaginieren, um sie an Brüder im Geiste zu
delegieren.

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